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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der Rheinborn.
Ich bin den Rhein hinaufgezogen
Durch manches schatt'ge Felsenthor,
Entlang die blauen, frischen Wogen
Zu seinem hohen Quell empor.
Dem hellsten Borne, weit und offen,
Darin ein Ruder weinumlaubt
Sich spiegle, wie ein heiter Hoffen,
Entspring' er leicht, hatt' ich geglaubt.
Ich klomm empor auf schroffen Stiegen,
Verwognen Pfaden, öd und wild,
Und sah mir ihn zu Füßen liegen
Als einen erzgegoßnen Schild.
Fernab von Heerdgeläut und Matten
Lag er in eine Schlucht versenkt,
Bedeckt von schweren Riesenschatten,
Aus Eis und ew'gem Schnee getränkt --
Hier jauchzt kein Senn, hier schallt kein Reigen.
In kurzen, dunkeln Wellchen geht
Der See. Hier wird die Welt zum Schweigen,
Wenn nicht ein Stein in Fall gerät --
Ein Sturz! Ein Schlag! Und aus den Tiefen
Und aus den Wänden brach es los:
Heerwagen rollten! Stimmen riefen
Befehle durch ein Schlachtgetos!

Der Rheinborn.
Ich bin den Rhein hinaufgezogen
Durch manches ſchatt'ge Felſenthor,
Entlang die blauen, friſchen Wogen
Zu ſeinem hohen Quell empor.
Dem hellſten Borne, weit und offen,
Darin ein Ruder weinumlaubt
Sich ſpiegle, wie ein heiter Hoffen,
Entſpring' er leicht, hatt' ich geglaubt.
Ich klomm empor auf ſchroffen Stiegen,
Verwognen Pfaden, öd und wild,
Und ſah mir ihn zu Füßen liegen
Als einen erzgegoßnen Schild.
Fernab von Heerdgeläut und Matten
Lag er in eine Schlucht verſenkt,
Bedeckt von ſchweren Rieſenſchatten,
Aus Eis und ew'gem Schnee getränkt —
Hier jauchzt kein Senn, hier ſchallt kein Reigen.
In kurzen, dunkeln Wellchen geht
Der See. Hier wird die Welt zum Schweigen,
Wenn nicht ein Stein in Fall gerät —
Ein Sturz! Ein Schlag! Und aus den Tiefen
Und aus den Wänden brach es los:
Heerwagen rollten! Stimmen riefen
Befehle durch ein Schlachtgetos!

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[85/0099] Der Rheinborn. Ich bin den Rhein hinaufgezogen Durch manches ſchatt'ge Felſenthor, Entlang die blauen, friſchen Wogen Zu ſeinem hohen Quell empor. Dem hellſten Borne, weit und offen, Darin ein Ruder weinumlaubt Sich ſpiegle, wie ein heiter Hoffen, Entſpring' er leicht, hatt' ich geglaubt. Ich klomm empor auf ſchroffen Stiegen, Verwognen Pfaden, öd und wild, Und ſah mir ihn zu Füßen liegen Als einen erzgegoßnen Schild. Fernab von Heerdgeläut und Matten Lag er in eine Schlucht verſenkt, Bedeckt von ſchweren Rieſenſchatten, Aus Eis und ew'gem Schnee getränkt — Hier jauchzt kein Senn, hier ſchallt kein Reigen. In kurzen, dunkeln Wellchen geht Der See. Hier wird die Welt zum Schweigen, Wenn nicht ein Stein in Fall gerät — Ein Sturz! Ein Schlag! Und aus den Tiefen Und aus den Wänden brach es los: Heerwagen rollten! Stimmen riefen Befehle durch ein Schlachtgetos!

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/99>, abgerufen am 27.11.2024.