Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Es reizt, es quält, es schlüpft, es schmiegt Sich zwischen Edelknecht und Maid, Bis sich das Paar in Armen liegt Zu früher Lust, zu Tod und Leid ... Dem Steffen steigt das Haar. Er starrt Auf ein gespenstig Bacchanal: Die Königskinder hell und zart Verblühen all im Mondenstrahl. "Verloren geht mein himmlisch Theil, Gebrochen ist mein männlich Wort: Nicht bring' an Leib und Seele heil Die Kinder ich nach England dort! Geh nieder, Blanche Nef! Es ragt Links unterm Wasser hier ein Riff ..." Er dreht das Steuer stracks und jagt Der Klippe zu das Sündenschiff. Der König lauscht zurück: "Das scholl Wie Sterbeschrei!" Klar ist der Sund. Ein Korb von welken Blumen voll, Sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund. Es reizt, es quält, es ſchlüpft, es ſchmiegt Sich zwiſchen Edelknecht und Maid, Bis ſich das Paar in Armen liegt Zu früher Luſt, zu Tod und Leid ... Dem Steffen ſteigt das Haar. Er ſtarrt Auf ein geſpenſtig Bacchanal: Die Königskinder hell und zart Verblühen all im Mondenſtrahl. „Verloren geht mein himmliſch Theil, Gebrochen iſt mein männlich Wort: Nicht bring' an Leib und Seele heil Die Kinder ich nach England dort! Geh nieder, Blanche Nef! Es ragt Links unterm Waſſer hier ein Riff ...“ Er dreht das Steuer ſtracks und jagt Der Klippe zu das Sündenſchiff. Der König lauſcht zurück: „Das ſcholl Wie Sterbeſchrei!“ Klar iſt der Sund. Ein Korb von welken Blumen voll, Sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0272" n="258"/> <lg n="18"> <l>Es reizt, es quält, es ſchlüpft, es ſchmiegt</l><lb/> <l>Sich zwiſchen Edelknecht und Maid,</l><lb/> <l>Bis ſich das Paar in Armen liegt</l><lb/> <l>Zu früher Luſt, zu Tod und Leid ...</l><lb/> </lg> <lg n="19"> <l>Dem Steffen ſteigt das Haar. Er ſtarrt</l><lb/> <l>Auf ein geſpenſtig Bacchanal:</l><lb/> <l>Die Königskinder hell und zart</l><lb/> <l>Verblühen all im Mondenſtrahl.</l><lb/> </lg> <lg n="20"> <l>„Verloren geht mein himmliſch Theil,</l><lb/> <l>Gebrochen iſt mein männlich Wort:</l><lb/> <l>Nicht bring' an Leib und Seele heil</l><lb/> <l>Die Kinder ich nach England dort!</l><lb/> </lg> <lg n="21"> <l>Geh nieder, Blanche Nef! Es ragt</l><lb/> <l>Links unterm Waſſer hier ein Riff ...“</l><lb/> <l>Er dreht das Steuer ſtracks und jagt</l><lb/> <l>Der Klippe zu das Sündenſchiff.</l><lb/> </lg> <lg n="22"> <l>Der König lauſcht zurück: „Das ſcholl</l><lb/> <l>Wie Sterbeſchrei!“ Klar iſt der Sund.</l><lb/> <l>Ein Korb von welken Blumen voll,</l><lb/> <l>Sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0272]
Es reizt, es quält, es ſchlüpft, es ſchmiegt
Sich zwiſchen Edelknecht und Maid,
Bis ſich das Paar in Armen liegt
Zu früher Luſt, zu Tod und Leid ...
Dem Steffen ſteigt das Haar. Er ſtarrt
Auf ein geſpenſtig Bacchanal:
Die Königskinder hell und zart
Verblühen all im Mondenſtrahl.
„Verloren geht mein himmliſch Theil,
Gebrochen iſt mein männlich Wort:
Nicht bring' an Leib und Seele heil
Die Kinder ich nach England dort!
Geh nieder, Blanche Nef! Es ragt
Links unterm Waſſer hier ein Riff ...“
Er dreht das Steuer ſtracks und jagt
Der Klippe zu das Sündenſchiff.
Der König lauſcht zurück: „Das ſcholl
Wie Sterbeſchrei!“ Klar iſt der Sund.
Ein Korb von welken Blumen voll,
Sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund.
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