analytisch, und zersetzt die gegebne Einheit des Le¬ bens wie der Charaktere. Er dringt mit der Em¬ pfindung in die tiefsten Falten der feinsten Theile ein. Nur indem Jean Paul die äußere Haltung auf¬ giebt, kann er in ein psychologisches Detail eingehn, und wenn er wirklich seine Charaktere gehörig hätte abrunden und in die Anordnung seiner Romane mehr Symmetrie und Proportion bringen wollen, so würde er von seinem schönsten und reichsten Detail, von sei¬ nen Ausschweifungen und Episoden gerade das beste haben wegschneiden müssen. Überdem herrscht im Hu¬ mor die subjective Ansicht durchgängig vor, und es wäre einseitig, zu den Schönheiten, welche sie dar¬ bietet, noch andre zu verlangen, welche mit ihr im Widerspruch stehn, und welche wir bei andern Dich¬ tern suchen und finden können. Was man übrigens von der Fehlerhaftigkeit seiner allzu häufigen und ge¬ lehrten Metaphern gesagt hat, so kann man dieselbe wohl zugeben, ohne sich allzusehr daran zu stoßen. Wir würden jedem gern seine Manier verzeihen, wenn er nur ein Jean Paul wäre, und ein Fehler des Reichthums ist immer besser, als einer der Armuth.
Das Rühmlichste, was wir Jean Paul nachsa¬ gen müssen und was ihn mit den edelsten Männern der Nation in eine Reihe stellt, ist der Adel seiner Gesinnung, seine reine Tugend, und das Feuer edler Leidenschaft, der ethische Ingrimm gegen das Laster, jene erhabenen Eigenschaften des Charakters, die er vorzüglich mit Schiller getheilt hat. Auch Jean Paul
analytiſch, und zerſetzt die gegebne Einheit des Le¬ bens wie der Charaktere. Er dringt mit der Em¬ pfindung in die tiefſten Falten der feinſten Theile ein. Nur indem Jean Paul die aͤußere Haltung auf¬ giebt, kann er in ein pſychologiſches Detail eingehn, und wenn er wirklich ſeine Charaktere gehoͤrig haͤtte abrunden und in die Anordnung ſeiner Romane mehr Symmetrie und Proportion bringen wollen, ſo wuͤrde er von ſeinem ſchoͤnſten und reichſten Detail, von ſei¬ nen Ausſchweifungen und Epiſoden gerade das beſte haben wegſchneiden muͤſſen. Überdem herrſcht im Hu¬ mor die ſubjective Anſicht durchgaͤngig vor, und es waͤre einſeitig, zu den Schoͤnheiten, welche ſie dar¬ bietet, noch andre zu verlangen, welche mit ihr im Widerſpruch ſtehn, und welche wir bei andern Dich¬ tern ſuchen und finden koͤnnen. Was man uͤbrigens von der Fehlerhaftigkeit ſeiner allzu haͤufigen und ge¬ lehrten Metaphern geſagt hat, ſo kann man dieſelbe wohl zugeben, ohne ſich allzuſehr daran zu ſtoßen. Wir wuͤrden jedem gern ſeine Manier verzeihen, wenn er nur ein Jean Paul waͤre, und ein Fehler des Reichthums iſt immer beſſer, als einer der Armuth.
Das Ruͤhmlichſte, was wir Jean Paul nachſa¬ gen muͤſſen und was ihn mit den edelſten Maͤnnern der Nation in eine Reihe ſtellt, iſt der Adel ſeiner Geſinnung, ſeine reine Tugend, und das Feuer edler Leidenſchaft, der ethiſche Ingrimm gegen das Laſter, jene erhabenen Eigenſchaften des Charakters, die er vorzuͤglich mit Schiller getheilt hat. Auch Jean Paul
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analytiſch, und zerſetzt die gegebne Einheit des Le¬
bens wie der Charaktere. Er dringt mit der Em¬
pfindung in die tiefſten Falten der feinſten Theile
ein. Nur indem Jean Paul die aͤußere Haltung auf¬
giebt, kann er in ein pſychologiſches Detail eingehn,
und wenn er wirklich ſeine Charaktere gehoͤrig haͤtte
abrunden und in die Anordnung ſeiner Romane mehr
Symmetrie und Proportion bringen wollen, ſo wuͤrde
er von ſeinem ſchoͤnſten und reichſten Detail, von ſei¬
nen Ausſchweifungen und Epiſoden gerade das beſte
haben wegſchneiden muͤſſen. Überdem herrſcht im Hu¬
mor die ſubjective Anſicht durchgaͤngig vor, und es
waͤre einſeitig, zu den Schoͤnheiten, welche ſie dar¬
bietet, noch andre zu verlangen, welche mit ihr im
Widerſpruch ſtehn, und welche wir bei andern Dich¬
tern ſuchen und finden koͤnnen. Was man uͤbrigens
von der Fehlerhaftigkeit ſeiner allzu haͤufigen und ge¬
lehrten Metaphern geſagt hat, ſo kann man dieſelbe
wohl zugeben, ohne ſich allzuſehr daran zu ſtoßen.
Wir wuͤrden jedem gern ſeine Manier verzeihen, wenn
er nur ein Jean Paul waͤre, und ein Fehler des
Reichthums iſt immer beſſer, als einer der Armuth.
Das Ruͤhmlichſte, was wir Jean Paul nachſa¬
gen muͤſſen und was ihn mit den edelſten Maͤnnern
der Nation in eine Reihe ſtellt, iſt der Adel ſeiner
Geſinnung, ſeine reine Tugend, und das Feuer edler
Leidenſchaft, der ethiſche Ingrimm gegen das Laſter,
jene erhabenen Eigenſchaften des Charakters, die er
vorzuͤglich mit Schiller getheilt hat. Auch Jean Paul
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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