Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

entstehen, welche durch die geringste Gewalt leicht umgestoßen werden
können und, bei großer verhältnißmäßiger Höhe, auch wohl von selbst
umfallen werden. Die Steine liegen in diesem Falle nicht im Ver-
bande.

Denkt man sich dieselbe Mauer so eingerichtet, daß die Seiten-
fugen nach senkrechter Linie nicht auf einander treffen, sondern im
Verbande liegen, so wird die Mauer eine ungleich größere Festig-
keit haben, und diese eben wird durch den Mauerverband bewirkt.
Den Versuch kann man leicht mit Ziegeln (oder auch mit kleinen höl-
zernen Bausteinen) machen.

Ob die Steine dabei mit Mörtel verbunden sind oder nicht,
gilt für die Wahrheit dieses Satzes gleich; denn wenn der Mörtel
noch naß ist, wird ebenfalls eine geringe Kraft im Stande sein eine
Mauer ohne Verband umzustoßen, und wenn der Mörtel auch
schon gebunden hätte, so wird bei einer Mauer ohne Verband
eben nur die Bindekraft des Mörtels Widerstand leisten, nicht aber
der Verband der Steine
selbst. Es würde demnach auch eine
so aufgeführte Mauer nur eine schlechte Haltbarkeit haben. Es er-
hellt zugleich hieraus, daß der sogenannte Verband der Steinfugen
nicht blos nach der Höhe der Mauer, sondern auch nach der Dicke
derselben stattfinden müsse, wenn die Mauer Festigkeit erhalten soll.

Von den verschiedenen Arten des Mauerverbandes werden wir
weiter unten ausführlicher handeln. Das Vorangeschickte hierüber
war nur zur besseren Verständlichkeit des nunmehr folgenden gesagt
worden.

Die Standfähigkeit (Stabilität) einer Mauer ist eben-
falls eine Hauptbedingung ihrer Festigkeit und Dauer.

Nach Erfahrungssätzen rechnet man für die Dicke einer Mauer
bis ihrer Höhe.

Hiernach müßte also eine Mauer von 12 Fuß Höhe minde-
stens
1 Fuß stark sein.

Die Standfähigkeit einer Mauer hängt aber nicht allein von ih-
rer verhältnißmäßigen Dicke zur Höhe ab, sondern auch von ihrer
Länge (in gerader Linie gerechnet). Man kann annehmen, daß jede
Mauer von 10 Fuß Höhe bei einer Länge von 20 Fuß und bei einer
Stärke von 1 Fuß, die größte Länge erreicht haben würde, um
noch ohne weiteren Haltpunkt festzustehen. Würde sie länger als 20
Fuß, so müßte sie entweder einen Verstärkungspfeiler erhalten, oder
eine Quermauer müßte auf diesem Punkte ihrer Standfähigkeit zu
Hülfe kommen.

entſtehen, welche durch die geringſte Gewalt leicht umgeſtoßen werden
können und, bei großer verhältnißmäßiger Höhe, auch wohl von ſelbſt
umfallen werden. Die Steine liegen in dieſem Falle nicht im Ver-
bande.

Denkt man ſich dieſelbe Mauer ſo eingerichtet, daß die Seiten-
fugen nach ſenkrechter Linie nicht auf einander treffen, ſondern im
Verbande liegen, ſo wird die Mauer eine ungleich größere Feſtig-
keit haben, und dieſe eben wird durch den Mauerverband bewirkt.
Den Verſuch kann man leicht mit Ziegeln (oder auch mit kleinen höl-
zernen Bauſteinen) machen.

Ob die Steine dabei mit Mörtel verbunden ſind oder nicht,
gilt für die Wahrheit dieſes Satzes gleich; denn wenn der Mörtel
noch naß iſt, wird ebenfalls eine geringe Kraft im Stande ſein eine
Mauer ohne Verband umzuſtoßen, und wenn der Mörtel auch
ſchon gebunden hätte, ſo wird bei einer Mauer ohne Verband
eben nur die Bindekraft des Mörtels Widerſtand leiſten, nicht aber
der Verband der Steine
ſelbſt. Es würde demnach auch eine
ſo aufgeführte Mauer nur eine ſchlechte Haltbarkeit haben. Es er-
hellt zugleich hieraus, daß der ſogenannte Verband der Steinfugen
nicht blos nach der Höhe der Mauer, ſondern auch nach der Dicke
derſelben ſtattfinden müſſe, wenn die Mauer Feſtigkeit erhalten ſoll.

