Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer Schönheit, wie eine heilige Musik, vom weich¬
sten Mollton bis zum vollen Sturm der gewaltigsten
Klänge, immer aber nur in reinen Accorden.

Die Gluth des begeisterten Herzens erfaßt bei
Schiller jedes Heilige, das der Menschheit gelten
soll, und hier waffnet sich sein Genius mit dem Flam¬
menschwert des Himmels; hier wird der Kampf je¬
nes kriegerischen Engels mit den Geistern der Tiefe
begonnen.

Schiller's reine Seele konnte kein Unrecht er¬
tragen, und er tritt geharnischt in die Schranken
für das ewige Recht. Ein begeisterter Prophet ver¬
kündet er die heilige Lehre jenes Segens, der im
Rechte wohnt, und jenes Unheils, welches unaus¬
bleiblich dem Unrecht folgt. Die Wahrheit seines
durchdringenden Urtheils aber wird durch die Gluth
der Empfindung und durch den blendenden Schmuck
der Rede nie getrübt, sondern immer nur glänzend
und schlagend hervorgehoben.

Die Freiheit, die vom Recht unzertrennlich
ist, war seinem Herzen das theuerste Kleinod. Doch
jene ungezügelte Freiheit, die vom Unrecht ausgeht,
und zum Unrecht führt, gehört unter die dämonischen
Gewalten, die sein Genius kräftig bekämpft.

Wir besitzen keinen Dichter, der Recht und Frei¬
heit mit so feuriger Begeisterung, mit so schönem
Schmuck der Poesie, aber auch keinen, der sie mit
so reiner unbestochener Gesinnung, mit so triumphi¬

ihrer Schoͤnheit, wie eine heilige Muſik, vom weich¬
ſten Mollton bis zum vollen Sturm der gewaltigſten
Klaͤnge, immer aber nur in reinen Accorden.

Die Gluth des begeiſterten Herzens erfaßt bei
Schiller jedes Heilige, das der Menſchheit gelten
ſoll, und hier waffnet ſich ſein Genius mit dem Flam¬
menſchwert des Himmels; hier wird der Kampf je¬
nes kriegeriſchen Engels mit den Geiſtern der Tiefe
begonnen.

Schiller's reine Seele konnte kein Unrecht er¬
tragen, und er tritt geharniſcht in die Schranken
fuͤr das ewige Recht. Ein begeiſterter Prophet ver¬
kuͤndet er die heilige Lehre jenes Segens, der im
Rechte wohnt, und jenes Unheils, welches unaus¬
bleiblich dem Unrecht folgt. Die Wahrheit ſeines
durchdringenden Urtheils aber wird durch die Gluth
der Empfindung und durch den blendenden Schmuck
der Rede nie getruͤbt, ſondern immer nur glaͤnzend
und ſchlagend hervorgehoben.

Die Freiheit, die vom Recht unzertrennlich
iſt, war ſeinem Herzen das theuerſte Kleinod. Doch
jene ungezuͤgelte Freiheit, die vom Unrecht ausgeht,
und zum Unrecht fuͤhrt, gehoͤrt unter die daͤmoniſchen
Gewalten, die ſein Genius kraͤftig bekaͤmpft.

