Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.junge Phantasie beschäftigte. Doch aus noch früherer Zeit Daneben schwebte ihm ein anderes Erlebniß seiner junge Phantaſie beſchäftigte. Doch aus noch früherer Zeit Daneben ſchwebte ihm ein anderes Erlebniß ſeiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0160" n="150"/> junge Phantaſie beſchäftigte. Doch aus noch früherer Zeit<lb/> erinnerte er ſich auch, daß der wilde Antheil des pro¬<lb/> teſtantiſchen Prädikanten an den ruchloſen demokratiſchen<lb/> Strafgerichten mit ihren Erpreſſungen und politiſchen<lb/> Morden in ſeiner Familie Abſcheu erregt hatte, und<lb/> daß es ihm beſondern Spaß gemacht, als ſein Präcep¬<lb/> tor darüber wehklagend die Hände gen Himmel erhob.</p><lb/> <p>Daneben ſchwebte ihm ein anderes Erlebniß ſeiner<lb/> Kinderjahre mit friſcheſter Deutlichkeit vor. Am ſtädti¬<lb/> ſchen Jahrmarkte ſtand er einſt mitten in der geſpannt<lb/> lauſchenden Volksmenge vor dem Schauergemälde eines<lb/> Bänkelſängers und lauſchte den endloſen Verſen einer<lb/> tragiſchen Mordgeſchichte. Die ruckweis wandernde<lb/> Gerte des Leiermanns wies auf die Szenen einer mit<lb/> den grellſten Farben bemalten Tafel. Auf dem Mittel¬<lb/> ſtück umſtanden die ſogenannten drei bündneriſchen Telle<lb/> ihr nur mit dem Hemde bekleidetes, aus einem Schlot<lb/> heruntergeriſſenes Opfer, den unglücklichen Herrn Pom¬<lb/> pejus. Einer von ihnen ſchwang ein langgeſtieltes<lb/> Fleiſcherbeil — das war der berühmte Pfarrer Jenatſch! —<lb/> Als dann der aufgeregte Knabe beim Abendbrot vor<lb/> ſeinem Stiefvater, dem Oberſten Schmid, von den neuen<lb/> Tellen erzählte, verbot ihm dieſer zornroth, der blut¬<lb/> dürſtigen Canaillen in ſeiner Gegenwart Erwähnung<lb/> zu thun.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0160]
junge Phantaſie beſchäftigte. Doch aus noch früherer Zeit
erinnerte er ſich auch, daß der wilde Antheil des pro¬
teſtantiſchen Prädikanten an den ruchloſen demokratiſchen
Strafgerichten mit ihren Erpreſſungen und politiſchen
Morden in ſeiner Familie Abſcheu erregt hatte, und
daß es ihm beſondern Spaß gemacht, als ſein Präcep¬
tor darüber wehklagend die Hände gen Himmel erhob.
Daneben ſchwebte ihm ein anderes Erlebniß ſeiner
Kinderjahre mit friſcheſter Deutlichkeit vor. Am ſtädti¬
ſchen Jahrmarkte ſtand er einſt mitten in der geſpannt
lauſchenden Volksmenge vor dem Schauergemälde eines
Bänkelſängers und lauſchte den endloſen Verſen einer
tragiſchen Mordgeſchichte. Die ruckweis wandernde
Gerte des Leiermanns wies auf die Szenen einer mit
den grellſten Farben bemalten Tafel. Auf dem Mittel¬
ſtück umſtanden die ſogenannten drei bündneriſchen Telle
ihr nur mit dem Hemde bekleidetes, aus einem Schlot
heruntergeriſſenes Opfer, den unglücklichen Herrn Pom¬
pejus. Einer von ihnen ſchwang ein langgeſtieltes
Fleiſcherbeil — das war der berühmte Pfarrer Jenatſch! —
Als dann der aufgeregte Knabe beim Abendbrot vor
ſeinem Stiefvater, dem Oberſten Schmid, von den neuen
Tellen erzählte, verbot ihm dieſer zornroth, der blut¬
dürſtigen Canaillen in ſeiner Gegenwart Erwähnung
zu thun.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/160>, abgerufen am 16.02.2025. |