Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Angesichte trat schärfer hervor. Es durchblitzte ihn der
Gedanke, welche gefährliche Gewalt in die Hand des
Menschen falle, dem er einen so unerhörten, von ihm
nie begehrten Dienst schulde. Aber er hielt an sich.

"Ich danke Euch, mein Freund," sagte er, "Ihr sollt
nicht zu Schaden kommen, so lange ich selber noch etwas
besitze. Ich fürchte, Lasnier, den ich zur Beruhigung
der Obersten mit Geldern an sie voraussandte, hat im
Verkehr mit ihnen nicht den rechten Ton getroffen."

"Er hat sie aufs tiefste beleidigt. Darin muß
ich zu ihnen stehn, erlauchter Herr, und mit ihnen ver¬
langen, daß er abberufen werde. Nicht seine Zornaus¬
brüche, noch seinen unsere Personen treffenden Spott
will ich ihm verdenken; aber daß er, wie ich aus sichrer
Quelle weiß, unserm Vaterlande das Recht bestreitet,
überhaupt da zu sein, weil es ein kleines Land ist, und
diese vernichtende Behauptung uns auf unserm eigenen
Bündnerboden entgegenwirft, daß er uns als ein ver¬
achtetes Anhängsel Frankreichs behandelt, das dreht
jedem Bündner das Herz um, und unmöglich ist es,
daß ein solcher Mann länger unser Brot esse und unsern
Wein trinke!

Thut mir die Liebe, edler Herr," bat er in ge¬
mäßigtem Tone, "und sorgt für seine Abberufung." --

"Lasniers Abberufung ist auch mein entschiedener

Angeſichte trat ſchärfer hervor. Es durchblitzte ihn der
Gedanke, welche gefährliche Gewalt in die Hand des
Menſchen falle, dem er einen ſo unerhörten, von ihm
nie begehrten Dienſt ſchulde. Aber er hielt an ſich.

„Ich danke Euch, mein Freund,“ ſagte er, „Ihr ſollt
nicht zu Schaden kommen, ſo lange ich ſelber noch etwas
beſitze. Ich fürchte, Lasnier, den ich zur Beruhigung
der Oberſten mit Geldern an ſie vorausſandte, hat im
Verkehr mit ihnen nicht den rechten Ton getroffen.“

„Er hat ſie aufs tiefſte beleidigt. Darin muß
ich zu ihnen ſtehn, erlauchter Herr, und mit ihnen ver¬
langen, daß er abberufen werde. Nicht ſeine Zornaus¬
brüche, noch ſeinen unſere Perſonen treffenden Spott
will ich ihm verdenken; aber daß er, wie ich aus ſichrer
Quelle weiß, unſerm Vaterlande das Recht beſtreitet,
überhaupt da zu ſein, weil es ein kleines Land iſt, und
dieſe vernichtende Behauptung uns auf unſerm eigenen
Bündnerboden entgegenwirft, daß er uns als ein ver¬
achtetes Anhängſel Frankreichs behandelt, das dreht
jedem Bündner das Herz um, und unmöglich iſt es,
daß ein ſolcher Mann länger unſer Brot eſſe und unſern
Wein trinke!

Thut mir die Liebe, edler Herr,“ bat er in ge¬
mäßigtem Tone, „und ſorgt für ſeine Abberufung.“ —

„Lasniers Abberufung iſt auch mein entſchiedener

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" n="260"/>
Ange&#x017F;ichte trat &#x017F;chärfer hervor. Es durchblitzte ihn der<lb/>
Gedanke, welche gefährliche Gewalt in die Hand des<lb/>
Men&#x017F;chen falle, dem er einen &#x017F;o unerhörten, von ihm<lb/>
nie begehrten Dien&#x017F;t &#x017F;chulde. Aber er hielt an &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich danke Euch, mein Freund,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;Ihr &#x017F;ollt<lb/>
nicht zu Schaden kommen, &#x017F;o lange ich &#x017F;elber noch etwas<lb/>
be&#x017F;itze. Ich fürchte, Lasnier, den ich zur Beruhigung<lb/>
der Ober&#x017F;ten mit Geldern an &#x017F;ie voraus&#x017F;andte, hat im<lb/>
Verkehr mit ihnen nicht den rechten Ton getroffen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er hat &#x017F;ie aufs tief&#x017F;te beleidigt. Darin muß<lb/>
ich zu ihnen &#x017F;tehn, erlauchter Herr, und mit ihnen ver¬<lb/>
langen, daß er abberufen werde. Nicht &#x017F;eine Zornaus¬<lb/>
brüche, noch &#x017F;einen un&#x017F;ere Per&#x017F;onen treffenden Spott<lb/>
will ich ihm verdenken; aber daß er, wie ich aus &#x017F;ichrer<lb/>
Quelle weiß, un&#x017F;erm Vaterlande das Recht be&#x017F;treitet,<lb/>
überhaupt da zu &#x017F;ein, weil es ein kleines Land i&#x017F;t, und<lb/>
die&#x017F;e vernichtende Behauptung uns auf un&#x017F;erm eigenen<lb/>
Bündnerboden entgegenwirft, daß er uns als ein ver¬<lb/>
achtetes Anhäng&#x017F;el Frankreichs behandelt, das dreht<lb/>
jedem Bündner das Herz um, und unmöglich i&#x017F;t es,<lb/>
daß ein &#x017F;olcher Mann länger un&#x017F;er Brot e&#x017F;&#x017F;e und un&#x017F;ern<lb/>
Wein trinke!</p><lb/>
          <p>Thut mir die Liebe, edler Herr,&#x201C; bat er in ge¬<lb/>
mäßigtem Tone, &#x201E;und &#x017F;orgt für &#x017F;eine Abberufung.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Lasniers Abberufung i&#x017F;t auch mein ent&#x017F;chiedener<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0270] Angeſichte trat ſchärfer hervor. Es durchblitzte ihn der Gedanke, welche gefährliche Gewalt in die Hand des Menſchen falle, dem er einen ſo unerhörten, von ihm nie begehrten Dienſt ſchulde. Aber er hielt an ſich. „Ich danke Euch, mein Freund,“ ſagte er, „Ihr ſollt nicht zu Schaden kommen, ſo lange ich ſelber noch etwas beſitze. Ich fürchte, Lasnier, den ich zur Beruhigung der Oberſten mit Geldern an ſie vorausſandte, hat im Verkehr mit ihnen nicht den rechten Ton getroffen.“ „Er hat ſie aufs tiefſte beleidigt. Darin muß ich zu ihnen ſtehn, erlauchter Herr, und mit ihnen ver¬ langen, daß er abberufen werde. Nicht ſeine Zornaus¬ brüche, noch ſeinen unſere Perſonen treffenden Spott will ich ihm verdenken; aber daß er, wie ich aus ſichrer Quelle weiß, unſerm Vaterlande das Recht beſtreitet, überhaupt da zu ſein, weil es ein kleines Land iſt, und dieſe vernichtende Behauptung uns auf unſerm eigenen Bündnerboden entgegenwirft, daß er uns als ein ver¬ achtetes Anhängſel Frankreichs behandelt, das dreht jedem Bündner das Herz um, und unmöglich iſt es, daß ein ſolcher Mann länger unſer Brot eſſe und unſern Wein trinke! Thut mir die Liebe, edler Herr,“ bat er in ge¬ mäßigtem Tone, „und ſorgt für ſeine Abberufung.“ — „Lasniers Abberufung iſt auch mein entſchiedener

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/270
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/270>, abgerufen am 21.05.2024.