Dadurch unterscheidet sich jeder historische Boden von dem neuentdeckten, noch unbevölkerten; und dadurch unterscheidet sich auch ein bewohntes Land von dem an¬ dern weit mehr, als durch seine bloß physischen Ei¬ genschaften. Wir denken uns kein solches Land, ohne zugleich an das Volk, seinen Charakter und seine Ge¬ schichte zu denken, und dadurch erst erhält es den romantischen Reiz für uns. Diesen Reiz nun kann niemand besser erwecken, als der Dichter, der nicht bloß die Gegend malt, sondern das Volk und seine Geschichte dazu, der uns in die lebendige Mitte nicht nur der Natur und des Raumes, wie der Maler, sondern auch der Zeit und der Begebenheiten versetzt. Der Dichter hat dabei noch den Vortheil, daß er uns Gegenden höchst interessant macht, die es nie seyn würden, wenn nur ein Maler sie abbildete.
Ein zweites Element bietet der physische Cha¬ rakter des Volkes selbst dar, die Nationalphysiogno¬ mie, die Stammesnatur, das Temperament, worin die Natur eine unerschöpfliche Fülle von interessanten Eigenthümlichkeiten und tiefromantischen Reizen ent¬ faltet. Hier schließt sich dem Dichter ein unerme߬ liches Feld auf, das noch sehr wenig bebaut worden ist. Gleichsam nur unwillkürlich haben bisher die Dichtungen verschiedener Völker ein nationelles Ge¬ präge getragen. Das Streben der Dichter ging nicht dahin, das Nationelle zu bezeichnen, vielmehr etwas Humanes, allgemein Menschliches davon auszuschei¬ den. Man kann die unzählbare Masse von Helden,
Dadurch unterſcheidet ſich jeder hiſtoriſche Boden von dem neuentdeckten, noch unbevoͤlkerten; und dadurch unterſcheidet ſich auch ein bewohntes Land von dem an¬ dern weit mehr, als durch ſeine bloß phyſiſchen Ei¬ genſchaften. Wir denken uns kein ſolches Land, ohne zugleich an das Volk, ſeinen Charakter und ſeine Ge¬ ſchichte zu denken, und dadurch erſt erhaͤlt es den romantiſchen Reiz fuͤr uns. Dieſen Reiz nun kann niemand beſſer erwecken, als der Dichter, der nicht bloß die Gegend malt, ſondern das Volk und ſeine Geſchichte dazu, der uns in die lebendige Mitte nicht nur der Natur und des Raumes, wie der Maler, ſondern auch der Zeit und der Begebenheiten verſetzt. Der Dichter hat dabei noch den Vortheil, daß er uns Gegenden hoͤchſt intereſſant macht, die es nie ſeyn wuͤrden, wenn nur ein Maler ſie abbildete.
Ein zweites Element bietet der phyſiſche Cha¬ rakter des Volkes ſelbſt dar, die Nationalphyſiogno¬ mie, die Stammesnatur, das Temperament, worin die Natur eine unerſchoͤpfliche Fuͤlle von intereſſanten Eigenthuͤmlichkeiten und tiefromantiſchen Reizen ent¬ faltet. Hier ſchließt ſich dem Dichter ein unerme߬ liches Feld auf, das noch ſehr wenig bebaut worden iſt. Gleichſam nur unwillkuͤrlich haben bisher die Dichtungen verſchiedener Voͤlker ein nationelles Ge¬ praͤge getragen. Das Streben der Dichter ging nicht dahin, das Nationelle zu bezeichnen, vielmehr etwas Humanes, allgemein Menſchliches davon auszuſchei¬ den. Man kann die unzaͤhlbare Maſſe von Helden,
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Dadurch unterſcheidet ſich jeder hiſtoriſche Boden von
dem neuentdeckten, noch unbevoͤlkerten; und dadurch
unterſcheidet ſich auch ein bewohntes Land von dem an¬
dern weit mehr, als durch ſeine bloß phyſiſchen Ei¬
genſchaften. Wir denken uns kein ſolches Land, ohne
zugleich an das Volk, ſeinen Charakter und ſeine Ge¬
ſchichte zu denken, und dadurch erſt erhaͤlt es den
romantiſchen Reiz fuͤr uns. Dieſen Reiz nun kann
niemand beſſer erwecken, als der Dichter, der nicht bloß
die Gegend malt, ſondern das Volk und ſeine
Geſchichte dazu, der uns in die lebendige Mitte nicht
nur der Natur und des Raumes, wie der Maler,
ſondern auch der Zeit und der Begebenheiten verſetzt.
Der Dichter hat dabei noch den Vortheil, daß er
uns Gegenden hoͤchſt intereſſant macht, die es nie
ſeyn wuͤrden, wenn nur ein Maler ſie abbildete.
Ein zweites Element bietet der phyſiſche Cha¬
rakter des Volkes ſelbſt dar, die Nationalphyſiogno¬
mie, die Stammesnatur, das Temperament, worin
die Natur eine unerſchoͤpfliche Fuͤlle von intereſſanten
Eigenthuͤmlichkeiten und tiefromantiſchen Reizen ent¬
faltet. Hier ſchließt ſich dem Dichter ein unerme߬
liches Feld auf, das noch ſehr wenig bebaut worden
iſt. Gleichſam nur unwillkuͤrlich haben bisher die
Dichtungen verſchiedener Voͤlker ein nationelles Ge¬
praͤge getragen. Das Streben der Dichter ging nicht
dahin, das Nationelle zu bezeichnen, vielmehr etwas
Humanes, allgemein Menſchliches davon auszuſchei¬
den. Man kann die unzaͤhlbare Maſſe von Helden,
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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