sei sie durch ihre verborgene Mithilfe mit Georg Jenatsch auf immer und ewig verbunden, theilhaftig seiner retten¬ den That, theilhaftig auch seiner Schuld. Unauflöslich war sie mit ihm vereinigt im Augenblicke, da ihr Herz vor ihm zu erschrecken begann und sie, um in ihrem Gemüthe eine Schutzwehr gegen ihn aufzurichten, sich täglich zurückrief, daß die Pflicht ihres Lebens noch nicht erfüllt und der Geist ihres Vaters durch die ihm gebührende Blutsühne noch nicht geehrt sei.
Zu Ende Mai nach dem Abzuge des Herzogs aus Bünden wurde Lucretia durch einen flüchtigen Besuch ihres verabscheuten Vetters beunruhigt. Er deutete ihr an, er müsse schleunig nach Mailand zurückkehren. Dort befinde sich Jenatsch und verhandle persönlich mit Serbelloni die letzten endgültigen Bestimmungen über die Stellung Bündens zu Spanien. Durch seinen charakterlosen Parteiwechsel und seine trügerische Be¬ redsamkeit gewinne der Oberst auf den Gubernatore einen verhängnißvollen Einfluß, welcher die Interessen der alten spanischen Partei in Bünden gefährde und ihn selbst der Früchte seiner langjährigen Treue an Spanien beraube. Rudolf fügte bei, es sei die höchste Zeit, daß er sein Heimatsrecht und seine Stellung im Lande wieder gewinne. Das hoffe er bei den Verhand¬ lungen in Mailand durchzusetzen. Er wäre der Ver¬
ſei ſie durch ihre verborgene Mithilfe mit Georg Jenatſch auf immer und ewig verbunden, theilhaftig ſeiner retten¬ den That, theilhaftig auch ſeiner Schuld. Unauflöslich war ſie mit ihm vereinigt im Augenblicke, da ihr Herz vor ihm zu erſchrecken begann und ſie, um in ihrem Gemüthe eine Schutzwehr gegen ihn aufzurichten, ſich täglich zurückrief, daß die Pflicht ihres Lebens noch nicht erfüllt und der Geiſt ihres Vaters durch die ihm gebührende Blutſühne noch nicht geehrt ſei.
Zu Ende Mai nach dem Abzuge des Herzogs aus Bünden wurde Lucretia durch einen flüchtigen Beſuch ihres verabſcheuten Vetters beunruhigt. Er deutete ihr an, er müſſe ſchleunig nach Mailand zurückkehren. Dort befinde ſich Jenatſch und verhandle perſönlich mit Serbelloni die letzten endgültigen Beſtimmungen über die Stellung Bündens zu Spanien. Durch ſeinen charakterloſen Parteiwechſel und ſeine trügeriſche Be¬ redſamkeit gewinne der Oberſt auf den Gubernatore einen verhängnißvollen Einfluß, welcher die Intereſſen der alten ſpaniſchen Partei in Bünden gefährde und ihn ſelbſt der Früchte ſeiner langjährigen Treue an Spanien beraube. Rudolf fügte bei, es ſei die höchſte Zeit, daß er ſein Heimatsrecht und ſeine Stellung im Lande wieder gewinne. Das hoffe er bei den Verhand¬ lungen in Mailand durchzuſetzen. Er wäre der Ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0366"n="356"/>ſei ſie durch ihre verborgene Mithilfe mit Georg Jenatſch<lb/>
auf immer und ewig verbunden, theilhaftig ſeiner retten¬<lb/>
den That, theilhaftig auch ſeiner Schuld. Unauflöslich<lb/>
war ſie mit ihm vereinigt im Augenblicke, da ihr Herz<lb/>
vor ihm zu erſchrecken begann und ſie, um in ihrem<lb/>
Gemüthe eine Schutzwehr gegen ihn aufzurichten, ſich<lb/>
täglich zurückrief, daß die Pflicht ihres Lebens noch<lb/>
nicht erfüllt und der Geiſt ihres Vaters durch die ihm<lb/>
gebührende Blutſühne noch nicht geehrt ſei.</p><lb/><p>Zu Ende Mai nach dem Abzuge des Herzogs aus<lb/>
Bünden wurde Lucretia durch einen flüchtigen Beſuch<lb/>
ihres verabſcheuten Vetters beunruhigt. Er deutete ihr<lb/>
an, er müſſe ſchleunig nach Mailand zurückkehren.<lb/>
Dort befinde ſich Jenatſch und verhandle perſönlich<lb/>
mit Serbelloni die letzten endgültigen Beſtimmungen<lb/>
über die Stellung Bündens zu Spanien. Durch ſeinen<lb/>
charakterloſen Parteiwechſel und ſeine trügeriſche Be¬<lb/>
redſamkeit gewinne der Oberſt auf den Gubernatore<lb/>
einen verhängnißvollen Einfluß, welcher die Intereſſen<lb/>
der alten ſpaniſchen Partei in Bünden gefährde und<lb/>
ihn ſelbſt der Früchte ſeiner langjährigen Treue an<lb/>
Spanien beraube. Rudolf fügte bei, es ſei die höchſte<lb/>
Zeit, daß er ſein Heimatsrecht und ſeine Stellung im<lb/>
Lande wieder gewinne. Das hoffe er bei den Verhand¬<lb/>
lungen in Mailand durchzuſetzen. Er wäre der Ver¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0366]
ſei ſie durch ihre verborgene Mithilfe mit Georg Jenatſch
auf immer und ewig verbunden, theilhaftig ſeiner retten¬
den That, theilhaftig auch ſeiner Schuld. Unauflöslich
war ſie mit ihm vereinigt im Augenblicke, da ihr Herz
vor ihm zu erſchrecken begann und ſie, um in ihrem
Gemüthe eine Schutzwehr gegen ihn aufzurichten, ſich
täglich zurückrief, daß die Pflicht ihres Lebens noch
nicht erfüllt und der Geiſt ihres Vaters durch die ihm
gebührende Blutſühne noch nicht geehrt ſei.
Zu Ende Mai nach dem Abzuge des Herzogs aus
Bünden wurde Lucretia durch einen flüchtigen Beſuch
ihres verabſcheuten Vetters beunruhigt. Er deutete ihr
an, er müſſe ſchleunig nach Mailand zurückkehren.
Dort befinde ſich Jenatſch und verhandle perſönlich
mit Serbelloni die letzten endgültigen Beſtimmungen
über die Stellung Bündens zu Spanien. Durch ſeinen
charakterloſen Parteiwechſel und ſeine trügeriſche Be¬
redſamkeit gewinne der Oberſt auf den Gubernatore
einen verhängnißvollen Einfluß, welcher die Intereſſen
der alten ſpaniſchen Partei in Bünden gefährde und
ihn ſelbſt der Früchte ſeiner langjährigen Treue an
Spanien beraube. Rudolf fügte bei, es ſei die höchſte
Zeit, daß er ſein Heimatsrecht und ſeine Stellung im
Lande wieder gewinne. Das hoffe er bei den Verhand¬
lungen in Mailand durchzuſetzen. Er wäre der Ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/366>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.