Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Dalmatien!" -- Ich stieg ab und erstattete Bericht,
dann setzt' ich mich zur Gesellschaft und wir spielten
bis zum Morgenlicht. Dabei verlor der Oberst an mich
etwas wie hundert Zechinen, doch verbiß er seinen
Grimm und ohne Streit erreichten wir die Stadt. Aber
er ließ den Mißmuth an seinem feurigen Rappen aus
und das schaumbedeckte Thier traf am Gemüsemarkt mit
den fliegenden Hufen ein Bübchen, welches dem Schul¬
meister und der zur Frühmesse ziehenden Schule nach¬
trottelte. Wir saßen beim Petrocchi ab und nahmen
ein Frühstück. Natürlich war bald auch der Schul¬
meister da mit einer feierlichen Jammermiene und for¬
derte für das Schülerlein ein dem Edelmuth und dem
hohen Stande des Herrn angemessenes Schmerzensgeld.
Ruinell aber fuhr den armen Wicht so wüthend an,
daß mich ein Mitleid überkam und ich mich dazwischen
legte. So empfing denn ich die volle Ladung und der
Oberst, der seiner Sinne nicht mehr mächtig war, ver¬
gaß sich so weit, daß er mich am Wams packte und
einen schurkischen Demokraten schalt, der mit dem
paduanischen Lügenpöbel unter einer Decke stecke . . ."

"Das bist Du auch, herrlicher Jürg", rief der
Bäcker dazwischen, sobald das Wort Demokrat sein Ohr
erreichte, denn dieser Zauberformel hatte er nie wider¬
stehen können. "Das bist Du auch! Dein treues Ge¬

9*

Dalmatien!“ — Ich ſtieg ab und erſtattete Bericht,
dann ſetzt' ich mich zur Geſellſchaft und wir ſpielten
bis zum Morgenlicht. Dabei verlor der Oberſt an mich
etwas wie hundert Zechinen, doch verbiß er ſeinen
Grimm und ohne Streit erreichten wir die Stadt. Aber
er ließ den Mißmuth an ſeinem feurigen Rappen aus
und das ſchaumbedeckte Thier traf am Gemüſemarkt mit
den fliegenden Hufen ein Bübchen, welches dem Schul¬
meiſter und der zur Frühmeſſe ziehenden Schule nach¬
trottelte. Wir ſaßen beim Petrocchi ab und nahmen
ein Frühſtück. Natürlich war bald auch der Schul¬
meiſter da mit einer feierlichen Jammermiene und for¬
derte für das Schülerlein ein dem Edelmuth und dem
hohen Stande des Herrn angemeſſenes Schmerzensgeld.
Ruinell aber fuhr den armen Wicht ſo wüthend an,
daß mich ein Mitleid überkam und ich mich dazwiſchen
legte. So empfing denn ich die volle Ladung und der
Oberſt, der ſeiner Sinne nicht mehr mächtig war, ver¬
gaß ſich ſo weit, daß er mich am Wams packte und
einen ſchurkiſchen Demokraten ſchalt, der mit dem
paduaniſchen Lügenpöbel unter einer Decke ſtecke . . .“

„Das biſt Du auch, herrlicher Jürg“, rief der
Bäcker dazwiſchen, ſobald das Wort Demokrat ſein Ohr
erreichte, denn dieſer Zauberformel hatte er nie wider¬
ſtehen können. „Das biſt Du auch! Dein treues Ge¬

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="131"/>
Dalmatien!&#x201C; &#x2014; Ich &#x017F;tieg ab und er&#x017F;tattete Bericht,<lb/>
dann &#x017F;etzt' ich mich zur Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und wir &#x017F;pielten<lb/>
bis zum Morgenlicht. Dabei verlor der Ober&#x017F;t an mich<lb/>
etwas wie hundert Zechinen, doch verbiß er &#x017F;einen<lb/>
Grimm und ohne Streit erreichten wir die Stadt. Aber<lb/>
er ließ den Mißmuth an &#x017F;einem feurigen Rappen aus<lb/>
und das &#x017F;chaumbedeckte Thier traf am Gemü&#x017F;emarkt mit<lb/>
den fliegenden Hufen ein Bübchen, welches dem Schul¬<lb/>
mei&#x017F;ter und der zur Frühme&#x017F;&#x017F;e ziehenden Schule nach¬<lb/>
trottelte. Wir &#x017F;aßen beim Petrocchi ab und nahmen<lb/>
ein Früh&#x017F;tück. Natürlich war bald auch der Schul¬<lb/>
mei&#x017F;ter da mit einer feierlichen Jammermiene und for¬<lb/>
derte für das Schülerlein ein dem Edelmuth und dem<lb/>
hohen Stande des Herrn angeme&#x017F;&#x017F;enes Schmerzensgeld.<lb/>
Ruinell aber fuhr den armen Wicht &#x017F;o wüthend an,<lb/>
daß mich ein Mitleid überkam und ich mich dazwi&#x017F;chen<lb/>
legte. So empfing denn ich die volle Ladung und der<lb/>
Ober&#x017F;t, der &#x017F;einer Sinne nicht mehr mächtig war, ver¬<lb/>
gaß &#x017F;ich &#x017F;o weit, daß er mich am Wams packte und<lb/>
einen &#x017F;churki&#x017F;chen Demokraten &#x017F;chalt, der mit dem<lb/>
paduani&#x017F;chen Lügenpöbel unter einer Decke &#x017F;tecke . . .&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das bi&#x017F;t Du auch, herrlicher Jürg&#x201C;, rief der<lb/>
Bäcker dazwi&#x017F;chen, &#x017F;obald das Wort Demokrat &#x017F;ein Ohr<lb/>
erreichte, denn die&#x017F;er Zauberformel hatte er nie wider¬<lb/>
&#x017F;tehen können. &#x201E;Das bi&#x017F;t Du auch! Dein treues Ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] Dalmatien!“ — Ich ſtieg ab und erſtattete Bericht, dann ſetzt' ich mich zur Geſellſchaft und wir ſpielten bis zum Morgenlicht. Dabei verlor der Oberſt an mich etwas wie hundert Zechinen, doch verbiß er ſeinen Grimm und ohne Streit erreichten wir die Stadt. Aber er ließ den Mißmuth an ſeinem feurigen Rappen aus und das ſchaumbedeckte Thier traf am Gemüſemarkt mit den fliegenden Hufen ein Bübchen, welches dem Schul¬ meiſter und der zur Frühmeſſe ziehenden Schule nach¬ trottelte. Wir ſaßen beim Petrocchi ab und nahmen ein Frühſtück. Natürlich war bald auch der Schul¬ meiſter da mit einer feierlichen Jammermiene und for¬ derte für das Schülerlein ein dem Edelmuth und dem hohen Stande des Herrn angemeſſenes Schmerzensgeld. Ruinell aber fuhr den armen Wicht ſo wüthend an, daß mich ein Mitleid überkam und ich mich dazwiſchen legte. So empfing denn ich die volle Ladung und der Oberſt, der ſeiner Sinne nicht mehr mächtig war, ver¬ gaß ſich ſo weit, daß er mich am Wams packte und einen ſchurkiſchen Demokraten ſchalt, der mit dem paduaniſchen Lügenpöbel unter einer Decke ſtecke . . .“ „Das biſt Du auch, herrlicher Jürg“, rief der Bäcker dazwiſchen, ſobald das Wort Demokrat ſein Ohr erreichte, denn dieſer Zauberformel hatte er nie wider¬ ſtehen können. „Das biſt Du auch! Dein treues Ge¬ 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/141
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/141>, abgerufen am 24.11.2024.