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Meyer, Franz Heinrich: Der in Erwegung göttlicher Wollthaten sich recht verhaltende Israeliter. Hildesheim, 1716.

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ACh du Saphirne Burg! Du GOttes Lust-Gemach! Wie bringstu meinen Geist an diesen Unglücks-Tag? So hastu gantz und gar dich wider mich entrüstet / Daß sich ein Zorn-Geschick bey meiner Freud einnistet? O Centner-schweres Leyd! Ich leb / und lebe nicht / Indem ein kalter Grauß durch Marck und Sehnen bricht. Der Thon von meiner Wonn' hat sich in Noht verkehret: Ein todter Nebel hat mein Leben hie gestöhret: Was Wunder / daß ich denn mit so geringer Zier Die Feder führen muß? Ich bin selbst nicht bey mir. Es werden mir so gar die Sternen zu Cometen: Ich schweif' herum nach Art der trüben Traur-Planeten; Verwirrte Finsterniß umschliesset meinen Muht / Und durch die blasse Furcht erstarret Hertz und Blut. Der rohe Menschen-Fraß zerscheitert meine Seule Daran mein Leben hieng / in allzustrenger Eile. Der Vater meines Heyls macht mich gantz Vaterloß / Auß dessen Munde sonst ein süsser Honig floß. Denn darf mein blöder Geist hie etwas stille stehen Und auff das weite Feld der vielen Güte sehen / So gönnt die Traurigkeit und schlechter Wörter-Satz Zwar selbe nach Verdienst zu preisen keinen Platz. Jedennoch dringet mich mein Hertze und Gewissen / Und will aus Danckbarkeit von keinem Schweigen wissen / Und also rühr ich denn mit wenig Sylben an / Was meine Zung annoch für Schmertzen lallen kan. So offt der Morgen-Glantz die Ober-Welt bestrahlte / Und meinen Hoffnungs-Klee mit holder Anmuht mahlte / So bald war mir der Weg zu diesem Mann gebahnt / Ich selbsten wurd hiezu durch Wollthat angemahnt. Da wurde denn die Schrifft / der Richtigkeiten Siegel / Der Weißheit güldner Schatz und unbefleckter Spiegel Eröffnet und erklärt das rechte GOttes-Bild / Der Wahrheit Schutzpanier / der Frommen Tartsch und Schild. Die Liebe prägte sich durch Reden in die Geister / Das Feur der Wissenschafft blieb Hertzog / Herr und Meister: Der güld'ne Himmels-Mund beströhmte meinen Witz Mit reiner Lehr / und nahm in meinen Sinnen Sitz. Wie mir mein Vater wurd' in früher Blüht entrissen / Ließ dieser Gottes-Held mir ohn Verdienste wissen / Daß Er die Zuversicht entblößter Zweige wär' / Und deckte über mich die Gnaden Flügel her.
ACh du Saphirne Burg! Du GOttes Lust-Gemach! Wie bringstu meinen Geist an diesen Unglücks-Tag? So hastu gantz und gar dich wider mich entrüstet / Daß sich ein Zorn-Geschick bey meiner Freud einnistet? O Centner-schweres Leyd! Ich leb / und lebe nicht / Indem ein kalter Grauß durch Marck und Sehnen bricht. Der Thon von meiner Wonn’ hat sich in Noht verkehret: Ein todter Nebel hat mein Leben hie gestöhret: Was Wunder / daß ich denn mit so geringer Zier Die Feder führen muß? Ich bin selbst nicht bey mir. Es werden mir so gar die Sternen zu Cometen: Ich schweif’ herum nach Art der trüben Traur-Planeten; Verwirrte Finsterniß umschliesset meinen Muht / Und durch die blasse Furcht erstarret Hertz und Blut. Der rohe Menschen-Fraß zerscheitert meine Seule Daran mein Leben hieng / in allzustrenger Eile. Der Vater meines Heyls macht mich gantz Vaterloß / Auß dessen Munde sonst ein süsser Honig floß. Denn darf mein blöder Geist hie etwas stille stehen Und auff das weite Feld der vielen Güte sehen / So gönnt die Traurigkeit und schlechter Wörter-Satz Zwar selbe nach Verdienst zu preisen keinen Platz. Jedennoch dringet mich mein Hertze und Gewissen / Und will aus