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Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

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ihn im Gleichgewichte hielt. Jn beiden Fällen aber würde er nicht
die geringste Last zu tragen im Stande sein.

Fig. 333. zeigt eine Bedeckung durch Ueberkragung der ein-
zelnen Steine.

Fig. 334. eine eben solche durch 2 schräg gegeneinander ge-
stellte Steine, wobei schon ein Fugenschnitt nach einem gemeinschaft-
lichen Mittelpunkte stattfindet.

Fig. 335. endlich bedarf in den drei Stücken AB., BC.
und CD. schon eines vollständigen Fugenschnittes nach dem Punkte
M., wenn die einzelnen Stücken einander stützen und tragen sollen.

§. 38. Gewölbelinien.

Man versteht darunter jede gekrümmte Linie, nach welcher eine
Gewölbefläche gebogen und nach welcher der Fugenschnitt angeordnet ist.

Der Halbkreis ist höchst wahrscheinlich diejenige Linie gewe-
sen, nach welcher man Wölbungen zuerst angeordnet hat und zwar aus
zweierlei Gründen:

Erstens war man mit dem Fugenschnitte desselben schon
durch die zirkelrunde Grundrißform z. B. der Schatzhäuser bekannt
geworden (§. 37. 1), und es bedurfte nur des Umstandes, daß man
den bisher wagerecht im Grundriß angewendeten Bogen in senkrechter
Stellung versuchte, um den ersten und wichtigsten Schritt zur Wöl-
bung mit Fugenschnitt gethan zu haben.

Zweitens spricht die im Alterthume fast ausschließliche Anwen-
dung des Halbkreises und der Kreislinie überhaupt dafür, daß sie
die ersten waren, welche angewendet wurden, obgleich man sehr früh
auch andere Bogenlinien angewendet findet, wie den Spitzbogen, den
sogenannten Hufeisenbogen etc. (siehe Kunstblatt Nro. 9. 1846).

Die Gewohnheit im Alterthume mit großen Quadern (Hau-
steinen, Schnittsteinen) zu bauen, veranlaßte, daß zuerst die Gewölbe
ohne Mörtel in dieser Weise aufgerichtet wurden.

Das erste Bedürfniß einen Bogen zu wölben trat wohl da ein,
wo man eine große Oeffnung in einer Mauer, wie etwa bei Stadt-
thoren bilden wollte. Hieraus entstanden die sogenannten Gurtbö-
gen.
Als diese Anordnung gelungen war, versuchte man ein solches
Gewölbe zu verlängern, und es ergab sich daraus das sogenannte
Tonnengewölbe, welches einen halben hohlen Cylinder bildet.

Aus der rechtwinkligen Durchschneidung zweier Tonnengewölbe
entstand die sogenannte Kreuzkappe, und aus der Ueberwölbung
eines zirkelrunden Raumes, oder aus der Umdrehung eines Viertel-

ihn im Gleichgewichte hielt. Jn beiden Fällen aber würde er nicht
die geringſte Laſt zu tragen im Stande ſein.

Fig. 333. zeigt eine Bedeckung durch Ueberkragung der ein-
zelnen Steine.

Fig. 334. eine eben ſolche durch 2 ſchräg gegeneinander ge-
ſtellte Steine, wobei ſchon ein Fugenſchnitt nach einem gemeinſchaft-
lichen Mittelpunkte ſtattfindet.

Fig. 335. endlich bedarf in den drei Stücken AB., BC.
und CD. ſchon eines vollſtändigen Fugenſchnittes nach dem Punkte
M., wenn die einzelnen Stücken einander ſtützen und tragen ſollen.

§. 38. Gewölbelinien.

Man verſteht darunter jede gekrümmte Linie, nach welcher eine
Gewölbefläche gebogen und nach welcher der Fugenſchnitt angeordnet iſt.

Der Halbkreis iſt höchſt wahrſcheinlich diejenige Linie gewe-
ſen, nach welcher man Wölbungen zuerſt angeordnet hat und zwar aus
zweierlei Gründen:

Erſtens war man mit dem Fugenſchnitte deſſelben ſchon
durch die zirkelrunde Grundrißform z. B. der Schatzhäuſer bekannt
geworden (§. 37. 1), und es bedurfte nur des Umſtandes, daß man
den bisher wagerecht im Grundriß angewendeten Bogen in ſenkrechter
Stellung verſuchte, um den erſten und wichtigſten Schritt zur Wöl-
bung mit Fugenſchnitt gethan zu haben.