Wir beſitzen keinen Dichter, der Recht und Frei¬
heit mit ſo feuriger Begeiſterung, mit ſo ſchoͤnem
Schmuck der Poeſie, aber auch keinen, der ſie mit
ſo reiner unbeſtochener Geſinnung, mit ſo triumphi¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="128"/>
ihrer Scho&#x0364;nheit, wie eine heilige Mu&#x017F;ik, vom weich¬<lb/>
&#x017F;ten Mollton bis zum vollen Sturm der gewaltig&#x017F;ten<lb/>
Kla&#x0364;nge, immer aber nur in reinen Accorden.</p><lb/>
        <p>Die Gluth des begei&#x017F;terten Herzens erfaßt bei<lb/>
Schiller jedes Heilige, das der Men&#x017F;chheit gelten<lb/>
&#x017F;oll, und hier waffnet &#x017F;ich &#x017F;ein Genius mit dem Flam¬<lb/>
men&#x017F;chwert des Himmels; hier wird der Kampf je¬<lb/>
nes kriegeri&#x017F;chen Engels mit den Gei&#x017F;tern der Tiefe<lb/>
begonnen.</p><lb/>
        <p>Schiller's reine Seele konnte kein Unrecht er¬<lb/>
tragen, und er tritt geharni&#x017F;cht in die Schranken<lb/>
fu&#x0364;r das ewige <hi rendition="#g">Recht</hi>. Ein begei&#x017F;terter Prophet ver¬<lb/>
ku&#x0364;ndet er die heilige Lehre jenes Segens, der im<lb/>
Rechte wohnt, und jenes Unheils, welches unaus¬<lb/>
bleiblich dem Unrecht folgt. Die Wahrheit &#x017F;eines<lb/>
durchdringenden Urtheils aber wird durch die Gluth<lb/>
der Empfindung und durch den blendenden Schmuck<lb/>
der Rede nie getru&#x0364;bt, &#x017F;ondern immer nur gla&#x0364;nzend<lb/>
und &#x017F;chlagend hervorgehoben.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Freiheit</hi>, die vom Recht unzertrennlich<lb/>
i&#x017F;t, war &#x017F;einem Herzen das theuer&#x017F;te Kleinod. Doch<lb/>
jene ungezu&#x0364;gelte Freiheit, die vom Unrecht ausgeht,<lb/>
und zum Unrecht fu&#x0364;hrt, geho&#x0364;rt unter die da&#x0364;moni&#x017F;chen<lb/>
Gewalten, die &#x017F;ein Genius kra&#x0364;ftig beka&#x0364;mpft.</p><lb/>
        <p>Wir be&#x017F;itzen keinen Dichter, der Recht und Frei¬<lb/>
heit mit &#x017F;o feuriger Begei&#x017F;terung, mit &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nem<lb/>
Schmuck der Poe&#x017F;ie, aber auch keinen, der &#x017F;ie mit<lb/>
&#x017F;o reiner unbe&#x017F;tochener Ge&#x017F;innung, mit &#x017F;o triumphi¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0138] ihrer Schoͤnheit, wie eine heilige Muſik, vom weich¬ ſten Mollton bis zum vollen Sturm der gewaltigſten Klaͤnge, immer aber nur in reinen Accorden. Die Gluth des begeiſterten Herzens erfaßt bei Schiller jedes Heilige, das der Menſchheit gelten ſoll, und hier waffnet ſich ſein Genius mit dem Flam¬ menſchwert des Himmels; hier wird der Kampf je¬ nes kriegeriſchen Engels mit den Geiſtern der Tiefe begonnen. Schiller's reine Seele konnte kein Unrecht er¬ tragen, und er tritt geharniſcht in die Schranken fuͤr das ewige Recht. Ein begeiſterter Prophet ver¬ kuͤndet er die heilige Lehre jenes Segens, der im Rechte wohnt, und jenes Unheils, welches unaus¬ bleiblich dem Unrecht folgt. Die Wahrheit ſeines durchdringenden Urtheils aber wird durch die Gluth der Empfindung und durch den blendenden Schmuck der Rede nie getruͤbt, ſondern immer nur glaͤnzend und ſchlagend hervorgehoben. Die Freiheit, die vom Recht unzertrennlich iſt, war ſeinem Herzen das theuerſte Kleinod. Doch jene ungezuͤgelte Freiheit, die vom Unrecht ausgeht, und zum Unrecht fuͤhrt, gehoͤrt unter die daͤmoniſchen Gewalten, die ſein Genius kraͤftig bekaͤmpft. Wir beſitzen keinen Dichter, der Recht und Frei¬ heit mit ſo feuriger Begeiſterung, mit ſo ſchoͤnem Schmuck der Poeſie, aber auch keinen, der ſie mit ſo reiner unbeſtochener Geſinnung, mit ſo triumphi¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/138
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/138>, abgerufen am 06.05.2024.