Danckbarkeit von keinem Schweigen wissen / Und also rühr ich denn mit wenig Sylben an / Was meine Zung annoch für Schmertzen lallen kan. So offt der Morgen-Glantz die Ober-Welt bestrahlte / Und meinen Hoffnungs-Klee mit holder Anmuht mahlte / So bald war mir der Weg zu diesem Mann gebahnt / Ich selbsten wurd hiezu durch Wollthat angemahnt. Da wurde denn die Schrifft / der Richtigkeiten Siegel / Der Weißheit güldner Schatz und unbefleckter Spiegel Eröffnet und erklärt das rechte GOttes-Bild / Der Wahrheit Schutzpanier / der Frommen Tartsch und Schild. Die Liebe prägte sich durch Reden in die Geister / Das Feur der Wissenschafft blieb Hertzog / Herr und Meister: Der güld’ne Himmels-Mund beströhmte meinen Witz Mit reiner Lehr / und nahm in meinen Sinnen Sitz. Wie mir mein Vater wurd’ in früher Blüht entrissen / Ließ dieser Gottes-Held mir ohn Verdienste wissen / Daß Er die Zuversicht entblößter Zweige wär’ / Und deckte über mich die Gnaden Flügel her.
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[85/0089] ACh du Saphirne Burg! Du GOttes Lust-Gemach! Wie bringstu meinen Geist an diesen Unglücks-Tag? So hastu gantz und gar dich wider mich entrüstet / Daß sich ein Zorn-Geschick bey meiner Freud einnistet? O Centner-schweres Leyd! Ich leb / und lebe nicht / Indem ein kalter Grauß durch Marck und Sehnen bricht. Der Thon von meiner Wonn’ hat sich in Noht verkehret: Ein todter Nebel hat mein Leben hie gestöhret: Was Wunder / daß ich denn mit so geringer Zier Die Feder führen muß? Ich bin selbst nicht bey mir. Es werden mir so gar die Sternen zu Cometen: Ich schweif’ herum nach Art der trüben Traur-Planeten; Verwirrte Finsterniß umschliesset meinen Muht / Und durch die blasse Furcht erstarret Hertz und Blut. Der rohe Menschen-Fraß zerscheitert meine Seule Daran mein Leben hieng / in allzustrenger Eile. Der Vater meines Heyls macht mich gantz Vaterloß / Auß dessen Munde sonst ein süsser Honig floß. Denn darf mein blöder Geist hie etwas stille stehen Und auff das weite Feld der vielen Güte sehen / So gönnt die Traurigkeit und schlechter Wörter-Satz Zwar selbe nach Verdienst zu preisen keinen Platz. Jedennoch dringet mich mein Hertze und Gewissen / Und will aus Danckbarkeit von keinem Schweigen wissen / Und also rühr ich denn mit wenig Sylben an / Was meine Zung annoch für Schmertzen lallen kan. So offt der Morgen-Glantz die Ober-Welt bestrahlte / Und meinen Hoffnungs-Klee mit holder Anmuht mahlte / So bald war mir der Weg zu diesem Mann gebahnt / Ich selbsten wurd hiezu durch Wollthat angemahnt. Da wurde denn die Schrifft / der Richtigkeiten Siegel / Der Weißheit güldner Schatz und unbefleckter Spiegel Eröffnet und erklärt das rechte GOttes-Bild / Der Wahrheit Schutzpanier / der Frommen Tartsch und Schild. Die Liebe prägte sich durch Reden in die Geister / Das Feur der Wissenschafft blieb Hertzog / Herr und Meister: Der güld’ne Himmels-Mund beströhmte meinen Witz Mit reiner Lehr / und nahm in meinen Sinnen Sitz. Wie mir mein Vater wurd’ in früher Blüht entrissen / Ließ dieser Gottes-Held mir ohn Verdienste wissen / Daß Er die Zuversicht entblößter Zweige wär’ / Und deckte über mich die Gnaden Flügel her.

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Anmerkungen zur Transkription:

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Zitationshilfe: Meyer, Franz Heinrich: Der in Erwegung göttlicher Wollthaten sich recht verhaltende Israeliter. Hildesheim, 1716, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_israeliter_1716/89>, abgerufen am 29.03.2024.