Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

zen seiner Poesie sind die Schicksalstragödien gefal¬
len, wie oben gezeigt wurde.

Die politischen und patriotischen Schauspiele sind
an sich sehr schätzbar, da die Bühne nicht allein ei¬
nem ästhetischen Zwecke huldigen, sondern auch be¬
lehren und für das Leben begeistern soll. Collin und
Theodor Körner haben in dieser Hinsicht zu ihrer
Zeit recht gut gewirkt. Auch ist die deutsche Ge¬
schichte überreich an Volkshelden, denen sich eine ideale
Seite abgewinnen läßt, in denen eine wahrhaft große
und edle Natur sich offenbart hat. Nur stehn die
meisten dieser deutschen Helden, dieser sittlichen, po¬
litischen, kirchlichen und militärischen Ideale, in ei¬
nem zu innigen Zusammenhange mit dem ganzen gro¬
ßen Gemälde ihrer Zeit, das sich nicht gut mit auf
die Bretter bringen läßt. Sie eignen sich weit mehr
für das Epos, als für das Drama. Daher sind die
größten Helden, in denen die Geschichte selbst schon
allen poetischen Stoff zusammengehäuft hat, z. B.
die Hohenstauffen, noch immer auf der Bühne nicht
einheimisch geworden. Neulich hat ein junger Dich¬
ter einen Versuch gemacht, aber er sah sich genöthigt,
einen Cyclus von sieben Trauerspielen auf einmal zu
geben, und so dehnte sich das Drama zu einer mehr
als epischen Länge aus. Auch ein besserer Dramati¬
ker wird hier Hindernisse finden, die einmal im Stoffe
liegen.

Wir haben oben als eine dritte Gattung des
Romantischen diejenige Dichtungsweise unterschieden,

zen ſeiner Poeſie ſind die Schickſalstragoͤdien gefal¬
len, wie oben gezeigt wurde.

Die politiſchen und patriotiſchen Schauſpiele ſind
an ſich ſehr ſchaͤtzbar, da die Buͤhne nicht allein ei¬
nem aͤſthetiſchen Zwecke huldigen, ſondern auch be¬
lehren und fuͤr das Leben begeiſtern ſoll. Collin und
Theodor Koͤrner haben in dieſer Hinſicht zu ihrer
Zeit recht gut gewirkt. Auch iſt die deutſche Ge¬
ſchichte uͤberreich an Volkshelden, denen ſich eine ideale
Seite abgewinnen laͤßt, in denen eine wahrhaft große
und edle Natur ſich offenbart hat. Nur ſtehn die
meiſten dieſer deutſchen Helden, dieſer ſittlichen, po¬
litiſchen, kirchlichen und militaͤriſchen Ideale, in ei¬
nem zu innigen Zuſammenhange mit dem ganzen gro¬
ßen Gemaͤlde ihrer Zeit, das ſich nicht gut mit auf
die Bretter bringen laͤßt. Sie eignen ſich weit mehr
fuͤr das Epos, als fuͤr das Drama. Daher ſind die
groͤßten Helden, in denen die Geſchichte ſelbſt ſchon
allen poetiſchen Stoff zuſammengehaͤuft hat, z. B.
die Hohenſtauffen, noch immer auf der Buͤhne nicht
einheimiſch geworden. Neulich hat ein junger Dich¬
ter einen Verſuch gemacht, aber er ſah ſich genoͤthigt,
einen Cyclus von ſieben Trauerſpielen auf einmal zu
geben, und ſo dehnte ſich das Drama zu einer mehr
als epiſchen Laͤnge aus. Auch ein beſſerer Dramati¬
ker wird hier Hinderniſſe finden, die einmal im Stoffe
liegen.

