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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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eine Gabe gebracht, die sie mir freilich besser nicht gerade
vor meinen Kameraden überreicht hätte. Doch bin ich
ihr dafür dankbar und möchte ihr schon um meiner
Ehre willen ein Gegengeschenk anbieten." Damit ent¬
hüllte er aus einem Tüchlein einen kleinen, inwendig
vergoldeten Silberbecher von schlichtester Form.

"Ist der Junge toll!" fuhr der Freiherr auf.
Dann aber mäßigte er sich sogleich. "Was denkst Du,
Jürg!" fuhr er fort, "Kommt der Becher von Deinem
Vater? . . . Ich wußte nicht, daß er über Gold und
Silber gebiete. Oder erwarbst Du ihn selbst im
Schweiße Deines Angesichts mit einer Schreiberarbeit?
So oder so darfst Du ihn nicht wegschenken. Es geht
Dir knapp genug und er hat Geldeswerth."

"Ich darf darüber verfügen," antwortete der Knabe
selbstbewußt, "denn ich habe ihn mit dem Einsatze meines
Lebens gewonnen."

"Ja, das hat er, Herr Pompejus!" ließ sich jetzt
der lebhafte Waser mit Begeisterung vernehmen, "der
Becher kommt von mir. Er ist das Zeichen meiner
Dankbarkeit dafür, daß Jürg mich beim Baden aus den
Wirbeln der reißenden Sihl, die mich hinunterzogen,
mit eigener Lebensgefahr gerettet hat. Und Jenatsch
und ich und Fräulein Lucretia, wir wollen Alle daraus
auf Euer Wohl trinken." Sprach's und füllte trotz

eine Gabe gebracht, die ſie mir freilich beſſer nicht gerade
vor meinen Kameraden überreicht hätte. Doch bin ich
ihr dafür dankbar und möchte ihr ſchon um meiner
Ehre willen ein Gegengeſchenk anbieten.“ Damit ent¬
hüllte er aus einem Tüchlein einen kleinen, inwendig
vergoldeten Silberbecher von ſchlichteſter Form.

„Iſt der Junge toll!“ fuhr der Freiherr auf.
Dann aber mäßigte er ſich ſogleich. „Was denkſt Du,
Jürg!“ fuhr er fort, „Kommt der Becher von Deinem
Vater? . . . Ich wußte nicht, daß er über Gold und
Silber gebiete. Oder erwarbſt Du ihn ſelbſt im
Schweiße Deines Angeſichts mit einer Schreiberarbeit?
So oder ſo darfſt Du ihn nicht wegſchenken. Es geht
Dir knapp genug und er hat Geldeswerth.“

„Ich darf darüber verfügen,“ antwortete der Knabe
ſelbſtbewußt, „denn ich habe ihn mit dem Einſatze meines
Lebens gewonnen.“

„Ja, das hat er, Herr Pompejus!“ ließ ſich jetzt
der lebhafte Waſer mit Begeiſterung vernehmen, „der
Becher kommt von mir. Er iſt das Zeichen meiner
Dankbarkeit dafür, daß Jürg mich beim Baden aus den
Wirbeln der reißenden Sihl, die mich hinunterzogen,
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[21/0031] eine Gabe gebracht, die ſie mir freilich beſſer nicht gerade vor meinen Kameraden überreicht hätte. Doch bin ich ihr dafür dankbar und möchte ihr ſchon um meiner Ehre willen ein Gegengeſchenk anbieten.“ Damit ent¬ hüllte er aus einem Tüchlein einen kleinen, inwendig vergoldeten Silberbecher von ſchlichteſter Form. „Iſt der Junge toll!“ fuhr der Freiherr auf. Dann aber mäßigte er ſich ſogleich. „Was denkſt Du, Jürg!“ fuhr er fort, „Kommt der Becher von Deinem Vater? . . . Ich wußte nicht, daß er über Gold und Silber gebiete. Oder erwarbſt Du ihn ſelbſt im Schweiße Deines Angeſichts mit einer Schreiberarbeit? So oder ſo darfſt Du ihn nicht wegſchenken. Es geht Dir knapp genug und er hat Geldeswerth.“ „Ich darf darüber verfügen,“ antwortete der Knabe ſelbſtbewußt, „denn ich habe ihn mit dem Einſatze meines Lebens gewonnen.“ „Ja, das hat er, Herr Pompejus!“ ließ ſich jetzt der lebhafte Waſer mit Begeiſterung vernehmen, „der Becher kommt von mir. Er iſt das Zeichen meiner Dankbarkeit dafür, daß Jürg mich beim Baden aus den Wirbeln der reißenden Sihl, die mich hinunterzogen, mit eigener Lebensgefahr gerettet hat. Und Jenatſch und ich und Fräulein Lucretia, wir wollen Alle daraus auf Euer Wohl trinken.“ Sprach's und füllte trotz

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/31>, abgerufen am 27.04.2024.