delssperren mitten in unsrem Binnenlande. Der große Vortheil des Volks wird dem kleinen des Fiscus aufgeopfert.
Die moralische Wirkung des physiokratischen und des Handels-Systems ist unermeßlich und bezeichnet den Charakter des jetzt lebenden Geschlechts mehr als alles andre. Das ganze Dichten und Trachten einer unzählbaren Mehrheit der Menschen läuft auf physi¬ schen Genuß, oder auch nur auf den Erwerb der dazu erforderlichen Mittel hinaus. Alles will durch Industrie oder Handel Geld erwerben, um zu genie¬ ßen, oder gar nur, um zu haben, denn gemeine See¬ len verwechseln nur zu oft den bloßen Reichthum mit dem Genuß, den sie sich dadurch verschaffen könnten. Wenn allerdings der Reichthum jedes Schöne und Große zu unterstützen geeignet ist, so dient er doch nur als Mittel. Wenn er aber nur dient, den gemeinen Ge¬ nüssen und Lüsten zu fröhnen, oder gar zum Zweck erhoben wird, ist er durchaus verderblich. Der jetzt herrschende Luxus und die Genußsucht, die sich fast aller Stände bemächtigt hat, ist ein geringeres Übel, als die Habgier. Diese ist ganz gemein und schänd¬ lich, und verderbt die Menschen von Grund aus. Verschwenderisch und luxuriös waren die Menschen von jeher, sobald sie etwas hatten, aber so habgie¬ rig und wucherisch sind sie noch nie gewesen, als jetzt. Nicht das Genießen ist jetzt die Hauptsache, sondern nur das Erwerben. Über dem Eifer, zum Besitz zu gelangen, vergißt man ganz den Genuß.
delsſperren mitten in unſrem Binnenlande. Der große Vortheil des Volks wird dem kleinen des Fiscus aufgeopfert.
Die moraliſche Wirkung des phyſiokratiſchen und des Handels-Syſtems iſt unermeßlich und bezeichnet den Charakter des jetzt lebenden Geſchlechts mehr als alles andre. Das ganze Dichten und Trachten einer unzaͤhlbaren Mehrheit der Menſchen laͤuft auf phyſi¬ ſchen Genuß, oder auch nur auf den Erwerb der dazu erforderlichen Mittel hinaus. Alles will durch Induſtrie oder Handel Geld erwerben, um zu genie¬ ßen, oder gar nur, um zu haben, denn gemeine See¬ len verwechſeln nur zu oft den bloßen Reichthum mit dem Genuß, den ſie ſich dadurch verſchaffen koͤnnten. Wenn allerdings der Reichthum jedes Schoͤne und Große zu unterſtuͤtzen geeignet iſt, ſo dient er doch nur als Mittel. Wenn er aber nur dient, den gemeinen Ge¬ nuͤſſen und Luͤſten zu froͤhnen, oder gar zum Zweck erhoben wird, iſt er durchaus verderblich. Der jetzt herrſchende Luxus und die Genußſucht, die ſich faſt aller Staͤnde bemaͤchtigt hat, iſt ein geringeres Übel, als die Habgier. Dieſe iſt ganz gemein und ſchaͤnd¬ lich, und verderbt die Menſchen von Grund aus. Verſchwenderiſch und luxurioͤs waren die Menſchen von jeher, ſobald ſie etwas hatten, aber ſo habgie¬ rig und wucheriſch ſind ſie noch nie geweſen, als jetzt. Nicht das Genießen iſt jetzt die Hauptſache, ſondern nur das Erwerben. Über dem Eifer, zum Beſitz zu gelangen, vergißt man ganz den Genuß.
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delsſperren mitten in unſrem Binnenlande. Der große
Vortheil des Volks wird dem kleinen des Fiscus
aufgeopfert.
Die moraliſche Wirkung des phyſiokratiſchen und
des Handels-Syſtems iſt unermeßlich und bezeichnet
den Charakter des jetzt lebenden Geſchlechts mehr als
alles andre. Das ganze Dichten und Trachten einer
unzaͤhlbaren Mehrheit der Menſchen laͤuft auf phyſi¬
ſchen Genuß, oder auch nur auf den Erwerb der
dazu erforderlichen Mittel hinaus. Alles will durch
Induſtrie oder Handel Geld erwerben, um zu genie¬
ßen, oder gar nur, um zu haben, denn gemeine See¬
len verwechſeln nur zu oft den bloßen Reichthum mit
dem Genuß, den ſie ſich dadurch verſchaffen koͤnnten.
Wenn allerdings der Reichthum jedes Schoͤne und
Große zu unterſtuͤtzen geeignet iſt, ſo dient er doch nur
als Mittel. Wenn er aber nur dient, den gemeinen Ge¬
nuͤſſen und Luͤſten zu froͤhnen, oder gar zum Zweck
erhoben wird, iſt er durchaus verderblich. Der jetzt
herrſchende Luxus und die Genußſucht, die ſich faſt
aller Staͤnde bemaͤchtigt hat, iſt ein geringeres Übel,
als die Habgier. Dieſe iſt ganz gemein und ſchaͤnd¬
lich, und verderbt die Menſchen von Grund aus.
Verſchwenderiſch und luxurioͤs waren die Menſchen
von jeher, ſobald ſie etwas hatten, aber ſo habgie¬
rig und wucheriſch ſind ſie noch nie geweſen, als
jetzt. Nicht das Genießen iſt jetzt die Hauptſache,
ſondern nur das Erwerben. Über dem Eifer, zum
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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