Wir haben oben als eine dritte Gattung des
Romantiſchen diejenige Dichtungsweiſe unterſchieden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="132"/>
zen &#x017F;einer Poe&#x017F;ie &#x017F;ind die Schick&#x017F;alstrago&#x0364;dien gefal¬<lb/>
len, wie oben gezeigt wurde.</p><lb/>
        <p>Die politi&#x017F;chen und patrioti&#x017F;chen Schau&#x017F;piele &#x017F;ind<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;tzbar, da die Bu&#x0364;hne nicht allein ei¬<lb/>
nem a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Zwecke huldigen, &#x017F;ondern auch be¬<lb/>
lehren und fu&#x0364;r das Leben begei&#x017F;tern &#x017F;oll. Collin und<lb/>
Theodor Ko&#x0364;rner haben in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht zu ihrer<lb/>
Zeit recht gut gewirkt. Auch i&#x017F;t die deut&#x017F;che Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte u&#x0364;berreich an Volkshelden, denen &#x017F;ich eine ideale<lb/>
Seite abgewinnen la&#x0364;ßt, in denen eine wahrhaft große<lb/>
und edle Natur &#x017F;ich offenbart hat. Nur &#x017F;tehn die<lb/>
mei&#x017F;ten die&#x017F;er deut&#x017F;chen Helden, die&#x017F;er &#x017F;ittlichen, po¬<lb/>
liti&#x017F;chen, kirchlichen und milita&#x0364;ri&#x017F;chen Ideale, in ei¬<lb/>
nem zu innigen Zu&#x017F;ammenhange mit dem ganzen gro¬<lb/>
ßen Gema&#x0364;lde ihrer Zeit, das &#x017F;ich nicht gut mit auf<lb/>
die Bretter bringen la&#x0364;ßt. Sie eignen &#x017F;ich weit mehr<lb/>
fu&#x0364;r das Epos, als fu&#x0364;r das Drama. Daher &#x017F;ind die<lb/>
gro&#x0364;ßten Helden, in denen die Ge&#x017F;chichte &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
allen poeti&#x017F;chen Stoff zu&#x017F;ammengeha&#x0364;uft hat, z. B.<lb/>
die Hohen&#x017F;tauffen, noch immer auf der Bu&#x0364;hne nicht<lb/>
einheimi&#x017F;ch geworden. Neulich hat ein junger Dich¬<lb/>
ter einen Ver&#x017F;uch gemacht, aber er &#x017F;ah &#x017F;ich geno&#x0364;thigt,<lb/>
einen Cyclus von &#x017F;ieben Trauer&#x017F;pielen auf einmal zu<lb/>
geben, und &#x017F;o dehnte &#x017F;ich das Drama zu einer mehr<lb/>
als epi&#x017F;chen La&#x0364;nge aus. Auch ein be&#x017F;&#x017F;erer Dramati¬<lb/>
ker wird hier Hinderni&#x017F;&#x017F;e finden, die einmal im Stoffe<lb/>
liegen.</p><lb/>
        <p>Wir haben oben als eine dritte Gattung des<lb/>
Romanti&#x017F;chen diejenige Dichtungswei&#x017F;e unter&#x017F;chieden,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0142] zen ſeiner Poeſie ſind die Schickſalstragoͤdien gefal¬ len, wie oben gezeigt wurde. Die politiſchen und patriotiſchen Schauſpiele ſind an ſich ſehr ſchaͤtzbar, da die Buͤhne nicht allein ei¬ nem aͤſthetiſchen Zwecke huldigen, ſondern auch be¬ lehren und fuͤr das Leben begeiſtern ſoll. Collin und Theodor Koͤrner haben in dieſer Hinſicht zu ihrer Zeit recht gut gewirkt. Auch iſt die deutſche Ge¬ ſchichte uͤberreich an Volkshelden, denen ſich eine ideale Seite abgewinnen laͤßt, in denen eine wahrhaft große und edle Natur ſich offenbart hat. Nur ſtehn die meiſten dieſer deutſchen Helden, dieſer ſittlichen, po¬ litiſchen, kirchlichen und militaͤriſchen Ideale, in ei¬ nem zu innigen Zuſammenhange mit dem ganzen gro¬ ßen Gemaͤlde ihrer Zeit, das ſich nicht gut mit auf die Bretter bringen laͤßt. Sie eignen ſich weit mehr fuͤr das Epos, als fuͤr das Drama. Daher ſind die groͤßten Helden, in denen die Geſchichte ſelbſt ſchon allen poetiſchen Stoff zuſammengehaͤuft hat, z. B. die Hohenſtauffen, noch immer auf der Buͤhne nicht einheimiſch geworden. Neulich hat ein junger Dich¬ ter einen Verſuch gemacht, aber er ſah ſich genoͤthigt, einen Cyclus von ſieben Trauerſpielen auf einmal zu geben, und ſo dehnte ſich das Drama zu einer mehr als epiſchen Laͤnge aus. Auch ein beſſerer Dramati¬ ker wird hier Hinderniſſe finden, die einmal im Stoffe liegen. Wir haben oben als eine dritte Gattung des Romantiſchen diejenige Dichtungsweiſe unterſchieden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/142
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/142>, abgerufen am 07.05.2024.