das uns Platon gibt: "Aber in jammertönender, von Alter und Armuth hergenommener Reden Kunst hat doch offenbar gesiegt des Chalkedoniers Kraft. Auch im Erzürnen der Menge ist dieser Mann gewaltig und wiederum die Erzürnten bezaubernd zu kirren, wie er sagt; und im Verläumden, und auch Ver¬ läumdungen abzuwälzen, woher es irgend gehe, ist er der Erste." Wie Kotzebue den moralischen Schmutz, so hat Iffland die Schwächlichkeit seines Jahrhun¬ derts zu einem poetischen Wechselbalg aufgestappelt, und beiden sind in der Romanenwelt vorzüglich La¬ fontaine und Clauren an die Seite getreten. Der erstere hat wie Iffland seine Zeit mit einem süßlichen Milchbrei, wie ein greinendes Wickelkind stillen zu müssen geglaubt. Sie haben der lieben Natur, dem lieben Herzen, der lieben Familie alles Hohe und Große aufgeopfert. Ihre Helden sind ein memmen¬ haftes, weibisches Pygmäengeschlecht, Jünglinge mit Mädchenwangen und Mädcheuherzen, Männer in Schlafmützen, gut genug, die Kinder zu wiegen, aber kaum gut genug, sie zu zeugen. Aus der Noth haben sie eine Tugend gemacht und die Schwäche gepriesen, weil sie nichts Großes kannten. Kotzebue und Clauren dagegen haben nicht blos an die Schwä¬ che, sondern auch an die Gemeinheit, das häßlichste der Laster, appellirt, und sich mit Leib und Seele dem Pöbel ergeben, gleichviel ob dem vornehmen oder zerlumpten. Mit allen geheimen Lüsten und La¬ stern steht die Muse dieser ästhetischen Demagogen in
das uns Platon gibt: »Aber in jammertoͤnender, von Alter und Armuth hergenommener Reden Kunſt hat doch offenbar geſiegt des Chalkedoniers Kraft. Auch im Erzuͤrnen der Menge iſt dieſer Mann gewaltig und wiederum die Erzuͤrnten bezaubernd zu kirren, wie er ſagt; und im Verlaͤumden, und auch Ver¬ laͤumdungen abzuwaͤlzen, woher es irgend gehe, iſt er der Erſte.» Wie Kotzebue den moraliſchen Schmutz, ſo hat Iffland die Schwaͤchlichkeit ſeines Jahrhun¬ derts zu einem poetiſchen Wechſelbalg aufgeſtappelt, und beiden ſind in der Romanenwelt vorzuͤglich La¬ fontaine und Clauren an die Seite getreten. Der erſtere hat wie Iffland ſeine Zeit mit einem ſuͤßlichen Milchbrei, wie ein greinendes Wickelkind ſtillen zu muͤſſen geglaubt. Sie haben der lieben Natur, dem lieben Herzen, der lieben Familie alles Hohe und Große aufgeopfert. Ihre Helden ſind ein memmen¬ haftes, weibiſches Pygmaͤengeſchlecht, Juͤnglinge mit Maͤdchenwangen und Maͤdcheuherzen, Maͤnner in Schlafmuͤtzen, gut genug, die Kinder zu wiegen, aber kaum gut genug, ſie zu zeugen. Aus der Noth haben ſie eine Tugend gemacht und die Schwaͤche geprieſen, weil ſie nichts Großes kannten. Kotzebue und Clauren dagegen haben nicht blos an die Schwaͤ¬ che, ſondern auch an die Gemeinheit, das haͤßlichſte der Laſter, appellirt, und ſich mit Leib und Seele dem Poͤbel ergeben, gleichviel ob dem vornehmen oder zerlumpten. Mit allen geheimen Luͤſten und La¬ ſtern ſteht die Muſe dieſer aͤſthetiſchen Demagogen in
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das uns Platon gibt: »Aber in jammertoͤnender, von
Alter und Armuth hergenommener Reden Kunſt hat
doch offenbar geſiegt des Chalkedoniers Kraft. Auch
im Erzuͤrnen der Menge iſt dieſer Mann gewaltig
und wiederum die Erzuͤrnten bezaubernd zu kirren,
wie er ſagt; und im Verlaͤumden, und auch Ver¬
laͤumdungen abzuwaͤlzen, woher es irgend gehe, iſt
er der Erſte.» Wie Kotzebue den moraliſchen Schmutz,
ſo hat Iffland die Schwaͤchlichkeit ſeines Jahrhun¬
derts zu einem poetiſchen Wechſelbalg aufgeſtappelt,
und beiden ſind in der Romanenwelt vorzuͤglich La¬
fontaine und Clauren an die Seite getreten. Der
erſtere hat wie Iffland ſeine Zeit mit einem ſuͤßlichen
Milchbrei, wie ein greinendes Wickelkind ſtillen zu
muͤſſen geglaubt. Sie haben der lieben Natur, dem
lieben Herzen, der lieben Familie alles Hohe und
Große aufgeopfert. Ihre Helden ſind ein memmen¬
haftes, weibiſches Pygmaͤengeſchlecht, Juͤnglinge mit
Maͤdchenwangen und Maͤdcheuherzen, Maͤnner in
Schlafmuͤtzen, gut genug, die Kinder zu wiegen,
aber kaum gut genug, ſie zu zeugen. Aus der Noth
haben ſie eine Tugend gemacht und die Schwaͤche
geprieſen, weil ſie nichts Großes kannten. Kotzebue
und Clauren dagegen haben nicht blos an die Schwaͤ¬
che, ſondern auch an die Gemeinheit, das haͤßlichſte
der Laſter, appellirt, und ſich mit Leib und Seele
dem Poͤbel ergeben, gleichviel ob dem vornehmen
oder zerlumpten. Mit allen geheimen Luͤſten und La¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/241>, abgerufen am 22.11.2024.
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