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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Gemeinde zu Gemeinde eilend, hatte er überall den
Zauber seiner Rede ausgeübt, überall seinen willens¬
starken, feurigen Einfluß geltend gemacht. Er hatte
darauf gedrungen, das sichere Theil nicht aus der Hand
zu lassen um eines ungewissen, ja undenkbaren größern
Gewinns willen. Er hatte gerathen, sich mit der
Hauptsache zu begnügen, dem edeln Anwalte Bündens
bei der französischen Krone nicht sich undankbar zu er¬
zeigen und den mit jedem Jahre sich mindernden Rest
des französischen Druckes willig in den Kauf zu
nehmen.

Doch noch eine Sorge drückte die Ehrenhaftigkeit
des Herzogs. Der ungeheure Summen verschlingende
Krieg in Deutschland hatte den französischen Schatz er¬
schöpft. Die Sendungen des Schatzmeisters an Herzog
Rohan flossen schon lange spärlich und blieben jetzt
aus; es war diesem seit einiger Zeit nicht mehr mög¬
lich, seine Bündnertruppen zu besolden. Freilich theilten
die französischen Regimenter dasselbe Loos. Man schien
am Hofe zu St. Germain des Glaubens zu leben, die
Ehre unter dem ruhmreichen Feldherrn zu dienen, er¬
setze dem Soldaten Nahrung und Kleidung. Rohan
sandte Schreiben auf Schreiben und erhielt als Ant¬
wort Versprechen auf Versprechen. Die Erhebung einer
neuen Kriegssteuer in Frankreich, so schrieb man dem

Gemeinde zu Gemeinde eilend, hatte er überall den
Zauber ſeiner Rede ausgeübt, überall ſeinen willens¬
ſtarken, feurigen Einfluß geltend gemacht. Er hatte
darauf gedrungen, das ſichere Theil nicht aus der Hand
zu laſſen um eines ungewiſſen, ja undenkbaren größern
Gewinns willen. Er hatte gerathen, ſich mit der
Hauptſache zu begnügen, dem edeln Anwalte Bündens
bei der franzöſiſchen Krone nicht ſich undankbar zu er¬
zeigen und den mit jedem Jahre ſich mindernden Reſt
des franzöſiſchen Druckes willig in den Kauf zu
nehmen.

Doch noch eine Sorge drückte die Ehrenhaftigkeit
des Herzogs. Der ungeheure Summen verſchlingende
Krieg in Deutſchland hatte den franzöſiſchen Schatz er¬
ſchöpft. Die Sendungen des Schatzmeiſters an Herzog
Rohan floſſen ſchon lange ſpärlich und blieben jetzt
aus; es war dieſem ſeit einiger Zeit nicht mehr mög¬
lich, ſeine Bündnertruppen zu beſolden. Freilich theilten
die franzöſiſchen Regimenter daſſelbe Loos. Man ſchien
am Hofe zu St. Germain des Glaubens zu leben, die
Ehre unter dem ruhmreichen Feldherrn zu dienen, er¬
ſetze dem Soldaten Nahrung und Kleidung. Rohan
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[240/0250] Gemeinde zu Gemeinde eilend, hatte er überall den Zauber ſeiner Rede ausgeübt, überall ſeinen willens¬ ſtarken, feurigen Einfluß geltend gemacht. Er hatte darauf gedrungen, das ſichere Theil nicht aus der Hand zu laſſen um eines ungewiſſen, ja undenkbaren größern Gewinns willen. Er hatte gerathen, ſich mit der Hauptſache zu begnügen, dem edeln Anwalte Bündens bei der franzöſiſchen Krone nicht ſich undankbar zu er¬ zeigen und den mit jedem Jahre ſich mindernden Reſt des franzöſiſchen Druckes willig in den Kauf zu nehmen. Doch noch eine Sorge drückte die Ehrenhaftigkeit des Herzogs. Der ungeheure Summen verſchlingende Krieg in Deutſchland hatte den franzöſiſchen Schatz er¬ ſchöpft. Die Sendungen des Schatzmeiſters an Herzog Rohan floſſen ſchon lange ſpärlich und blieben jetzt aus; es war dieſem ſeit einiger Zeit nicht mehr mög¬ lich, ſeine Bündnertruppen zu beſolden. Freilich theilten die franzöſiſchen Regimenter daſſelbe Loos. Man ſchien am Hofe zu St. Germain des Glaubens zu leben, die Ehre unter dem ruhmreichen Feldherrn zu dienen, er¬ ſetze dem Soldaten Nahrung und Kleidung. Rohan ſandte Schreiben auf Schreiben und erhielt als Ant¬ wort Verſprechen auf Verſprechen. Die Erhebung einer neuen Kriegsſteuer in Frankreich, ſo ſchrieb man dem

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/250>, abgerufen am 21.11.2024.