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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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schlecht sind! . . . und ein unseliges. Dort hat der
Bruder den Bruder erschlagen und hier liegt trennend
eine Leiche zwischen Zweien, die sich lieben und ange¬
hören. Darum laß uns nicht kleiner sein als unser
Loos! Ich stehe am Steuer und lenke Bündens Schiff¬
lein durch die Klippen mit schon längst blutüberströmten
Händen. -- Nimm ein Ruder und hilf mir! Zweifle
nur jetzt nicht an mir, hilf mir, Lucretia!" drang er
in sie.

"Und was willst Du, daß ich thun soll?" sagte
die Bündnerin und ihre Augen begannen unternehmend
zu leuchten.

"Gehe nach Mailand," fiel er rasch und freudig
ein, "dort findest Du den Pancraz, der Dich beim
Gubernatore einführen wird. Serbelloni kennt Dich
von früher her als die, welche Du bist. Unterhandle
mit ihm über die Bedingungen, die ich Dir nieder¬
schreiben will. Hast Du mir etwas zu berichten, so
thue es durch den Pater, dessen Beistand Dir in allen
Fällen gewiß ist.

"Ist es Dein Ernst," fragte sie erstaunt, "wenn
Du mich als Deine Unterhändlerin nach Italien schickst?
Wie will ich mich im Labyrinthe der Politik zurecht
finden?"

"Ich verlange nichts von Dir," ermuthigte er.

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ſchlecht ſind! . . . und ein unſeliges. Dort hat der
Bruder den Bruder erſchlagen und hier liegt trennend
eine Leiche zwiſchen Zweien, die ſich lieben und ange¬
hören. Darum laß uns nicht kleiner ſein als unſer
Loos! Ich ſtehe am Steuer und lenke Bündens Schiff¬
lein durch die Klippen mit ſchon längſt blutüberſtrömten
Händen. — Nimm ein Ruder und hilf mir! Zweifle
nur jetzt nicht an mir, hilf mir, Lucretia!“ drang er
in ſie.

„Und was willſt Du, daß ich thun ſoll?“ ſagte
die Bündnerin und ihre Augen begannen unternehmend
zu leuchten.

„Gehe nach Mailand,“ fiel er raſch und freudig
ein, „dort findeſt Du den Pancraz, der Dich beim
Gubernatore einführen wird. Serbelloni kennt Dich
von früher her als die, welche Du biſt. Unterhandle
mit ihm über die Bedingungen, die ich Dir nieder¬
ſchreiben will. Haſt Du mir etwas zu berichten, ſo
thue es durch den Pater, deſſen Beiſtand Dir in allen
Fällen gewiß iſt.

„Iſt es Dein Ernſt,“ fragte ſie erſtaunt, „wenn
Du mich als Deine Unterhändlerin nach Italien ſchickſt?
Wie will ich mich im Labyrinthe der Politik zurecht
finden?“

„Ich verlange nichts von Dir,“ ermuthigte er.

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[291/0301] ſchlecht ſind! . . . und ein unſeliges. Dort hat der Bruder den Bruder erſchlagen und hier liegt trennend eine Leiche zwiſchen Zweien, die ſich lieben und ange¬ hören. Darum laß uns nicht kleiner ſein als unſer Loos! Ich ſtehe am Steuer und lenke Bündens Schiff¬ lein durch die Klippen mit ſchon längſt blutüberſtrömten Händen. — Nimm ein Ruder und hilf mir! Zweifle nur jetzt nicht an mir, hilf mir, Lucretia!“ drang er in ſie. „Und was willſt Du, daß ich thun ſoll?“ ſagte die Bündnerin und ihre Augen begannen unternehmend zu leuchten. „Gehe nach Mailand,“ fiel er raſch und freudig ein, „dort findeſt Du den Pancraz, der Dich beim Gubernatore einführen wird. Serbelloni kennt Dich von früher her als die, welche Du biſt. Unterhandle mit ihm über die Bedingungen, die ich Dir nieder¬ ſchreiben will. Haſt Du mir etwas zu berichten, ſo thue es durch den Pater, deſſen Beiſtand Dir in allen Fällen gewiß iſt. „Iſt es Dein Ernſt,“ fragte ſie erſtaunt, „wenn Du mich als Deine Unterhändlerin nach Italien ſchickſt? Wie will ich mich im Labyrinthe der Politik zurecht finden?“ „Ich verlange nichts von Dir,“ ermuthigte er. 19*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/301>, abgerufen am 19.05.2024.