Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war ein enges, durch eine beschirmte Hänge¬
lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden
waren zwei und sie schienen sich an einem kleinen, mit
Briefschaften und unordentlich zur Seite geschobenen
Flaschen und Tellern bedeckten Tische gegenüber zu sitzen.
Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die
breiten Schultern, der Stiernacken, der struppige Kraus¬
kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen
von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er
sich mit demonstrirender Geberde vorwärts und über
seiner Achsel ward in der grellsten Schärfe des Lichtes
das auf die Hand gestützte Haupt des Andern -- Waser
erschrack -- des Herrn Pompejus Planta sichtbar. Wie
gespannt und gramvoll sah er aus! Tief eingeschnittene
Falten zogen seine buschigen Brauen zusammen über
den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die
stolze kräftige Lebenslust war geschwunden und in seinen
Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er
schien seit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.

"Ich willige ungern in das Blutbad, das mir
manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe
kostet, und noch schwerer in die dann nothwendig wer¬
dende spanische Hilfe," sprach Planta jetzt langsam und
gedrückt, nachdem der Andere seine sprudelnde, Waser
unklar gebliebene Rede vollendet hatte, " . . . aber,"

Es war ein enges, durch eine beſchirmte Hänge¬
lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden
waren zwei und ſie ſchienen ſich an einem kleinen, mit
Briefſchaften und unordentlich zur Seite geſchobenen
Flaſchen und Tellern bedeckten Tiſche gegenüber zu ſitzen.
Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die
breiten Schultern, der Stiernacken, der ſtruppige Kraus¬
kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen
von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er
ſich mit demonſtrirender Geberde vorwärts und über
ſeiner Achſel ward in der grellſten Schärfe des Lichtes
das auf die Hand geſtützte Haupt des Andern — Waſer
erſchrack — des Herrn Pompejus Planta ſichtbar. Wie
geſpannt und gramvoll ſah er aus! Tief eingeſchnittene
Falten zogen ſeine buſchigen Brauen zuſammen über
den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die
ſtolze kräftige Lebensluſt war geſchwunden und in ſeinen
Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er
ſchien ſeit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.

„Ich willige ungern in das Blutbad, das mir
manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe
koſtet, und noch ſchwerer in die dann nothwendig wer¬
dende ſpaniſche Hilfe,“ ſprach Planta jetzt langſam und
gedrückt, nachdem der Andere ſeine ſprudelnde, Waſer
unklar gebliebene Rede vollendet hatte, „ . . . aber,“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0049" n="39"/>
          <p>Es war ein enges, durch eine be&#x017F;chirmte Hänge¬<lb/>
lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden<lb/>
waren zwei und &#x017F;ie &#x017F;chienen &#x017F;ich an einem kleinen, mit<lb/>
Brief&#x017F;chaften und unordentlich zur Seite ge&#x017F;chobenen<lb/>
Fla&#x017F;chen und Tellern bedeckten Ti&#x017F;che gegenüber zu &#x017F;itzen.<lb/>
Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die<lb/>
breiten Schultern, der Stiernacken, der &#x017F;truppige Kraus¬<lb/>
kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen<lb/>
von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er<lb/>
&#x017F;ich mit demon&#x017F;trirender Geberde vorwärts und über<lb/>
&#x017F;einer Ach&#x017F;el ward in der grell&#x017F;ten Schärfe des Lichtes<lb/>
das auf die Hand ge&#x017F;tützte Haupt des Andern &#x2014; Wa&#x017F;er<lb/>
er&#x017F;chrack &#x2014; des Herrn Pompejus Planta &#x017F;ichtbar. Wie<lb/>
ge&#x017F;pannt und gramvoll &#x017F;ah er aus! Tief einge&#x017F;chnittene<lb/>
Falten zogen &#x017F;eine bu&#x017F;chigen Brauen zu&#x017F;ammen über<lb/>
den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die<lb/>
&#x017F;tolze kräftige Lebenslu&#x017F;t war ge&#x017F;chwunden und in &#x017F;einen<lb/>
Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;eit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich willige ungern in das Blutbad, das mir<lb/>
manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe<lb/>
ko&#x017F;tet, und noch &#x017F;chwerer in die dann nothwendig wer¬<lb/>
dende &#x017F;pani&#x017F;che Hilfe,&#x201C; &#x017F;prach Planta jetzt lang&#x017F;am und<lb/>
gedrückt, nachdem der Andere &#x017F;eine &#x017F;prudelnde, Wa&#x017F;er<lb/>
unklar gebliebene Rede vollendet hatte, &#x201E; . . . aber,&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] Es war ein enges, durch eine beſchirmte Hänge¬ lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden waren zwei und ſie ſchienen ſich an einem kleinen, mit Briefſchaften und unordentlich zur Seite geſchobenen Flaſchen und Tellern bedeckten Tiſche gegenüber zu ſitzen. Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die breiten Schultern, der Stiernacken, der ſtruppige Kraus¬ kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er ſich mit demonſtrirender Geberde vorwärts und über ſeiner Achſel ward in der grellſten Schärfe des Lichtes das auf die Hand geſtützte Haupt des Andern — Waſer erſchrack — des Herrn Pompejus Planta ſichtbar. Wie geſpannt und gramvoll ſah er aus! Tief eingeſchnittene Falten zogen ſeine buſchigen Brauen zuſammen über den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die ſtolze kräftige Lebensluſt war geſchwunden und in ſeinen Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er ſchien ſeit heute Mittag um zehn Jahre gealtert. „Ich willige ungern in das Blutbad, das mir manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe koſtet, und noch ſchwerer in die dann nothwendig wer¬ dende ſpaniſche Hilfe,“ ſprach Planta jetzt langſam und gedrückt, nachdem der Andere ſeine ſprudelnde, Waſer unklar gebliebene Rede vollendet hatte, „ . . . aber,“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/49
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/49>, abgerufen am 18.12.2024.