Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

wie der Doctor früher mit Stolz zu sagen gewohnt war,
durch Verrath befleckt hatte.

Doch sonderbar! Was der Bürgermeister dem
Fräulein in dieser Stunde festlichen Zusammenseins
noch verschweigen wollte, schien einen magnetischen Zug
auf dessen ahnungsvolles Gemüth auszuüben, wenigstens
kam Amantia heute in Gedanken und Worten von dem
guten Herzog Heinrich Rohan nicht weg und konnte
bei diesem Anlasse nicht umhin, auch seines tapfern
Adjutanten mit Interesse sich zu erinnern.

Herr Waser ließ für seinen Mitbürger keine über¬
triebene Vorliebe blicken. Der Bravour und dem auf¬
geweckten, gebildeten Geiste Wertmüllers widerfuhr von
seinem Munde Gerechtigkeit, aber er schüttelte bedenklich
den Kopf über des Locotenenten schneidiges und den
Widerspruch absichtlich reizendes Wesen, womit er seine
Landsleute beunruhige und sich eine unangenehme Be¬
rühmtheit in seiner Vaterstadt zugezogen habe. So
selten er in Zürich verweile, sei es ihm gelungen,
durch seine Ausfälle gegen eine hohe Geistlichkeit Ab¬
scheu, durch sein hochmüthiges Geringschätzen der in
ihrer Art interessanten städtischen Angelegenheiten all¬
gemeine Mißbilligung und durch allerlei physikalischen
Hokuspokus, der ihn dem freilich thörichten Verdachte
der Zauberei aussetze, bei dem gemeinen Manne un¬

wie der Doctor früher mit Stolz zu ſagen gewohnt war,
durch Verrath befleckt hatte.

Doch ſonderbar! Was der Bürgermeiſter dem
Fräulein in dieſer Stunde feſtlichen Zuſammenſeins
noch verſchweigen wollte, ſchien einen magnetiſchen Zug
auf deſſen ahnungsvolles Gemüth auszuüben, wenigſtens
kam Amantia heute in Gedanken und Worten von dem
guten Herzog Heinrich Rohan nicht weg und konnte
bei dieſem Anlaſſe nicht umhin, auch ſeines tapfern
Adjutanten mit Intereſſe ſich zu erinnern.

Herr Waſer ließ für ſeinen Mitbürger keine über¬
triebene Vorliebe blicken. Der Bravour und dem auf¬
geweckten, gebildeten Geiſte Wertmüllers widerfuhr von
ſeinem Munde Gerechtigkeit, aber er ſchüttelte bedenklich
den Kopf über des Locotenenten ſchneidiges und den
Widerſpruch abſichtlich reizendes Weſen, womit er ſeine
Landsleute beunruhige und ſich eine unangenehme Be¬
rühmtheit in ſeiner Vaterſtadt zugezogen habe. So
ſelten er in Zürich verweile, ſei es ihm gelungen,
durch ſeine Ausfälle gegen eine hohe Geiſtlichkeit Ab¬
ſcheu, durch ſein hochmüthiges Geringſchätzen der in
ihrer Art intereſſanten ſtädtiſchen Angelegenheiten all¬
gemeine Mißbilligung und durch allerlei phyſikaliſchen
Hokuspokus, der ihn dem freilich thörichten Verdachte
der Zauberei ausſetze, bei dem gemeinen Manne un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0386" n="376"/>
wie der Doctor früher mit Stolz zu &#x017F;agen gewohnt war,<lb/>
durch Verrath befleckt hatte.</p><lb/>
          <p>Doch &#x017F;onderbar! Was der Bürgermei&#x017F;ter dem<lb/>
Fräulein in die&#x017F;er Stunde fe&#x017F;tlichen Zu&#x017F;ammen&#x017F;eins<lb/>
noch ver&#x017F;chweigen wollte, &#x017F;chien einen magneti&#x017F;chen Zug<lb/>
auf de&#x017F;&#x017F;en ahnungsvolles Gemüth auszuüben, wenig&#x017F;tens<lb/>
kam Amantia heute in Gedanken und Worten von dem<lb/>
guten Herzog Heinrich Rohan nicht weg und konnte<lb/>
bei die&#x017F;em Anla&#x017F;&#x017F;e nicht umhin, auch &#x017F;eines tapfern<lb/>
Adjutanten mit Intere&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich zu erinnern.</p><lb/>
          <p>Herr Wa&#x017F;er ließ für &#x017F;einen Mitbürger keine über¬<lb/>
triebene Vorliebe blicken. Der Bravour und dem auf¬<lb/>
geweckten, gebildeten Gei&#x017F;te Wertmüllers widerfuhr von<lb/>
&#x017F;einem Munde Gerechtigkeit, aber er &#x017F;chüttelte bedenklich<lb/>
den Kopf über des Locotenenten &#x017F;chneidiges und den<lb/>
Wider&#x017F;pruch ab&#x017F;ichtlich reizendes We&#x017F;en, womit er &#x017F;eine<lb/>
Landsleute beunruhige und &#x017F;ich eine unangenehme Be¬<lb/>
rühmtheit in &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt zugezogen habe. So<lb/>
&#x017F;elten er in Zürich verweile, &#x017F;ei es ihm gelungen,<lb/>
durch &#x017F;eine Ausfälle gegen eine hohe Gei&#x017F;tlichkeit Ab¬<lb/>
&#x017F;cheu, durch &#x017F;ein hochmüthiges Gering&#x017F;chätzen der in<lb/>
ihrer Art intere&#x017F;&#x017F;anten &#x017F;tädti&#x017F;chen Angelegenheiten all¬<lb/>
gemeine Mißbilligung und durch allerlei phy&#x017F;ikali&#x017F;chen<lb/>
Hokuspokus, der ihn dem freilich thörichten Verdachte<lb/>
der Zauberei aus&#x017F;etze, bei dem gemeinen Manne un¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0386] wie der Doctor früher mit Stolz zu ſagen gewohnt war, durch Verrath befleckt hatte. Doch ſonderbar! Was der Bürgermeiſter dem Fräulein in dieſer Stunde feſtlichen Zuſammenſeins noch verſchweigen wollte, ſchien einen magnetiſchen Zug auf deſſen ahnungsvolles Gemüth auszuüben, wenigſtens kam Amantia heute in Gedanken und Worten von dem guten Herzog Heinrich Rohan nicht weg und konnte bei dieſem Anlaſſe nicht umhin, auch ſeines tapfern Adjutanten mit Intereſſe ſich zu erinnern. Herr Waſer ließ für ſeinen Mitbürger keine über¬ triebene Vorliebe blicken. Der Bravour und dem auf¬ geweckten, gebildeten Geiſte Wertmüllers widerfuhr von ſeinem Munde Gerechtigkeit, aber er ſchüttelte bedenklich den Kopf über des Locotenenten ſchneidiges und den Widerſpruch abſichtlich reizendes Weſen, womit er ſeine Landsleute beunruhige und ſich eine unangenehme Be¬ rühmtheit in ſeiner Vaterſtadt zugezogen habe. So ſelten er in Zürich verweile, ſei es ihm gelungen, durch ſeine Ausfälle gegen eine hohe Geiſtlichkeit Ab¬ ſcheu, durch ſein hochmüthiges Geringſchätzen der in ihrer Art intereſſanten ſtädtiſchen Angelegenheiten all¬ gemeine Mißbilligung und durch allerlei phyſikaliſchen Hokuspokus, der ihn dem freilich thörichten Verdachte der Zauberei ausſetze, bei dem gemeinen Manne un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/386
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/386>, abgerufen am 18.05.2024.