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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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legen, den hohen Herrn zu keinem Behagen kommen
zu lassen.

Auf Jenatsch, dessen aufopfernde Treue mit den
schweren Verhältnissen wuchs, der den Herzog täglich
besuchte und es sich zur Aufgabe machte, seine Sorgen
zu verscheuchen, seine leisesten Wünsche zu errathen,
seine Befürchtungen ihm abzulauschen und sie entweder
durch die eigene fröhliche Zuversicht zu entwurzeln, oder
mit beredten, überzeugenden Worten zu widerlegen --
auf Jenatsch, den nützlichsten Rathgeber des Herzogs
und den Liebling des Volkes, hatte es der verhärtete
Locotenente besonders abgesehen. Wertmüllers Gedanken
spürten dem Obersten auf allen Schritten und Tritten
nach, und er wollte aus der Haut fahren, wenn der
Herzog seine Warnungen lächelnd fallen ließ, weil er
sie maßloser Eifersucht auf seinen Günstling oder der
Unverträglichkeit dieser zwei grundverschiedenen Tempe¬
ramente zuschrieb.

Was behauptete Wertmüller nicht Alles!

Das Scheitern des Vertrags von Chiavenna, wel¬
ches Rohan von dem einzigen in das Geheimniß gezo¬
genen Bündner verschwiegen wußte, war, wenn man den
Locotenenten hörte, schon längst allgemein bekannt, ja
wie absichtlich bis in die fernsten Hütten verbreitet, eine
Kunde, die man sich nicht verhohlen ins Ohr sagte,

legen, den hohen Herrn zu keinem Behagen kommen
zu laſſen.

Auf Jenatſch, deſſen aufopfernde Treue mit den
ſchweren Verhältniſſen wuchs, der den Herzog täglich
beſuchte und es ſich zur Aufgabe machte, ſeine Sorgen
zu verſcheuchen, ſeine leiſeſten Wünſche zu errathen,
ſeine Befürchtungen ihm abzulauſchen und ſie entweder
durch die eigene fröhliche Zuverſicht zu entwurzeln, oder
mit beredten, überzeugenden Worten zu widerlegen —
auf Jenatſch, den nützlichſten Rathgeber des Herzogs
und den Liebling des Volkes, hatte es der verhärtete
Locotenente beſonders abgeſehen. Wertmüllers Gedanken
ſpürten dem Oberſten auf allen Schritten und Tritten
nach, und er wollte aus der Haut fahren, wenn der
Herzog ſeine Warnungen lächelnd fallen ließ, weil er
ſie maßloſer Eiferſucht auf ſeinen Günſtling oder der
Unverträglichkeit dieſer zwei grundverſchiedenen Tempe¬
ramente zuſchrieb.

Was behauptete Wertmüller nicht Alles!

Das Scheitern des Vertrags von Chiavenna, wel¬
ches Rohan von dem einzigen in das Geheimniß gezo¬
genen Bündner verſchwiegen wußte, war, wenn man den
Locotenenten hörte, ſchon längſt allgemein bekannt, ja
wie abſichtlich bis in die fernſten Hütten verbreitet, eine
Kunde, die man ſich nicht verhohlen ins Ohr ſagte,

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[300/0310] legen, den hohen Herrn zu keinem Behagen kommen zu laſſen. Auf Jenatſch, deſſen aufopfernde Treue mit den ſchweren Verhältniſſen wuchs, der den Herzog täglich beſuchte und es ſich zur Aufgabe machte, ſeine Sorgen zu verſcheuchen, ſeine leiſeſten Wünſche zu errathen, ſeine Befürchtungen ihm abzulauſchen und ſie entweder durch die eigene fröhliche Zuverſicht zu entwurzeln, oder mit beredten, überzeugenden Worten zu widerlegen — auf Jenatſch, den nützlichſten Rathgeber des Herzogs und den Liebling des Volkes, hatte es der verhärtete Locotenente beſonders abgeſehen. Wertmüllers Gedanken ſpürten dem Oberſten auf allen Schritten und Tritten nach, und er wollte aus der Haut fahren, wenn der Herzog ſeine Warnungen lächelnd fallen ließ, weil er ſie maßloſer Eiferſucht auf ſeinen Günſtling oder der Unverträglichkeit dieſer zwei grundverſchiedenen Tempe¬ ramente zuſchrieb. Was behauptete Wertmüller nicht Alles! Das Scheitern des Vertrags von Chiavenna, wel¬ ches Rohan von dem einzigen in das Geheimniß gezo¬ genen Bündner verſchwiegen wußte, war, wenn man den Locotenenten hörte, ſchon längſt allgemein bekannt, ja wie abſichtlich bis in die fernſten Hütten verbreitet, eine Kunde, die man ſich nicht verhohlen ins Ohr ſagte,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/310>, abgerufen am 22.11.2024.