Von den verſchiedenen Arten des Mauerverbandes werden wir
weiter unten ausführlicher handeln. Das Vorangeſchickte hierüber
war nur zur beſſeren Verſtändlichkeit des nunmehr folgenden geſagt
worden.

Die Standfähigkeit (Stabilität) einer Mauer iſt eben-
falls eine Hauptbedingung ihrer Feſtigkeit und Dauer.

Nach Erfahrungsſätzen rechnet man für die Dicke einer Mauer
bis ihrer Höhe.

Hiernach müßte alſo eine Mauer von 12 Fuß Höhe minde-
ſtens
1 Fuß ſtark ſein.

Die Standfähigkeit einer Mauer hängt aber nicht allein von ih-
rer verhältnißmäßigen Dicke zur Höhe ab, ſondern auch von ihrer
Länge (in gerader Linie gerechnet). Man kann annehmen, daß jede
Mauer von 10 Fuß Höhe bei einer Länge von 20 Fuß und bei einer
Stärke von 1 Fuß, die größte Länge erreicht haben würde, um
noch ohne weiteren Haltpunkt feſtzuſtehen. Würde ſie länger als 20
Fuß, ſo müßte ſie entweder einen Verſtärkungspfeiler erhalten, oder
eine Quermauer müßte auf dieſem Punkte ihrer Standfähigkeit zu
Hülfe kommen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="105"/>
ent&#x017F;tehen, welche durch die gering&#x017F;te Gewalt leicht umge&#x017F;toßen werden<lb/>
können und, bei großer verhältnißmäßiger Höhe, auch wohl von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
umfallen werden. Die Steine liegen in die&#x017F;em Falle nicht im <hi rendition="#g">Ver-<lb/>
bande.</hi></p><lb/>
          <p>Denkt man &#x017F;ich die&#x017F;elbe Mauer &#x017F;o eingerichtet, daß die Seiten-<lb/>
fugen nach &#x017F;enkrechter Linie <hi rendition="#g">nicht</hi> auf einander treffen, &#x017F;ondern im<lb/>
Verbande liegen, &#x017F;o wird die Mauer eine ungleich größere Fe&#x017F;tig-<lb/>
keit haben, und die&#x017F;e eben wird durch den Mauerverband bewirkt.<lb/>
Den Ver&#x017F;uch kann man leicht mit Ziegeln (oder auch mit kleinen höl-<lb/>
zernen Bau&#x017F;teinen) machen.</p><lb/>
          <p>Ob die Steine dabei mit Mörtel verbunden &#x017F;ind oder nicht,<lb/>
gilt für die Wahrheit die&#x017F;es Satzes gleich; denn wenn der Mörtel<lb/>
noch naß i&#x017F;t, wird ebenfalls eine geringe Kraft im Stande &#x017F;ein eine<lb/>
Mauer <hi rendition="#g">ohne Verband</hi> umzu&#x017F;toßen, und wenn der Mörtel auch<lb/>
&#x017F;chon gebunden hätte, &#x017F;o wird bei einer Mauer <hi rendition="#g">ohne Verband</hi><lb/>
eben nur die Bindekraft des Mörtels Wider&#x017F;tand lei&#x017F;ten, <hi rendition="#g">nicht aber<lb/>
der Verband der Steine</hi> &#x017F;elb&#x017F;t. Es würde demnach auch eine<lb/>
&#x017F;o aufgeführte Mauer nur eine &#x017F;chlechte Haltbarkeit haben. Es er-<lb/>
hellt zugleich hieraus, daß der &#x017F;ogenannte Verband der Steinfugen<lb/>
nicht blos nach der Höhe der Mauer, &#x017F;ondern auch nach der Dicke<lb/>
der&#x017F;elben &#x017F;tattfinden mü&#x017F;&#x017F;e, wenn die Mauer Fe&#x017F;tigkeit erhalten &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Von den ver&#x017F;chiedenen Arten des Mauerverbandes werden wir<lb/>
weiter unten ausführlicher handeln. Das Vorange&#x017F;chickte hierüber<lb/>
war nur zur be&#x017F;&#x017F;eren Ver&#x017F;tändlichkeit des nunmehr folgenden ge&#x017F;agt<lb/>
worden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Die Standfähigkeit (Stabilität)</hi> einer Mauer i&#x017F;t eben-<lb/>
falls eine Hauptbedingung ihrer Fe&#x017F;tigkeit und Dauer.</p><lb/>
