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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Gemach verlosch das Abendrot,
Des Tages Gluten schliefen ein,
Ausbreitet' über Meer und Boot
Der Mond den bleichen Geisterschein.
Die See ist wunderlich erregt.
Was wandert um des Kieles Lauf?
Von Armen wird die Flut bewegt,
Beglänzte Nacken tauchen auf.
Der Steffen ernst am Steuer stand:
"Das Meer ist klar, doch droht Gefahr ..."
Er deutet mit gestreckter Hand:
"Da naht sie schon, die Nixenschaar!"
Umklammert hält den schrägen Mast
Ein blanker Leib als Schiffsfigur,
Daß Blanche Nef, von Graun erfaßt,
In wilder Flucht von dannen fuhr.
-- "Ich warne junge Herrlichkeit,
Vergeßt die Nachtgebete nicht!"
-- "Ei Steffen, Kind der alten Zeit,
Süß herzt es sich im Mondenlicht" ...
Es klimmt und überklimmt das Bord,
Es läßt sich nieder aus den Taun,
Es kichert wie ein freches Wort,
Es schaudert wie ein lüstern Graun ...
C. F. Meyer, Gedichte. 17
Gemach verloſch das Abendrot,
Des Tages Gluten ſchliefen ein,
Ausbreitet' über Meer und Boot
Der Mond den bleichen Geiſterſchein.
Die See iſt wunderlich erregt.
Was wandert um des Kieles Lauf?
Von Armen wird die Flut bewegt,
Beglänzte Nacken tauchen auf.
Der Steffen ernſt am Steuer ſtand:
„Das Meer iſt klar, doch droht Gefahr ...“
Er deutet mit geſtreckter Hand:
„Da naht ſie ſchon, die Nixenſchaar!“
Umklammert hält den ſchrägen Maſt
Ein blanker Leib als Schiffsfigur,
Daß Blanche Nef, von Graun erfaßt,
In wilder Flucht von dannen fuhr.
— „Ich warne junge Herrlichkeit,
Vergeßt die Nachtgebete nicht!“
— „Ei Steffen, Kind der alten Zeit,
Süß herzt es ſich im Mondenlicht“ ...
Es klimmt und überklimmt das Bord,
Es läßt ſich nieder aus den Taun,
Es kichert wie ein freches Wort,
Es ſchaudert wie ein lüſtern Graun ...
C. F. Meyer, Gedichte. 17
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[257/0271] Gemach verloſch das Abendrot, Des Tages Gluten ſchliefen ein, Ausbreitet' über Meer und Boot Der Mond den bleichen Geiſterſchein. Die See iſt wunderlich erregt. Was wandert um des Kieles Lauf? Von Armen wird die Flut bewegt, Beglänzte Nacken tauchen auf. Der Steffen ernſt am Steuer ſtand: „Das Meer iſt klar, doch droht Gefahr ...“ Er deutet mit geſtreckter Hand: „Da naht ſie ſchon, die Nixenſchaar!“ Umklammert hält den ſchrägen Maſt Ein blanker Leib als Schiffsfigur, Daß Blanche Nef, von Graun erfaßt, In wilder Flucht von dannen fuhr. — „Ich warne junge Herrlichkeit, Vergeßt die Nachtgebete nicht!“ — „Ei Steffen, Kind der alten Zeit, Süß herzt es ſich im Mondenlicht“ ... Es klimmt und überklimmt das Bord, Es läßt ſich nieder aus den Taun, Es kichert wie ein freches Wort, Es ſchaudert wie ein lüſtern Graun ... C. F. Meyer, Gedichte. 17

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/271>, abgerufen am 24.11.2024.