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Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1)

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Bildung von Torfmooren, das Wachstum des Nildelta oder anderer Erd-
schichten), die Grösse der in einer bestimmten Zeit hervorgebrachten Ver-
änderung zu messen suchte, um daraus die Dauer der Gesamtveränderung zu
berechnen. -- Die Resultate weichen aber zu sehr von einander ab, um irgend
eine Sicherheit zu gewähren. Doch scheinen die Zeiträume so gewaltig zu
sein, dass die 5--6000 Jahre menschlicher Geschichte gänzlich dagegen
verschwinden.

§ 7.

Der Zeitraum, welcher seit dem ersten Auftreten des Menschen bis zu
dem Punkte vergangen ist, mit welchem die Geschichte der ältesten Völker
und daher die Geschichte der Menschheit überhaupt beginnt, ist die Prae-
historie
oder Urgeschichte der Menschheit: sie erreicht für die einzelnen
Völker ihr Ende zu sehr verschiedenen Zeiten, da die Völker nach einander
in die Geschichte eintreten. Man kann also auch von der Urgeschichte eines
einzelnen Volkes sprechen.

Zeigte uns nun die Urgeschichte, wie die ursprüngliche eine Menschheit
alsbald sich teilen musste, so erkennen wir doch, dass noch vor der Teilung
derjenige Trieb sich im Menschen geltend machte, der bestimmt ist, die ge-
trennte Menschheit wieder zur Einheit zurückzuführen, der Trieb zur Kultur,
d. h. der Trieb, sein äusseres (materielles) und geistiges Leben unablässig zu
vervollkommnen: das Tier verharrt unabänderlich auf derselben Stufe.

Waren es Schädel- und Knochenfunde, die uns in Verbindung mit der
Thatsache der fünf Rassen die Zerstreuung der Menschheit über die Erde nach-
wiesen, so zeigen uns andere Funde in Verbindung mit einer Betrachtung
derjenigen Völker, die sich nur wenig über den Urzustand erhoben haben,
der sog. Naturvölker, wie sich die Völker, ehe sie in die Geschichte ein-
traten, nach bestimmten Seiten hin entwickelt haben müssen.

In dieser Entwickelung der Menschheit während der Urzeit ist von grosser
Bedeutung zuerst ihr Bekanntwerden mit den Metallen und mit deren
Bearbeitung: das dazu nötige Feuer, in den Sagen vieler Völker auf Ver-
leihung durch Götter oder Halbgötter zurückgeführt, ist dem Menschen wohl
seit seinem Auftreten bekannt gewesen.

Wie schon in § 6 hervorgetreten ist, wurden in ältester Zeit die haupt-
sächlichsten Werkzeuge, wie Axt, Hammer, Messer, Waffen u. a. aus Stein,
namentlich Feuerstein, gefertigt, wo Knochen, Muschelschalen und Fisch-
gräten nicht ausreichten. -- Jedoch mit dem durch seine Härte vorzugsweise
wichtigen Eisen, seiner Gewinnung und Bearbeitung, namentlich zu Stahl,
ist der Mensch meist erst spät bekannt geworden; oft lernte er Kupfer und
Zinn früher kennen, die er, um ein härteres Metall zu erhalten, zu Bronze
zusammenschmolz.

Daher hat man für die Urgeschichte der Völker drei Perioden aufgestellt:

1. die Steinzeit,
2. die Bronzezeit,
3. die Eisenzeit.

Diese Perioden treffen jedoch keineswegs für alle Völker zu, vielmehr
fehlt für viele die Bronzezeit; vereinzelt findet sich Eisengerät auch schon

Bildung von Torfmooren, das Wachstum des Nildelta oder anderer Erd-
schichten), die Gröſse der in einer bestimmten Zeit hervorgebrachten Ver-
änderung zu messen suchte, um daraus die Dauer der Gesamtveränderung zu
berechnen. — Die Resultate weichen aber zu sehr von einander ab, um irgend
eine Sicherheit zu gewähren. Doch scheinen die Zeiträume so gewaltig zu
sein, daſs die 5—6000 Jahre menschlicher Geschichte gänzlich dagegen
verschwinden.

§ 7.

Der Zeitraum, welcher seit dem ersten Auftreten des Menschen bis zu
dem Punkte vergangen ist, mit welchem die Geschichte der ältesten Völker
und daher die Geschichte der Menschheit überhaupt beginnt, ist die Prae-
historie
oder Urgeschichte der Menschheit: sie erreicht für die einzelnen
Völker ihr Ende zu sehr verschiedenen Zeiten, da die Völker nach einander
in die Geschichte eintreten. Man kann also auch von der Urgeschichte eines
einzelnen Volkes sprechen.

Zeigte uns nun die Urgeschichte, wie die ursprüngliche eine Menschheit
alsbald sich teilen muſste, so erkennen wir doch, daſs noch vor der Teilung
derjenige Trieb sich im Menschen geltend machte, der bestimmt ist, die ge-
trennte Menschheit wieder zur Einheit zurückzuführen, der Trieb zur Kultur,
d. h. der Trieb, sein äuſseres (materielles) und geistiges Leben unablässig zu
vervollkommnen: das Tier verharrt unabänderlich auf derselben Stufe.