          <p>Nach Erfahrungs&#x017F;ätzen rechnet man für die Dicke einer Mauer<lb/><formula notation="TeX"> \frac {1}{10}</formula> bis <formula notation="TeX"> \frac {1}{12}</formula> ihrer Höhe.</p><lb/>
          <p>Hiernach müßte al&#x017F;o eine Mauer von 12 Fuß Höhe <hi rendition="#g">minde-<lb/>
&#x017F;tens</hi> 1 Fuß &#x017F;tark &#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Die Standfähigkeit einer Mauer hängt aber nicht allein von ih-<lb/>
rer verhältnißmäßigen Dicke zur Höhe ab, &#x017F;ondern auch von ihrer<lb/>
Länge (in gerader Linie gerechnet). Man kann annehmen, daß jede<lb/>
Mauer von 10 Fuß Höhe bei einer Länge von 20 Fuß und bei einer<lb/>
Stärke von 1 Fuß, die größte Länge erreicht haben würde, um<lb/>
noch ohne weiteren Haltpunkt fe&#x017F;tzu&#x017F;tehen. Würde &#x017F;ie länger als 20<lb/>
Fuß, &#x017F;o müßte &#x017F;ie entweder einen Ver&#x017F;tärkungspfeiler erhalten, oder<lb/>
eine Quermauer müßte auf die&#x017F;em Punkte ihrer Standfähigkeit zu<lb/>
Hülfe kommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0115] entſtehen, welche durch die geringſte Gewalt leicht umgeſtoßen werden können und, bei großer verhältnißmäßiger Höhe, auch wohl von ſelbſt umfallen werden. Die Steine liegen in dieſem Falle nicht im Ver- bande. Denkt man ſich dieſelbe Mauer ſo eingerichtet, daß die Seiten- fugen nach ſenkrechter Linie nicht auf einander treffen, ſondern im Verbande liegen, ſo wird die Mauer eine ungleich größere Feſtig- keit haben, und dieſe eben wird durch den Mauerverband bewirkt. Den Verſuch kann man leicht mit Ziegeln (oder auch mit kleinen höl- zernen Bauſteinen) machen. Ob die Steine dabei mit Mörtel verbunden ſind oder nicht, gilt für die Wahrheit dieſes Satzes gleich; denn wenn der Mörtel noch naß iſt, wird ebenfalls eine geringe Kraft im Stande ſein eine Mauer ohne Verband umzuſtoßen, und wenn der Mörtel auch ſchon gebunden hätte, ſo wird bei einer Mauer ohne Verband eben nur die Bindekraft des Mörtels Widerſtand leiſten, nicht aber der Verband der Steine ſelbſt. Es würde demnach auch eine ſo aufgeführte Mauer nur eine ſchlechte Haltbarkeit haben. Es er- hellt zugleich hieraus, daß der ſogenannte Verband der Steinfugen nicht blos nach der Höhe der Mauer, ſondern auch nach der Dicke derſelben ſtattfinden müſſe, wenn die Mauer Feſtigkeit erhalten ſoll. Von den verſchiedenen Arten des Mauerverbandes werden wir weiter unten ausführlicher handeln. Das Vorangeſchickte hierüber war nur zur beſſeren Verſtändlichkeit des nunmehr folgenden geſagt worden. Die Standfähigkeit (Stabilität) einer Mauer iſt eben- falls eine Hauptbedingung ihrer Feſtigkeit und Dauer. Nach Erfahrungsſätzen rechnet man für die Dicke einer Mauer [FORMEL] bis [FORMEL] ihrer Höhe. Hiernach müßte alſo eine Mauer von 12 Fuß Höhe minde- ſtens 1 Fuß ſtark ſein. Die Standfähigkeit einer Mauer hängt aber nicht allein von ih- rer verhältnißmäßigen Dicke zur Höhe ab, ſondern auch von ihrer Länge (in gerader Linie gerechnet). Man kann annehmen, daß jede Mauer von 10 Fuß Höhe bei einer Länge von 20 Fuß und bei einer Stärke von 1 Fuß, die größte Länge erreicht haben würde, um noch ohne weiteren Haltpunkt feſtzuſtehen. Würde ſie länger als 20 Fuß, ſo müßte ſie entweder einen Verſtärkungspfeiler erhalten, oder eine Quermauer müßte auf dieſem Punkte ihrer Standfähigkeit zu Hülfe kommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/115
Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/115>, abgerufen am 25.11.2024.