Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

waren noch über die lange Brücke zu den Kapuzinern von
Rapperswyl gewandert, um von den als Geisterbanner
und Exorcisten bewährten Vätern allerlei Mittelchen ein¬
zuhandeln gegen Krankheit von Menschen und Vieh und
gegen teuflischen Spuk. Dort hatten die Wallfahrer von
einem schrecklichen Strafgerichte gehört, das in einem Thale
jenseits der Berge über die Ketzer hereingebrochen sei.
Alle seien sie mit Feuer und Schwert vertilgt worden.

Wohl erfüllte die Weiblein mit freudigem Schrecken
dies Unglück der Mißgläubigen, aber auch mit dem
Wunsche, so bald als möglich den protestantischen Landen,
die sie zu durchwandern hatten, den Rücken zu kehren und
jenseits der Grenze in ihrer katholischen Heimath diese
großen Dinge zu verkündigen.

So war das Gerücht von dem Protestantenmorde
im Veltlin schon vor, oder doch zugleich mit dem jungen
Zürcher hieher gelangt. Auch Waser hatte auf dem Heim¬
wege erfahren, was zu glauben er sich immer noch in
innerster Seele gesträubt hatte, daß der Ueberfall in
Berbenn, den er miterlebt, nur eine Einzelnheit, und
nicht die grausamste, eines längst geplanten, unerhörten
Blutbades gewesen sei. Sogar die nach und nach bei
den Dörfern, wo man anlegte, einsteigenden Marktleute
waren voll davon.

Es war eine Gesellschaft, die sich nicht erst von

waren noch über die lange Brücke zu den Kapuzinern von
Rapperswyl gewandert, um von den als Geiſterbanner
und Exorciſten bewährten Vätern allerlei Mittelchen ein¬
zuhandeln gegen Krankheit von Menſchen und Vieh und
gegen teufliſchen Spuk. Dort hatten die Wallfahrer von
einem ſchrecklichen Strafgerichte gehört, das in einem Thale
jenſeits der Berge über die Ketzer hereingebrochen ſei.
Alle ſeien ſie mit Feuer und Schwert vertilgt worden.

Wohl erfüllte die Weiblein mit freudigem Schrecken
dies Unglück der Mißgläubigen, aber auch mit dem
Wunſche, ſo bald als möglich den proteſtantiſchen Landen,
die ſie zu durchwandern hatten, den Rücken zu kehren und
jenſeits der Grenze in ihrer katholiſchen Heimath dieſe
großen Dinge zu verkündigen.

So war das Gerücht von dem Proteſtantenmorde
im Veltlin ſchon vor, oder doch zugleich mit dem jungen
Zürcher hieher gelangt. Auch Waſer hatte auf dem Heim¬
wege erfahren, was zu glauben er ſich immer noch in
innerſter Seele geſträubt hatte, daß der Ueberfall in
Berbenn, den er miterlebt, nur eine Einzelnheit, und
nicht die grauſamſte, eines längſt geplanten, unerhörten
Blutbades geweſen ſei. Sogar die nach und nach bei
den Dörfern, wo man anlegte, einſteigenden Marktleute
waren voll davon.

Es war eine Geſellſchaft, die ſich nicht erſt von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0108" n="98"/>
waren noch über die lange Brücke zu den Kapuzinern von<lb/>
Rapperswyl gewandert, um von den als Gei&#x017F;terbanner<lb/>
und Exorci&#x017F;ten bewährten Vätern allerlei Mittelchen ein¬<lb/>
zuhandeln gegen Krankheit von Men&#x017F;chen und Vieh und<lb/>
gegen teufli&#x017F;chen Spuk. Dort hatten die Wallfahrer von<lb/>
einem &#x017F;chrecklichen Strafgerichte gehört, das in einem Thale<lb/>
jen&#x017F;eits der Berge über die Ketzer hereingebrochen &#x017F;ei.<lb/>
Alle &#x017F;eien &#x017F;ie mit Feuer und Schwert vertilgt worden.</p><lb/>
          <p>Wohl erfüllte die Weiblein mit freudigem Schrecken<lb/>
dies Unglück der Mißgläubigen, aber auch mit dem<lb/>
Wun&#x017F;che, &#x017F;o bald als möglich den prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Landen,<lb/>
die &#x017F;ie zu durchwandern hatten, den Rücken zu kehren und<lb/>
jen&#x017F;eits der Grenze in ihrer katholi&#x017F;chen Heimath die&#x017F;e<lb/>
großen Dinge zu verkündigen.</p><lb/>
          <p>So war das Gerücht von dem Prote&#x017F;tantenmorde<lb/>
im Veltlin &#x017F;chon vor, oder doch zugleich mit dem jungen<lb/>
Zürcher hieher gelangt. Auch Wa&#x017F;er hatte auf dem Heim¬<lb/>
wege erfahren, was zu glauben er &#x017F;ich immer noch in<lb/>
inner&#x017F;ter Seele ge&#x017F;träubt hatte, daß der Ueberfall in<lb/>
Berbenn, den er miterlebt, nur eine Einzelnheit, und<lb/>
nicht die grau&#x017F;am&#x017F;te, eines läng&#x017F;t geplanten, unerhörten<lb/>
Blutbades gewe&#x017F;en &#x017F;ei. Sogar die nach und nach bei<lb/>
den Dörfern, wo man anlegte, ein&#x017F;teigenden Marktleute<lb/>
waren voll davon.</p><lb/>
          <p>Es war eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die &#x017F;ich nicht er&#x017F;t von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0108] waren noch über die lange Brücke zu den Kapuzinern von Rapperswyl gewandert, um von den als Geiſterbanner und Exorciſten bewährten Vätern allerlei Mittelchen ein¬ zuhandeln gegen Krankheit von Menſchen und Vieh und gegen teufliſchen Spuk. Dort hatten die Wallfahrer von einem ſchrecklichen Strafgerichte gehört, das in einem Thale jenſeits der Berge über die Ketzer hereingebrochen ſei. Alle ſeien ſie mit Feuer und Schwert vertilgt worden. Wohl erfüllte die Weiblein mit freudigem Schrecken dies Unglück der Mißgläubigen, aber auch mit dem Wunſche, ſo bald als möglich den proteſtantiſchen Landen, die ſie zu durchwandern hatten, den Rücken zu kehren und jenſeits der Grenze in ihrer katholiſchen Heimath dieſe großen Dinge zu verkündigen. So war das Gerücht von dem Proteſtantenmorde im Veltlin ſchon vor, oder doch zugleich mit dem jungen Zürcher hieher gelangt. Auch Waſer hatte auf dem Heim¬ wege erfahren, was zu glauben er ſich immer noch in innerſter Seele geſträubt hatte, daß der Ueberfall in Berbenn, den er miterlebt, nur eine Einzelnheit, und nicht die grauſamſte, eines längſt geplanten, unerhörten Blutbades geweſen ſei. Sogar die nach und nach bei den Dörfern, wo man anlegte, einſteigenden Marktleute waren voll davon. Es war eine Geſellſchaft, die ſich nicht erſt von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/108
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/108>, abgerufen am 18.12.2024.