Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Bündens als eine grelle und unschickliche Verdeutlichung
seiner Rede gerade vor Augen sah und dem die dro¬
hende Haltung des Herrn von Lecques nicht entgangen
war, entglitt der Faden seiner Rede. Seine angstvollen
Blicke begannen mehr als gewöhnlich zu schielen und
er fuhr unsicher fort: "Und wenn in Bünden jeder
Berg eine Statua . . . . . . . und jede Statua ein
Berg wäre" . . . . . . .

"Laßt es gut sein, lieber Bürgermeister!" schnitt
der Herzog freundlich ab und, sich auf die andere Seite
zu den Bündneroffizieren wendend, sagte er mit ruhigem
Befehl: "Ich verzichte auf das Geleit der Herren.
Es wird der Schicklichkeit Genüge geschehen, wenn Einer
von ihnen unserm Ueberschreiten der Grenze beiwohnt.
Ich bitte mir die Gesellschaft des Grafen Travers aus."

Der stille junge Mann mit dem braunen scharf¬
geschnittenen Kopfe lenkte sofort mit dankendem Gruße
sein Thier zur Linken des Herzogs.

"Gott schütze Euch und Eure gute Stadt, werthe
Herren!" rief dieser, griff leicht an seinen Hut und
sprengte durch das Thor in die lenzduftige Landschaft
hinaus.

Der alte Lecques war auffallender Weise einer
der Letzten zurückgeblieben. Jetzt riß er sein Pferd
herum, ritt Georg Jenatsch einige Schritte entgegen,

Bündens als eine grelle und unſchickliche Verdeutlichung
ſeiner Rede gerade vor Augen ſah und dem die dro¬
hende Haltung des Herrn von Lecques nicht entgangen
war, entglitt der Faden ſeiner Rede. Seine angſtvollen
Blicke begannen mehr als gewöhnlich zu ſchielen und
er fuhr unſicher fort: „Und wenn in Bünden jeder
Berg eine Statua . . . . . . . und jede Statua ein
Berg wäre“ . . . . . . .

„Laßt es gut ſein, lieber Bürgermeiſter!“ ſchnitt
der Herzog freundlich ab und, ſich auf die andere Seite
zu den Bündneroffizieren wendend, ſagte er mit ruhigem
Befehl: „Ich verzichte auf das Geleit der Herren.
Es wird der Schicklichkeit Genüge geſchehen, wenn Einer
von ihnen unſerm Ueberſchreiten der Grenze beiwohnt.
Ich bitte mir die Geſellſchaft des Grafen Travers aus.“

Der ſtille junge Mann mit dem braunen ſcharf¬
geſchnittenen Kopfe lenkte ſofort mit dankendem Gruße
ſein Thier zur Linken des Herzogs.

„Gott ſchütze Euch und Eure gute Stadt, werthe
Herren!“ rief dieſer, griff leicht an ſeinen Hut und
ſprengte durch das Thor in die lenzduftige Landſchaft
hinaus.

Der alte Lecques war auffallender Weiſe einer
der Letzten zurückgeblieben. Jetzt riß er ſein Pferd
herum, ritt Georg Jenatſch einige Schritte entgegen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0357" n="347"/>
Bündens als eine grelle und un&#x017F;chickliche Verdeutlichung<lb/>
&#x017F;einer Rede gerade vor Augen &#x017F;ah und dem die dro¬<lb/>
hende Haltung des Herrn von Lecques nicht entgangen<lb/>
war, entglitt der Faden &#x017F;einer Rede. Seine ang&#x017F;tvollen<lb/>
Blicke begannen mehr als gewöhnlich zu &#x017F;chielen und<lb/>
er fuhr un&#x017F;icher fort: &#x201E;Und wenn in Bünden jeder<lb/>
Berg eine Statua . . . . . . . und jede Statua ein<lb/>
Berg wäre&#x201C; . . . . . . .</p><lb/>
          <p>&#x201E;Laßt es gut &#x017F;ein, lieber Bürgermei&#x017F;ter!&#x201C; &#x017F;chnitt<lb/>
der Herzog freundlich ab und, &#x017F;ich auf die andere Seite<lb/>
zu den Bündneroffizieren wendend, &#x017F;agte er mit ruhigem<lb/>
Befehl: &#x201E;Ich verzichte auf das Geleit der Herren.<lb/>
Es wird der Schicklichkeit Genüge ge&#x017F;chehen, wenn Einer<lb/>
von ihnen un&#x017F;erm Ueber&#x017F;chreiten der Grenze beiwohnt.<lb/>
Ich bitte mir die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft des Grafen Travers aus.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der &#x017F;tille junge Mann mit dem braunen &#x017F;charf¬<lb/>
ge&#x017F;chnittenen Kopfe lenkte &#x017F;ofort mit dankendem Gruße<lb/>
&#x017F;ein Thier zur Linken des Herzogs.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gott &#x017F;chütze Euch und Eure gute Stadt, werthe<lb/>
Herren!&#x201C; rief die&#x017F;er, griff leicht an &#x017F;einen Hut und<lb/>
&#x017F;prengte durch das Thor in die lenzduftige Land&#x017F;chaft<lb/>
hinaus.</p><lb/>
          <p>Der alte Lecques war auffallender Wei&#x017F;e einer<lb/>
der Letzten zurückgeblieben. Jetzt riß er &#x017F;ein Pferd<lb/>
herum, ritt Georg Jenat&#x017F;ch einige Schritte entgegen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0357] Bündens als eine grelle und unſchickliche Verdeutlichung ſeiner Rede gerade vor Augen ſah und dem die dro¬ hende Haltung des Herrn von Lecques nicht entgangen war, entglitt der Faden ſeiner Rede. Seine angſtvollen Blicke begannen mehr als gewöhnlich zu ſchielen und er fuhr unſicher fort: „Und wenn in Bünden jeder Berg eine Statua . . . . . . . und jede Statua ein Berg wäre“ . . . . . . . „Laßt es gut ſein, lieber Bürgermeiſter!“ ſchnitt der Herzog freundlich ab und, ſich auf die andere Seite zu den Bündneroffizieren wendend, ſagte er mit ruhigem Befehl: „Ich verzichte auf das Geleit der Herren. Es wird der Schicklichkeit Genüge geſchehen, wenn Einer von ihnen unſerm Ueberſchreiten der Grenze beiwohnt. Ich bitte mir die Geſellſchaft des Grafen Travers aus.“ Der ſtille junge Mann mit dem braunen ſcharf¬ geſchnittenen Kopfe lenkte ſofort mit dankendem Gruße ſein Thier zur Linken des Herzogs. „Gott ſchütze Euch und Eure gute Stadt, werthe Herren!“ rief dieſer, griff leicht an ſeinen Hut und ſprengte durch das Thor in die lenzduftige Landſchaft hinaus. Der alte Lecques war auffallender Weiſe einer der Letzten zurückgeblieben. Jetzt riß er ſein Pferd herum, ritt Georg Jenatſch einige Schritte entgegen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/357
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/357>, abgerufen am 18.05.2024.