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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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setze und der Milde seines Vollstreckers," hier machte
er eine verbindliche Handbewegung gegen den Provvedi¬
tore, "-- auch nach dessen gestrigen Aeußerungen an
der Tafel des Herzogs unmöglich theilen kann."

"Von Hauptmann Jenatsch habe ich sichere Kunde,"
sagte Grimani mit einem unmerklichen Lächeln über die
Gewandtheit seines Gastes. "Er sitzt unter den Blei¬
dächern; aber, lieber Freund, nicht wegen eines Diszi¬
plinarfehlers, sondern belastet mit einer Mordthat."

"Gerechter Gott! Und Ihr habt Beweise dafür?"
rief Waser, dem es schwül wurde, sprang auf und schritt
in dem kleinen Gemache bestürzten Gemüthes auf und nieder.
"Ihr werdet, wenn Ihr es wünscht, die Akten
lesen," versetzte Grimani ruhig und ließ seinen Schrei¬
ber rufen, dem er befahl, ein Portefeuille, das er ihm
bezeichnete, sogleich zur Stelle zu bringen.

Nach wenigen Minuten hielt Waser zwei Akten¬
stücke über den Zweikampf zwischen Jenatsch und Ruinell
hinter St. Justina zu Padua in den Händen, mit denen
er sich, eifrig lesend, in die etwas erhöhte Fensternische
zurückzog.

Das eine dieser Schriftstücke war das mit dem
Magister Pamfilio Dolce aufgenommene Verhör, worin
derselbe den Unfall des ihm zu Erziehung und Schutz
befohlenen unschuldigen Knäbleins mit beweglichen Worten

ſetze und der Milde ſeines Vollſtreckers,“ hier machte
er eine verbindliche Handbewegung gegen den Provvedi¬
tore, „— auch nach deſſen geſtrigen Aeußerungen an
der Tafel des Herzogs unmöglich theilen kann.“

„Von Hauptmann Jenatſch habe ich ſichere Kunde,“
ſagte Grimani mit einem unmerklichen Lächeln über die
Gewandtheit ſeines Gaſtes. „Er ſitzt unter den Blei¬
dächern; aber, lieber Freund, nicht wegen eines Diszi¬
plinarfehlers, ſondern belaſtet mit einer Mordthat.“

„Gerechter Gott! Und Ihr habt Beweiſe dafür?“
rief Waſer, dem es ſchwül wurde, ſprang auf und ſchritt
in dem kleinen Gemache beſtürzten Gemüthes auf und nieder.
„Ihr werdet, wenn Ihr es wünſcht, die Akten
leſen,“ verſetzte Grimani ruhig und ließ ſeinen Schrei¬
ber rufen, dem er befahl, ein Portefeuille, das er ihm
bezeichnete, ſogleich zur Stelle zu bringen.

Nach wenigen Minuten hielt Waſer zwei Akten¬
ſtücke über den Zweikampf zwiſchen Jenatſch und Ruinell
hinter St. Juſtina zu Padua in den Händen, mit denen
er ſich, eifrig leſend, in die etwas erhöhte Fenſterniſche
zurückzog.

Das eine dieſer Schriftſtücke war das mit dem
Magiſter Pamfilio Dolce aufgenommene Verhör, worin
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befohlenen unſchuldigen Knäbleins mit beweglichen Worten

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[189/0199] ſetze und der Milde ſeines Vollſtreckers,“ hier machte er eine verbindliche Handbewegung gegen den Provvedi¬ tore, „— auch nach deſſen geſtrigen Aeußerungen an der Tafel des Herzogs unmöglich theilen kann.“ „Von Hauptmann Jenatſch habe ich ſichere Kunde,“ ſagte Grimani mit einem unmerklichen Lächeln über die Gewandtheit ſeines Gaſtes. „Er ſitzt unter den Blei¬ dächern; aber, lieber Freund, nicht wegen eines Diszi¬ plinarfehlers, ſondern belaſtet mit einer Mordthat.“ „Gerechter Gott! Und Ihr habt Beweiſe dafür?“ rief Waſer, dem es ſchwül wurde, ſprang auf und ſchritt in dem kleinen Gemache beſtürzten Gemüthes auf und nieder. „Ihr werdet, wenn Ihr es wünſcht, die Akten leſen,“ verſetzte Grimani ruhig und ließ ſeinen Schrei¬ ber rufen, dem er befahl, ein Portefeuille, das er ihm bezeichnete, ſogleich zur Stelle zu bringen. Nach wenigen Minuten hielt Waſer zwei Akten¬ ſtücke über den Zweikampf zwiſchen Jenatſch und Ruinell hinter St. Juſtina zu Padua in den Händen, mit denen er ſich, eifrig leſend, in die etwas erhöhte Fenſterniſche zurückzog. Das eine dieſer Schriftſtücke war das mit dem Magiſter Pamfilio Dolce aufgenommene Verhör, worin derſelbe den Unfall des ihm zu Erziehung und Schutz befohlenen unſchuldigen Knäbleins mit beweglichen Worten

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/199>, abgerufen am 21.11.2024.