Waren es Schädel- und Knochenfunde, die uns in Verbindung mit der
Thatsache der fünf Rassen die Zerstreuung der Menschheit über die Erde nach-
wiesen, so zeigen uns andere Funde in Verbindung mit einer Betrachtung
derjenigen Völker, die sich nur wenig über den Urzustand erhoben haben,
der sog. Naturvölker, wie sich die Völker, ehe sie in die Geschichte ein-
traten, nach bestimmten Seiten hin entwickelt haben müssen.

In dieser Entwickelung der Menschheit während der Urzeit ist von groſser
Bedeutung zuerst ihr Bekanntwerden mit den Metallen und mit deren
Bearbeitung: das dazu nötige Feuer, in den Sagen vieler Völker auf Ver-
leihung durch Götter oder Halbgötter zurückgeführt, ist dem Menschen wohl
seit seinem Auftreten bekannt gewesen.

Wie schon in § 6 hervorgetreten ist, wurden in ältester Zeit die haupt-
sächlichsten Werkzeuge, wie Axt, Hammer, Messer, Waffen u. a. aus Stein,
namentlich Feuerstein, gefertigt, wo Knochen, Muschelschalen und Fisch-
gräten nicht ausreichten. — Jedoch mit dem durch seine Härte vorzugsweise
wichtigen Eisen, seiner Gewinnung und Bearbeitung, namentlich zu Stahl,
ist der Mensch meist erst spät bekannt geworden; oft lernte er Kupfer und
Zinn früher kennen, die er, um ein härteres Metall zu erhalten, zu Bronze
zusammenschmolz.

Daher hat man für die Urgeschichte der Völker drei Perioden aufgestellt:

1. die Steinzeit,
2. die Bronzezeit,
3. die Eisenzeit.

Diese Perioden treffen jedoch keineswegs für alle Völker zu, vielmehr
fehlt für viele die Bronzezeit; vereinzelt findet sich Eisengerät auch schon

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[— 6 —/0016] Bildung von Torfmooren, das Wachstum des Nildelta oder anderer Erd- schichten), die Gröſse der in einer bestimmten Zeit hervorgebrachten Ver- änderung zu messen suchte, um daraus die Dauer der Gesamtveränderung zu berechnen. — Die Resultate weichen aber zu sehr von einander ab, um irgend eine Sicherheit zu gewähren. Doch scheinen die Zeiträume so gewaltig zu sein, daſs die 5—6000 Jahre menschlicher Geschichte gänzlich dagegen verschwinden. § 7. Der Zeitraum, welcher seit dem ersten Auftreten des Menschen bis zu dem Punkte vergangen ist, mit welchem die Geschichte der ältesten Völker und daher die Geschichte der Menschheit überhaupt beginnt, ist die Prae- historie oder Urgeschichte der Menschheit: sie erreicht für die einzelnen Völker ihr Ende zu sehr verschiedenen Zeiten, da die Völker nach einander in die Geschichte eintreten. Man kann also auch von der Urgeschichte eines einzelnen Volkes sprechen. Zeigte uns nun die Urgeschichte, wie die ursprüngliche eine Menschheit alsbald sich teilen muſste, so erkennen wir doch, daſs noch vor der Teilung derjenige Trieb sich im Menschen geltend machte, der bestimmt ist, die ge- trennte Menschheit wieder zur Einheit zurückzuführen, der Trieb zur Kultur, d. h. der Trieb, sein äuſseres (materielles) und geistiges Leben unablässig zu vervollkommnen: das Tier verharrt unabänderlich auf derselben Stufe. Waren es Schädel- und Knochenfunde, die uns in Verbindung mit der Thatsache der fünf Rassen die Zerstreuung der Menschheit über die Erde nach- wiesen, so zeigen uns andere Funde in Verbindung mit einer Betrachtung derjenigen Völker, die sich nur wenig über den Urzustand erhoben haben, der sog. Naturvölker, wie sich die Völker, ehe sie in die Geschichte ein- traten, nach bestimmten Seiten hin entwickelt haben müssen. In dieser Entwickelung der Menschheit während der Urzeit ist von groſser Bedeutung zuerst ihr Bekanntwerden mit den Metallen und mit deren Bearbeitung: das dazu nötige Feuer, in den Sagen vieler Völker auf Ver- leihung durch Götter oder Halbgötter zurückgeführt, ist dem Menschen wohl seit seinem Auftreten bekannt gewesen. Wie schon in § 6 hervorgetreten ist, wurden in ältester Zeit die haupt- sächlichsten Werkzeuge, wie Axt, Hammer, Messer, Waffen u. a. aus Stein, namentlich Feuerstein, gefertigt, wo Knochen, Muschelschalen und Fisch- gräten nicht ausreichten. — Jedoch mit dem durch seine Härte vorzugsweise wichtigen Eisen, seiner Gewinnung und Bearbeitung, namentlich zu Stahl, ist der Mensch meist erst spät bekannt geworden; oft lernte er Kupfer und Zinn früher kennen, die er, um ein härteres Metall zu erhalten, zu Bronze zusammenschmolz. Daher hat man für die Urgeschichte der Völker drei Perioden aufgestellt: 1. die Steinzeit, 2. die Bronzezeit, 3. die Eisenzeit. Diese Perioden treffen jedoch keineswegs für alle Völker zu, vielmehr fehlt für viele die Bronzezeit; vereinzelt findet sich Eisengerät auch schon

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Zitationshilfe: Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1), S. — 6 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_geschichte_1890/16>, abgerufen am 06.06.2024.