Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.Daß der treue Lucas nach dem Auftritte von gestern Was morgen komme war ihr gleichgültig, lag doch Noch warf sie einen Blick hinaus in die trübe, Meyer, Georg Jenatsch. 24
Daß der treue Lucas nach dem Auftritte von geſtern Was morgen komme war ihr gleichgültig, lag doch Noch warf ſie einen Blick hinaus in die trübe, Meyer, Georg Jenatſch. 24
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Daß der treue Lucas nach dem Auftritte von geſtern
mit Rudolf Planta weggeritten, daß er ſie ohne Urlaub
verlaſſen, was er noch nie gethan, das war Lucretia
unbegreiflich und erfüllte ſie mit ſchlimmen Ahnungen.
Sie betrat die Kammer des Alten und öffnete eine
hölzerne Truhe, worin er mit eigenſinniger Verehrung
das Beil aufbewahrte, das ihren Vater erſchlagen hatte
und das ſie zum ſchmerzlichen Aerger des greiſen
Knechtes nie hatte ſehen wollen. Die Truhe war leer.
Lucretia erbleichte. Die mit dem Blute ihres Vaters
benetzte Waffe alſo war ihr entriſſen; die ihr allein
zuſtehende Rache ſollte heute ſchon von den Händen
eines Feiglings oder von denen ihres Knechtes voll¬
zogen werden! Das Blut der Planta ſtürzte ihr wild
zum Herzen und empörte ſich gegen ſolch unwürdigen Ein¬
griff. Die Entſagung der verwichenen Nacht entſchwand
ihrem Gemüthe. Heute war ſie noch die Herrin auf
Riedberg, — heute war ſie noch die Erbin ihres Va¬
ters und waltete zum letzten Male ihres Amts.
Was morgen komme war ihr gleichgültig, lag doch
wie ein ſtiller Friedhof das Kloſter Cazis dort über
dem Rhein.
Noch warf ſie einen Blick hinaus in die trübe,
ſturmgepeitſchte Gegend, ob der Pater nicht komme.
Sie wollte ihm die von ihr in der Nacht geſchriebenen
Meyer, Georg Jenatſch. 24
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