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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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anstrengung ihn aus dem Geleise und über die letzten
seiner Natur gesetzten Marksteine hinausgeworfen.

Eine wilde Freude flammte über sein Antlitz, als
er endlich die Schriften hielt und durchflog. Er wollte
in seinem Triumphe die Kniee seiner Botin umfassen;
aber Lucretia trat stolz und zitternd zurück.

Da streckte er die Hand gen Himmel und rief in
herausforderndem Jubel: "Ich schwöre es, Lucretia,
wenn das gelingt, soll mir fortan Nichts unmöglich
sein! . . . Müßt' ich auch das Blut Deines Vaters
durchschreiten -- müßt' ich dem Racheengel das Schwert
aus den Händen reißen, um Dich zu besitzen, Du längst
-- Du immer Begehrte!"

Da ergriff Lucretia seine Hand und trat mit ihm
durch eine schmale Pforte in einen gewölbten Neben¬
raum, ein enges Gelaß, dessen Rückwand durch einen
ungebrauchten alterthümlichen Kamin ganz gefüllt und
durch ein grob darauf gezeichnetes Kreuz verunziert war.

"Auf Niedberg wird keine Hochzeit gefeiert!" sagte
sie und flüchtete sich dann, das Antlitz mit den Händen
bedeckend, in ihr innerstes Gemach.

Als wenige Wochen später der Verrath an Herzog
Rohan und die Befreiung Bündens eine Thatsache
wurde, von der das ganze Land erscholl, beschlich
Lucretia in ihrer Einsamkeit das bange Gefühl, als

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anſtrengung ihn aus dem Geleiſe und über die letzten
ſeiner Natur geſetzten Markſteine hinausgeworfen.

Eine wilde Freude flammte über ſein Antlitz, als
er endlich die Schriften hielt und durchflog. Er wollte
in ſeinem Triumphe die Kniee ſeiner Botin umfaſſen;
aber Lucretia trat ſtolz und zitternd zurück.

Da ſtreckte er die Hand gen Himmel und rief in
herausforderndem Jubel: „Ich ſchwöre es, Lucretia,
wenn das gelingt, ſoll mir fortan Nichts unmöglich
ſein! . . . Müßt' ich auch das Blut Deines Vaters
durchſchreiten — müßt' ich dem Racheengel das Schwert
aus den Händen reißen, um Dich zu beſitzen, Du längſt
— Du immer Begehrte!“

Da ergriff Lucretia ſeine Hand und trat mit ihm
durch eine ſchmale Pforte in einen gewölbten Neben¬
raum, ein enges Gelaß, deſſen Rückwand durch einen
ungebrauchten alterthümlichen Kamin ganz gefüllt und
durch ein grob darauf gezeichnetes Kreuz verunziert war.

„Auf Niedberg wird keine Hochzeit gefeiert!“ ſagte
ſie und flüchtete ſich dann, das Antlitz mit den Händen
bedeckend, in ihr innerſtes Gemach.

Als wenige Wochen ſpäter der Verrath an Herzog
Rohan und die Befreiung Bündens eine Thatſache
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Lucretia in ihrer Einſamkeit das bange Gefühl, als

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[355/0365] anſtrengung ihn aus dem Geleiſe und über die letzten ſeiner Natur geſetzten Markſteine hinausgeworfen. Eine wilde Freude flammte über ſein Antlitz, als er endlich die Schriften hielt und durchflog. Er wollte in ſeinem Triumphe die Kniee ſeiner Botin umfaſſen; aber Lucretia trat ſtolz und zitternd zurück. Da ſtreckte er die Hand gen Himmel und rief in herausforderndem Jubel: „Ich ſchwöre es, Lucretia, wenn das gelingt, ſoll mir fortan Nichts unmöglich ſein! . . . Müßt' ich auch das Blut Deines Vaters durchſchreiten — müßt' ich dem Racheengel das Schwert aus den Händen reißen, um Dich zu beſitzen, Du längſt — Du immer Begehrte!“ Da ergriff Lucretia ſeine Hand und trat mit ihm durch eine ſchmale Pforte in einen gewölbten Neben¬ raum, ein enges Gelaß, deſſen Rückwand durch einen ungebrauchten alterthümlichen Kamin ganz gefüllt und durch ein grob darauf gezeichnetes Kreuz verunziert war. „Auf Niedberg wird keine Hochzeit gefeiert!“ ſagte ſie und flüchtete ſich dann, das Antlitz mit den Händen bedeckend, in ihr innerſtes Gemach. Als wenige Wochen ſpäter der Verrath an Herzog Rohan und die Befreiung Bündens eine Thatſache wurde, von der das ganze Land erſcholl, beſchlich Lucretia in ihrer Einſamkeit das bange Gefühl, als 23*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/365>, abgerufen am 22.11.2024.