wohin ich meine Dienerschaft mit den aus Dalmatien zurückgebrachten Habseligkeiten beordert habe? Ich möchte diese gleich im Palaste des Herzogs in Sicherheit bringen."
"Das geht kaum an, Hauptmann. Der Umweg wäre bedeutend und die Nacht bricht ein. Ich hafte für Euch und der Herzog ist pünktlich bis zur Pein¬ lichkeit!" erwiederte der Zürcher, und er wunderte sich insgeheim und fragte sich, warum Jenatsch für sich und das Seinige wohl Schutz bedürfe.
Noch einmal suchte er auf dem tief beschatteten Gesichte vor ihm zu lesen, aber die Gondel bog eben in eine schmale, finstere Lagune ein und nur zwei glü¬ hende Augensterne blickten ihm, wie die eines Löwen aus der Nacht entgegen.
Als die Gondel im Canal grande vor den Mar¬ morstufen des herzoglichen Palastes neben einer andern, zur Abfahrt bereiten, anlegte, zeigten sich auf der Schwelle des schön gewölbten Thores zwei Männer¬ gestalten in Staatstracht, die sich in ausdrucksvoller Silhouette vom hellen Hintergrunde der glänzend er¬ leuchteteten Halle abhoben. Die eine zeigte den feinen Bau und die ruhige, geschmeidige Bewegung des vornehmen Venetianers, die andere, von behaglicher Fülle und deutschehrbarem Ansehen, weigerte sich
wohin ich meine Dienerſchaft mit den aus Dalmatien zurückgebrachten Habſeligkeiten beordert habe? Ich möchte dieſe gleich im Palaſte des Herzogs in Sicherheit bringen.“
„Das geht kaum an, Hauptmann. Der Umweg wäre bedeutend und die Nacht bricht ein. Ich hafte für Euch und der Herzog iſt pünktlich bis zur Pein¬ lichkeit!“ erwiederte der Zürcher, und er wunderte ſich insgeheim und fragte ſich, warum Jenatſch für ſich und das Seinige wohl Schutz bedürfe.
Noch einmal ſuchte er auf dem tief beſchatteten Geſichte vor ihm zu leſen, aber die Gondel bog eben in eine ſchmale, finſtere Lagune ein und nur zwei glü¬ hende Augenſterne blickten ihm, wie die eines Löwen aus der Nacht entgegen.
Als die Gondel im Canal grande vor den Mar¬ morſtufen des herzoglichen Palaſtes neben einer andern, zur Abfahrt bereiten, anlegte, zeigten ſich auf der Schwelle des ſchön gewölbten Thores zwei Männer¬ geſtalten in Staatstracht, die ſich in ausdrucksvoller Silhouette vom hellen Hintergrunde der glänzend er¬ leuchteteten Halle abhoben. Die eine zeigte den feinen Bau und die ruhige, geſchmeidige Bewegung des vornehmen Venetianers, die andere, von behaglicher Fülle und deutſchehrbarem Anſehen, weigerte ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0177"n="167"/>
wohin ich meine Dienerſchaft mit den aus Dalmatien<lb/>
zurückgebrachten Habſeligkeiten beordert habe? Ich möchte<lb/>
dieſe gleich im Palaſte des Herzogs in Sicherheit<lb/>
bringen.“</p><lb/><p>„Das geht kaum an, Hauptmann. Der Umweg<lb/>
wäre bedeutend und die Nacht bricht ein. Ich hafte<lb/>
für Euch und der Herzog iſt pünktlich bis zur Pein¬<lb/>
lichkeit!“ erwiederte der Zürcher, und er wunderte ſich<lb/>
insgeheim und fragte ſich, warum Jenatſch für ſich und<lb/>
das Seinige wohl Schutz bedürfe.</p><lb/><p>Noch einmal ſuchte er auf dem tief beſchatteten<lb/>
Geſichte vor ihm zu leſen, aber die Gondel bog eben<lb/>
in eine ſchmale, finſtere Lagune ein und nur zwei glü¬<lb/>
hende Augenſterne blickten ihm, wie die eines Löwen<lb/>
aus der Nacht entgegen.</p><lb/><p>Als die Gondel im Canal grande vor den Mar¬<lb/>
morſtufen des herzoglichen Palaſtes neben einer andern,<lb/>
zur Abfahrt bereiten, anlegte, zeigten ſich auf der<lb/>
Schwelle des ſchön gewölbten Thores zwei Männer¬<lb/>
geſtalten in Staatstracht, die ſich in ausdrucksvoller<lb/>
Silhouette vom hellen Hintergrunde der glänzend er¬<lb/>
leuchteteten Halle abhoben. Die eine zeigte den feinen<lb/>
Bau und die ruhige, geſchmeidige Bewegung des<lb/>
vornehmen Venetianers, die andere, von behaglicher<lb/>
Fülle und deutſchehrbarem Anſehen, weigerte ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0177]
wohin ich meine Dienerſchaft mit den aus Dalmatien
zurückgebrachten Habſeligkeiten beordert habe? Ich möchte
dieſe gleich im Palaſte des Herzogs in Sicherheit
bringen.“
„Das geht kaum an, Hauptmann. Der Umweg
wäre bedeutend und die Nacht bricht ein. Ich hafte
für Euch und der Herzog iſt pünktlich bis zur Pein¬
lichkeit!“ erwiederte der Zürcher, und er wunderte ſich
insgeheim und fragte ſich, warum Jenatſch für ſich und
das Seinige wohl Schutz bedürfe.
Noch einmal ſuchte er auf dem tief beſchatteten
Geſichte vor ihm zu leſen, aber die Gondel bog eben
in eine ſchmale, finſtere Lagune ein und nur zwei glü¬
hende Augenſterne blickten ihm, wie die eines Löwen
aus der Nacht entgegen.
Als die Gondel im Canal grande vor den Mar¬
morſtufen des herzoglichen Palaſtes neben einer andern,
zur Abfahrt bereiten, anlegte, zeigten ſich auf der
Schwelle des ſchön gewölbten Thores zwei Männer¬
geſtalten in Staatstracht, die ſich in ausdrucksvoller
Silhouette vom hellen Hintergrunde der glänzend er¬
leuchteteten Halle abhoben. Die eine zeigte den feinen
Bau und die ruhige, geſchmeidige Bewegung des
vornehmen Venetianers, die andere, von behaglicher
Fülle und deutſchehrbarem Anſehen, weigerte ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/177>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.