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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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blickenden Frau beim Aussteigen behilflich zu sein. Sie
aber hatte seine Hand nicht angenommen. Unversehens
stand sie auf der Treppe und schritt, ohne sich umzu¬
blicken, der Pforte des Domes zu.

Ehe der in der Gondel beschäftigte Alte seiner
Herrin folgen konnte, trat Herr Fausch, dessen Miene
sich plötzlich erhellt hatte, an den Rand der Lagune vor
und rief ihm mit gedämpfter Baßstimme den ro¬
manischen Gruß: "Bun di", zu; aber jener wandte
sich nicht nach dem seine Bekanntschaft Suchenden um,
er streifte ihn nur mit einem Blitze unter seinen buschi¬
gen Brauen hervor, halb mißtrauisch, halb verständni߬
voll, dann zog er langsam einen Rosenkranz aus der
Tasche und schritt, Herrn Fausch den Rücken zukehrend,
nach der Kirche.

Noch folgte ihm dieser mit nachdenklichen Blicken,
als, aus dem Seitengäßchen rasch herauslenkend, ein
kleiner hagerer Cavalier an ihm vorüberschoß und mit
einem stählernen Sprung auf der Brücke stand. Hier
bemerkte er zu seiner Rechten den Bäcker und dessen
behaglichen Gruß, wandte ihm einen Augenblick
sein junges nichts weniger als hübsches aber höchst
originelles Gesicht zu und sagte: "Augenblicklich noch
im Dienst! Holt mir ein Fläschchen Cyprier, Vater

blickenden Frau beim Ausſteigen behilflich zu ſein. Sie
aber hatte ſeine Hand nicht angenommen. Unverſehens
ſtand ſie auf der Treppe und ſchritt, ohne ſich umzu¬
blicken, der Pforte des Domes zu.

Ehe der in der Gondel beſchäftigte Alte ſeiner
Herrin folgen konnte, trat Herr Fauſch, deſſen Miene
ſich plötzlich erhellt hatte, an den Rand der Lagune vor
und rief ihm mit gedämpfter Baßſtimme den ro¬
maniſchen Gruß: „Bun di“, zu; aber jener wandte
ſich nicht nach dem ſeine Bekanntſchaft Suchenden um,
er ſtreifte ihn nur mit einem Blitze unter ſeinen buſchi¬
gen Brauen hervor, halb mißtrauiſch, halb verſtändni߬
voll, dann zog er langſam einen Roſenkranz aus der
Taſche und ſchritt, Herrn Fauſch den Rücken zukehrend,
nach der Kirche.

Noch folgte ihm dieſer mit nachdenklichen Blicken,
als, aus dem Seitengäßchen raſch herauslenkend, ein
kleiner hagerer Cavalier an ihm vorüberſchoß und mit
einem ſtählernen Sprung auf der Brücke ſtand. Hier
bemerkte er zu ſeiner Rechten den Bäcker und deſſen
behaglichen Gruß, wandte ihm einen Augenblick
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[119/0129] blickenden Frau beim Ausſteigen behilflich zu ſein. Sie aber hatte ſeine Hand nicht angenommen. Unverſehens ſtand ſie auf der Treppe und ſchritt, ohne ſich umzu¬ blicken, der Pforte des Domes zu. Ehe der in der Gondel beſchäftigte Alte ſeiner Herrin folgen konnte, trat Herr Fauſch, deſſen Miene ſich plötzlich erhellt hatte, an den Rand der Lagune vor und rief ihm mit gedämpfter Baßſtimme den ro¬ maniſchen Gruß: „Bun di“, zu; aber jener wandte ſich nicht nach dem ſeine Bekanntſchaft Suchenden um, er ſtreifte ihn nur mit einem Blitze unter ſeinen buſchi¬ gen Brauen hervor, halb mißtrauiſch, halb verſtändni߬ voll, dann zog er langſam einen Roſenkranz aus der Taſche und ſchritt, Herrn Fauſch den Rücken zukehrend, nach der Kirche. Noch folgte ihm dieſer mit nachdenklichen Blicken, als, aus dem Seitengäßchen raſch herauslenkend, ein kleiner hagerer Cavalier an ihm vorüberſchoß und mit einem ſtählernen Sprung auf der Brücke ſtand. Hier bemerkte er zu ſeiner Rechten den Bäcker und deſſen behaglichen Gruß, wandte ihm einen Augenblick ſein junges nichts weniger als hübſches aber höchſt originelles Geſicht zu und ſagte: „Augenblicklich noch im Dienſt! Holt mir ein Fläſchchen Cyprier, Vater

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/129>, abgerufen am 24.11.2024.