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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Weg weit. Begleite sie mindestens bis jenseits der
baufälligen Rheinbrücke." Und damit nahm das Fräu¬
lein von Perpetua herzlichen Abschied.

So stand die Schwester, ehe sie sich dessen ver¬
sah, am Hofthore, Lucas aber entzündete eine Pechfackel
und schritt mit der rauchenden Leuchte vor ihr her in
die Nacht hinaus. "Jetzt schickt sie mich weg," murrte
er hörbar, als wollte er es der frommen Schwester
klagen, "und es wäre gerade der rechte Ort und Augen¬
blick!"

Als Jenatsch mit dem Fräulein allein war und
ihm gegenüber am Feuer saß, begann er mit kurzen
klaren Worten:

"Ihr seid gerechtermaßen erstaunt, Lucretia, daß
ich das Haus Eures Vaters betrete. Doch ich weiß, Ihr
traut mir zu, daß ich nicht gekommen bin, Euch zu
verwirren mit Wünschen, die ich in meinem geheimsten
Herzen gefangen halte, -- sonst hättet Ihr mich nicht
in den wiederhergestellten Burgfrieden von Riedberg
eingelassen. -- Und doch komme ich, etwas von Euch
zu verlangen -- einen großen Dienst, den Ihr mir
leisten werdet, wenn Ihr unser Land so lieb habt, wie
ich von Euch glaube und wie ich selbst es liebe; denn
an meiner Statt müßt Ihr handeln. -- Ich schließe
ein Bündniß mit Spanien. Dies ist unsere einzige

Weg weit. Begleite ſie mindeſtens bis jenſeits der
baufälligen Rheinbrücke.“ Und damit nahm das Fräu¬
lein von Perpetua herzlichen Abſchied.

So ſtand die Schweſter, ehe ſie ſich deſſen ver¬
ſah, am Hofthore, Lucas aber entzündete eine Pechfackel
und ſchritt mit der rauchenden Leuchte vor ihr her in
die Nacht hinaus. „Jetzt ſchickt ſie mich weg,“ murrte
er hörbar, als wollte er es der frommen Schweſter
klagen, „und es wäre gerade der rechte Ort und Augen¬
blick!“

Als Jenatſch mit dem Fräulein allein war und
ihm gegenüber am Feuer ſaß, begann er mit kurzen
klaren Worten:

„Ihr ſeid gerechtermaßen erſtaunt, Lucretia, daß
ich das Haus Eures Vaters betrete. Doch ich weiß, Ihr
traut mir zu, daß ich nicht gekommen bin, Euch zu
verwirren mit Wünſchen, die ich in meinem geheimſten
Herzen gefangen halte, — ſonſt hättet Ihr mich nicht
in den wiederhergeſtellten Burgfrieden von Riedberg
eingelaſſen. — Und doch komme ich, etwas von Euch
zu verlangen — einen großen Dienſt, den Ihr mir
leiſten werdet, wenn Ihr unſer Land ſo lieb habt, wie
ich von Euch glaube und wie ich ſelbſt es liebe; denn
an meiner Statt müßt Ihr handeln. — Ich ſchließe
ein Bündniß mit Spanien. Dies iſt unſere einzige

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[288/0298] Weg weit. Begleite ſie mindeſtens bis jenſeits der baufälligen Rheinbrücke.“ Und damit nahm das Fräu¬ lein von Perpetua herzlichen Abſchied. So ſtand die Schweſter, ehe ſie ſich deſſen ver¬ ſah, am Hofthore, Lucas aber entzündete eine Pechfackel und ſchritt mit der rauchenden Leuchte vor ihr her in die Nacht hinaus. „Jetzt ſchickt ſie mich weg,“ murrte er hörbar, als wollte er es der frommen Schweſter klagen, „und es wäre gerade der rechte Ort und Augen¬ blick!“ Als Jenatſch mit dem Fräulein allein war und ihm gegenüber am Feuer ſaß, begann er mit kurzen klaren Worten: „Ihr ſeid gerechtermaßen erſtaunt, Lucretia, daß ich das Haus Eures Vaters betrete. Doch ich weiß, Ihr traut mir zu, daß ich nicht gekommen bin, Euch zu verwirren mit Wünſchen, die ich in meinem geheimſten Herzen gefangen halte, — ſonſt hättet Ihr mich nicht in den wiederhergeſtellten Burgfrieden von Riedberg eingelaſſen. — Und doch komme ich, etwas von Euch zu verlangen — einen großen Dienſt, den Ihr mir leiſten werdet, wenn Ihr unſer Land ſo lieb habt, wie ich von Euch glaube und wie ich ſelbſt es liebe; denn an meiner Statt müßt Ihr handeln. — Ich ſchließe ein Bündniß mit Spanien. Dies iſt unſere einzige

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/298>, abgerufen am 22.11.2024.