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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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matien verwendet. Immer vergeblich. Ich erhielt die
Antwort, Ihr wäret dort unentbehrlich. Eure Gegen¬
wart überrascht mich. Was ist der Grund Eurer be¬
schleunigten Rückkehr?"

"Größtentheils mein glühender Wunsch, Euch zu
sehen, erlauchter Herr, und mein Eifer Euch zu dienen,"
sagte Jenatsch. "Dies Verlangen stärkte meine Erfin¬
dungskraft und ließ mich zur Erreichung des Ziels die
kühnsten Mittel ergreifen. Meine Aufgabe in Zara ist
gelöst, und wenn ich nach Venedig zurückeilte, bevor
der Provveditore mir eine neue Herkulesarbeit auf
irgend einer fernen Insel aussann, so wird es Euch
leicht werden, wofern Ihr mir geneigt seid, diese Dienst¬
unregelmäßigkeit in ein günstiges -- in ihr wahres
Licht zu stellen und bei meinem Vorgesetzten zu ent¬
schuldigen."

Der forschende Blick des Herzogs versenkte sich eine
Weile in das feurige Gesicht des Bündners, das für
ihn mit irgend einer fernen Erinnerung zusammenhing;
doch dieser Blick wurde immer wohlwollender, bestochen
durch die innige Bitte der finster beschatteten Augen.

Während dieses Gesprächs hatte sich die Gesell¬
schaft dem Ausgange zubewegt. Der Küster hob den
schweren Damastvorhang der Pforte und empfing mit
devoten Bücklingen das Goldstück des Herzogs und die

Meyer, Georg Jenatsch. 10

matien verwendet. Immer vergeblich. Ich erhielt die
Antwort, Ihr wäret dort unentbehrlich. Eure Gegen¬
wart überraſcht mich. Was iſt der Grund Eurer be¬
ſchleunigten Rückkehr?“

„Größtentheils mein glühender Wunſch, Euch zu
ſehen, erlauchter Herr, und mein Eifer Euch zu dienen,“
ſagte Jenatſch. „Dies Verlangen ſtärkte meine Erfin¬
dungskraft und ließ mich zur Erreichung des Ziels die
kühnſten Mittel ergreifen. Meine Aufgabe in Zara iſt
gelöſt, und wenn ich nach Venedig zurückeilte, bevor
der Provveditore mir eine neue Herkulesarbeit auf
irgend einer fernen Inſel ausſann, ſo wird es Euch
leicht werden, wofern Ihr mir geneigt ſeid, dieſe Dienſt¬
unregelmäßigkeit in ein günſtiges — in ihr wahres
Licht zu ſtellen und bei meinem Vorgeſetzten zu ent¬
ſchuldigen.“

Der forſchende Blick des Herzogs verſenkte ſich eine
Weile in das feurige Geſicht des Bündners, das für
ihn mit irgend einer fernen Erinnerung zuſammenhing;
doch dieſer Blick wurde immer wohlwollender, beſtochen
durch die innige Bitte der finſter beſchatteten Augen.

Während dieſes Geſprächs hatte ſich die Geſell¬
ſchaft dem Ausgange zubewegt. Der Küſter hob den
ſchweren Damaſtvorhang der Pforte und empfing mit
devoten Bücklingen das Goldſtück des Herzogs und die

Meyer, Georg Jenatſch. 10
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[145/0155] matien verwendet. Immer vergeblich. Ich erhielt die Antwort, Ihr wäret dort unentbehrlich. Eure Gegen¬ wart überraſcht mich. Was iſt der Grund Eurer be¬ ſchleunigten Rückkehr?“ „Größtentheils mein glühender Wunſch, Euch zu ſehen, erlauchter Herr, und mein Eifer Euch zu dienen,“ ſagte Jenatſch. „Dies Verlangen ſtärkte meine Erfin¬ dungskraft und ließ mich zur Erreichung des Ziels die kühnſten Mittel ergreifen. Meine Aufgabe in Zara iſt gelöſt, und wenn ich nach Venedig zurückeilte, bevor der Provveditore mir eine neue Herkulesarbeit auf irgend einer fernen Inſel ausſann, ſo wird es Euch leicht werden, wofern Ihr mir geneigt ſeid, dieſe Dienſt¬ unregelmäßigkeit in ein günſtiges — in ihr wahres Licht zu ſtellen und bei meinem Vorgeſetzten zu ent¬ ſchuldigen.“ Der forſchende Blick des Herzogs verſenkte ſich eine Weile in das feurige Geſicht des Bündners, das für ihn mit irgend einer fernen Erinnerung zuſammenhing; doch dieſer Blick wurde immer wohlwollender, beſtochen durch die innige Bitte der finſter beſchatteten Augen. Während dieſes Geſprächs hatte ſich die Geſell¬ ſchaft dem Ausgange zubewegt. Der Küſter hob den ſchweren Damaſtvorhang der Pforte und empfing mit devoten Bücklingen das Goldſtück des Herzogs und die Meyer, Georg Jenatſch. 10

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/155>, abgerufen am 06.05.2024.