Zweitens ſpricht die im Alterthume faſt ausſchließliche Anwen-
dung des Halbkreiſes und der Kreislinie überhaupt dafür, daß ſie
die erſten waren, welche angewendet wurden, obgleich man ſehr früh
auch andere Bogenlinien angewendet findet, wie den Spitzbogen, den
ſogenannten Hufeiſenbogen ꝛc. (ſiehe Kunſtblatt Nro. 9. 1846).

Die Gewohnheit im Alterthume mit großen Quadern (Hau-
ſteinen, Schnittſteinen) zu bauen, veranlaßte, daß zuerſt die Gewölbe
ohne Mörtel in dieſer Weiſe aufgerichtet wurden.

Das erſte Bedürfniß einen Bogen zu wölben trat wohl da ein,
wo man eine große Oeffnung in einer Mauer, wie etwa bei Stadt-
thoren bilden wollte. Hieraus entſtanden die ſogenannten Gurtbö-
gen.
Als dieſe Anordnung gelungen war, verſuchte man ein ſolches
Gewölbe zu verlängern, und es ergab ſich daraus das ſogenannte
Tonnengewölbe, welches einen halben hohlen Cylinder bildet.

Aus der rechtwinkligen Durchſchneidung zweier Tonnengewölbe
entſtand die ſogenannte Kreuzkappe, und aus der Ueberwölbung
eines zirkelrunden Raumes, oder aus der Umdrehung eines Viertel-

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[164/0174] ihn im Gleichgewichte hielt. Jn beiden Fällen aber würde er nicht die geringſte Laſt zu tragen im Stande ſein. Fig. 333. zeigt eine Bedeckung durch Ueberkragung der ein- zelnen Steine. Fig. 334. eine eben ſolche durch 2 ſchräg gegeneinander ge- ſtellte Steine, wobei ſchon ein Fugenſchnitt nach einem gemeinſchaft- lichen Mittelpunkte ſtattfindet. Fig. 335. endlich bedarf in den drei Stücken AB., BC. und CD. ſchon eines vollſtändigen Fugenſchnittes nach dem Punkte M., wenn die einzelnen Stücken einander ſtützen und tragen ſollen. §. 38. Gewölbelinien. Man verſteht darunter jede gekrümmte Linie, nach welcher eine Gewölbefläche gebogen und nach welcher der Fugenſchnitt angeordnet iſt. Der Halbkreis iſt höchſt wahrſcheinlich diejenige Linie gewe- ſen, nach welcher man Wölbungen zuerſt angeordnet hat und zwar aus zweierlei Gründen: Erſtens war man mit dem Fugenſchnitte deſſelben ſchon durch die zirkelrunde Grundrißform z. B. der Schatzhäuſer bekannt geworden (§. 37. 1), und es bedurfte nur des Umſtandes, daß man den bisher wagerecht im Grundriß angewendeten Bogen in ſenkrechter Stellung verſuchte, um den erſten und wichtigſten Schritt zur Wöl- bung mit Fugenſchnitt gethan zu haben. Zweitens ſpricht die im Alterthume faſt ausſchließliche Anwen- dung des Halbkreiſes und der Kreislinie überhaupt dafür, daß ſie die erſten waren, welche angewendet wurden, obgleich man ſehr früh auch andere Bogenlinien angewendet findet, wie den Spitzbogen, den ſogenannten Hufeiſenbogen ꝛc. (ſiehe Kunſtblatt Nro. 9. 1846). Die Gewohnheit im Alterthume mit großen Quadern (Hau- ſteinen, Schnittſteinen) zu bauen, veranlaßte, daß zuerſt die Gewölbe ohne Mörtel in dieſer Weiſe aufgerichtet wurden. Das erſte Bedürfniß einen Bogen zu wölben trat wohl da ein, wo man eine große Oeffnung in einer Mauer, wie etwa bei Stadt- thoren bilden wollte. Hieraus entſtanden die ſogenannten Gurtbö- gen. Als dieſe Anordnung gelungen war, verſuchte man ein ſolches Gewölbe zu verlängern, und es ergab ſich daraus das ſogenannte Tonnengewölbe, welches einen halben hohlen Cylinder bildet. Aus der rechtwinkligen Durchſchneidung zweier Tonnengewölbe entſtand die ſogenannte Kreuzkappe, und aus der Ueberwölbung eines zirkelrunden Raumes, oder aus der Umdrehung eines Viertel-

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Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/174>, abgerufen am 24.11.2024.