der von ihm mit rastloser Anstrengung in Bünden durchgesetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬ schrift des Königs endgültig geworden sei; aber die¬ sem Antlitz gegenüber hatte der sonst vor nichts Zu¬ rückschreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte sich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und ihm einen genauen Bericht über die Feststellungen der Grenze zwischen Tirol und Unterengadin zu geben, wie sie während des Waffenstillstandes gelten sollten.
"Die Oesterreicher sind langsam und umständlich; ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen," sagte er. "Wär' ich im Lande gewesen, niemals hätten mir meine störrischen Kameraden ohne Euren Befehl, erlauchter Herr, ihre Posten verlassen, niemals Euch in Thusis als erste Begrüßung den widerwärtigen An¬ blick ihres Ungehorsams entgegengebracht.
Einen schlimmern Ausbruch vor Euern Augen," schloß er zögernd, "habe ich nur mit Mühe verhütet und indem ich mich, da mir kein anderes wirksames Mittel mehr zu Gebote stand, meinen Kameraden mit Hab' und Gut für den rückständigen französischen Sold verbürgte. Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemessene Ergebenheit nicht verargen werdet!" fügte er schmeichelnd hinzu.
Der Herzog lehnte, zusammenzuckend, tiefer in die Kissen zurück und der schmerzliche Zug in seinem
17*
der von ihm mit raſtloſer Anſtrengung in Bünden durchgeſetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬ ſchrift des Königs endgültig geworden ſei; aber die¬ ſem Antlitz gegenüber hatte der ſonſt vor nichts Zu¬ rückſchreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte ſich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und ihm einen genauen Bericht über die Feſtſtellungen der Grenze zwiſchen Tirol und Unterengadin zu geben, wie ſie während des Waffenſtillſtandes gelten ſollten.
„Die Oeſterreicher ſind langſam und umſtändlich; ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,“ ſagte er. „Wär' ich im Lande geweſen, niemals hätten mir meine ſtörriſchen Kameraden ohne Euren Befehl, erlauchter Herr, ihre Poſten verlaſſen, niemals Euch in Thuſis als erſte Begrüßung den widerwärtigen An¬ blick ihres Ungehorſams entgegengebracht.
Einen ſchlimmern Ausbruch vor Euern Augen,“ ſchloß er zögernd, „habe ich nur mit Mühe verhütet und indem ich mich, da mir kein anderes wirkſames Mittel mehr zu Gebote ſtand, meinen Kameraden mit Hab' und Gut für den rückſtändigen franzöſiſchen Sold verbürgte. Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemeſſene Ergebenheit nicht verargen werdet!“ fügte er ſchmeichelnd hinzu.
Der Herzog lehnte, zuſammenzuckend, tiefer in die Kiſſen zurück und der ſchmerzliche Zug in ſeinem
17*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0269"n="259"/>
der von ihm mit raſtloſer Anſtrengung in Bünden<lb/>
durchgeſetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬<lb/>ſchrift des Königs endgültig geworden ſei; aber die¬<lb/>ſem Antlitz gegenüber hatte der ſonſt vor nichts Zu¬<lb/>
rückſchreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte<lb/>ſich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und<lb/>
ihm einen genauen Bericht über die Feſtſtellungen der<lb/>
Grenze zwiſchen Tirol und Unterengadin zu geben, wie<lb/>ſie während des Waffenſtillſtandes gelten ſollten.</p><lb/><p>„Die Oeſterreicher ſind langſam und umſtändlich;<lb/>
ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,“<lb/>ſagte er. „Wär' ich im Lande geweſen, niemals hätten<lb/>
mir meine ſtörriſchen Kameraden ohne Euren Befehl,<lb/>
erlauchter Herr, ihre Poſten verlaſſen, niemals Euch<lb/>
in Thuſis als erſte Begrüßung den widerwärtigen An¬<lb/>
blick ihres Ungehorſams entgegengebracht.</p><lb/><p>Einen ſchlimmern Ausbruch vor Euern Augen,“ſchloß<lb/>
er zögernd, „habe ich nur mit Mühe verhütet und indem<lb/>
ich mich, da mir kein anderes wirkſames Mittel mehr<lb/>
zu Gebote ſtand, meinen Kameraden mit Hab' und<lb/>
Gut für den rückſtändigen franzöſiſchen Sold verbürgte.<lb/>
Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemeſſene Ergebenheit<lb/>
nicht verargen werdet!“ fügte er ſchmeichelnd hinzu.</p><lb/><p>Der Herzog lehnte, zuſammenzuckend, tiefer in<lb/>
die Kiſſen zurück und der ſchmerzliche Zug in ſeinem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[259/0269]
der von ihm mit raſtloſer Anſtrengung in Bünden
durchgeſetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬
ſchrift des Königs endgültig geworden ſei; aber die¬
ſem Antlitz gegenüber hatte der ſonſt vor nichts Zu¬
rückſchreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte
ſich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und
ihm einen genauen Bericht über die Feſtſtellungen der
Grenze zwiſchen Tirol und Unterengadin zu geben, wie
ſie während des Waffenſtillſtandes gelten ſollten.
„Die Oeſterreicher ſind langſam und umſtändlich;
ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,“
ſagte er. „Wär' ich im Lande geweſen, niemals hätten
mir meine ſtörriſchen Kameraden ohne Euren Befehl,
erlauchter Herr, ihre Poſten verlaſſen, niemals Euch
in Thuſis als erſte Begrüßung den widerwärtigen An¬
blick ihres Ungehorſams entgegengebracht.
Einen ſchlimmern Ausbruch vor Euern Augen,“ ſchloß
er zögernd, „habe ich nur mit Mühe verhütet und indem
ich mich, da mir kein anderes wirkſames Mittel mehr
zu Gebote ſtand, meinen Kameraden mit Hab' und
Gut für den rückſtändigen franzöſiſchen Sold verbürgte.
Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemeſſene Ergebenheit
nicht verargen werdet!“ fügte er ſchmeichelnd hinzu.
Der Herzog lehnte, zuſammenzuckend, tiefer in
die Kiſſen zurück und der ſchmerzliche Zug in ſeinem
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/269>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.