und satyrische sind, welche das moderne Leben ironi¬ siren oder verspotten. Das eben hat unserm Humor eine so große Bedeutung gegeben, daß er unser gan¬ zes gegenwärtiges Daseyn bemitleidet oder verachtet, während die ältern Satyriker nur einzelne Schlech¬ tigkeiten geißelten.
Wir unterscheiden nun wesentlich dreierlei Gat¬ tungen der modernen Poesie, eine didaktische oder psychologische, eine sentimentale und eine humoristi¬ sche. Man schildert das moderne Leben, um Beleh¬ rungen daran zu knüpfen, oder um sich mit selbst¬ gefälliger Sentimentalität daran zu ergötzen, oder um es zu ironisiren.
Die älteste dieser Gattungen war die didakti¬ sche. Man entwarf Sittengemälde, moralische Er¬ zählungen, um entweder die Sittengesetze durch den Reiz der modernen Darstellung zu empfehlen, oder diesen Darstellungen durch einen moralischen Reiz Ein¬ gang zu verschaffen. Es hielt in der That schwer, Schilderungen aus dem gemeinen Leben der Gegen¬ wart in die Poesie zu bringen, die man für viel zu vornehm dazu hielt. Man wollte auf der Bühne wie in den Romanen nur Götter und Helden oder Schä¬ fer, nicht aber gewöhnliche neumodische Menschen sehn. Die Engländer waren sowohl von Natur als durch ihren großen Shakespeare solchen Vorurtheilen entgegen. Sie verwarfen den französischen Geschmack, der sich auch bei ihnen besonders durch Pope einge¬ drungen, und kehrten zur eignen Natur zurück. Nur
und ſatyriſche ſind, welche das moderne Leben ironi¬ ſiren oder verſpotten. Das eben hat unſerm Humor eine ſo große Bedeutung gegeben, daß er unſer gan¬ zes gegenwaͤrtiges Daſeyn bemitleidet oder verachtet, waͤhrend die aͤltern Satyriker nur einzelne Schlech¬ tigkeiten geißelten.
Wir unterſcheiden nun weſentlich dreierlei Gat¬ tungen der modernen Poeſie, eine didaktiſche oder pſychologiſche, eine ſentimentale und eine humoriſti¬ ſche. Man ſchildert das moderne Leben, um Beleh¬ rungen daran zu knuͤpfen, oder um ſich mit ſelbſt¬ gefaͤlliger Sentimentalitaͤt daran zu ergoͤtzen, oder um es zu ironiſiren.
Die aͤlteſte dieſer Gattungen war die didakti¬ ſche. Man entwarf Sittengemaͤlde, moraliſche Er¬ zaͤhlungen, um entweder die Sittengeſetze durch den Reiz der modernen Darſtellung zu empfehlen, oder dieſen Darſtellungen durch einen moraliſchen Reiz Ein¬ gang zu verſchaffen. Es hielt in der That ſchwer, Schilderungen aus dem gemeinen Leben der Gegen¬ wart in die Poeſie zu bringen, die man fuͤr viel zu vornehm dazu hielt. Man wollte auf der Buͤhne wie in den Romanen nur Goͤtter und Helden oder Schaͤ¬ fer, nicht aber gewoͤhnliche neumodiſche Menſchen ſehn. Die Englaͤnder waren ſowohl von Natur als durch ihren großen Shakeſpeare ſolchen Vorurtheilen entgegen. Sie verwarfen den franzoͤſiſchen Geſchmack, der ſich auch bei ihnen beſonders durch Pope einge¬ drungen, und kehrten zur eignen Natur zuruͤck. Nur
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und ſatyriſche ſind, welche das moderne Leben ironi¬
ſiren oder verſpotten. Das eben hat unſerm Humor
eine ſo große Bedeutung gegeben, daß er unſer gan¬
zes gegenwaͤrtiges Daſeyn bemitleidet oder verachtet,
waͤhrend die aͤltern Satyriker nur einzelne Schlech¬
tigkeiten geißelten.
Wir unterſcheiden nun weſentlich dreierlei Gat¬
tungen der modernen Poeſie, eine didaktiſche oder
pſychologiſche, eine ſentimentale und eine humoriſti¬
ſche. Man ſchildert das moderne Leben, um Beleh¬
rungen daran zu knuͤpfen, oder um ſich mit ſelbſt¬
gefaͤlliger Sentimentalitaͤt daran zu ergoͤtzen, oder
um es zu ironiſiren.
Die aͤlteſte dieſer Gattungen war die didakti¬
ſche. Man entwarf Sittengemaͤlde, moraliſche Er¬
zaͤhlungen, um entweder die Sittengeſetze durch den
Reiz der modernen Darſtellung zu empfehlen, oder
dieſen Darſtellungen durch einen moraliſchen Reiz Ein¬
gang zu verſchaffen. Es hielt in der That ſchwer,
Schilderungen aus dem gemeinen Leben der Gegen¬
wart in die Poeſie zu bringen, die man fuͤr viel zu
vornehm dazu hielt. Man wollte auf der Buͤhne wie
in den Romanen nur Goͤtter und Helden oder Schaͤ¬
fer, nicht aber gewoͤhnliche neumodiſche Menſchen
ſehn. Die Englaͤnder waren ſowohl von Natur als
durch ihren großen Shakeſpeare ſolchen Vorurtheilen
entgegen. Sie verwarfen den franzoͤſiſchen Geſchmack,
der ſich auch bei ihnen beſonders durch Pope einge¬
drungen, und kehrten zur eignen Natur zuruͤck. Nur
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/200>, abgerufen am 03.05.2024.
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