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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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die Geschichte der Griechen und Römer wichtig und
vernünftig, weil es daraus die Muster theils für
seine republikanischen Träume, theils für seinen Des¬
potenhaß entlehnen, und weil es hier dem ältesten
Feind der mittelalterlichen Barbarei die Hand rei¬
chen konnte. Der religiöse Fanatismus kam dem poli¬
tischen zu Hülfe. Da die Katholiken weniger geschrie¬
ben haben, und es den Gelehrten bereits zur andern
Natur geworden ist, gegen katholische Schriften, na¬
mentlich historische, vorsichtig zu seyn, so haben diese
weit weniger verdorben, als die Protestanten, wenn
sie auch gleichfalls weit weniger gut gemacht. Grade
indem die Protestanten beinah allein die Literatur be¬
herrscht haben, sind sie fanatisch gewesen, ohne es
zu bemerken, denn was die Katholiken dagegen ge¬
schrieben, ist von Protestanten immer für absoluten
Irrthum gehalten worden, seit man unter der römi¬
schen Infallibilität nur schlechterdings Fallibilität ver¬
steht. Die ungeheure Mehrzahl der protestantischen
Geschichtbücher stellt das Mittelalter auch aus dem
polemischen Standpunkt ihrer Confession dar. Die
Geschichtschreiber glaubten dabei noch um so viel un¬
trüglicher zu verfahren, als das philosophische Jahr¬
hundert allgemeinen Pfaffenhaß, Verspottung des Aber¬
glaubens und Verachtung der mittelalterlichen Roheit
predigte. Indem sie aber ihre Darstellung der Ge¬
schichte dieser Doctrin anpassen, werden ihre Werke
mehr pädagogische Exercitien, als treue Gemälde
der Vergangenheit. Sie malen nicht das Mittelalter,

die Geſchichte der Griechen und Roͤmer wichtig und
vernuͤnftig, weil es daraus die Muſter theils fuͤr
ſeine republikaniſchen Traͤume, theils fuͤr ſeinen Des¬
potenhaß entlehnen, und weil es hier dem aͤlteſten
Feind der mittelalterlichen Barbarei die Hand rei¬
chen konnte. Der religioͤſe Fanatismus kam dem poli¬
tiſchen zu Huͤlfe. Da die Katholiken weniger geſchrie¬
ben haben, und es den Gelehrten bereits zur andern
Natur geworden iſt, gegen katholiſche Schriften, na¬
mentlich hiſtoriſche, vorſichtig zu ſeyn, ſo haben dieſe
weit weniger verdorben, als die Proteſtanten, wenn
ſie auch gleichfalls weit weniger gut gemacht. Grade
indem die Proteſtanten beinah allein die Literatur be¬
herrſcht haben, ſind ſie fanatiſch geweſen, ohne es
zu bemerken, denn was die Katholiken dagegen ge¬
ſchrieben, iſt von Proteſtanten immer fuͤr abſoluten
Irrthum gehalten worden, ſeit man unter der roͤmi¬
ſchen Infallibilitaͤt nur ſchlechterdings Fallibilitaͤt ver¬
ſteht. Die ungeheure Mehrzahl der proteſtantiſchen
Geſchichtbuͤcher ſtellt das Mittelalter auch aus dem
polemiſchen Standpunkt ihrer Confeſſion dar. Die
Geſchichtſchreiber glaubten dabei noch um ſo viel un¬
truͤglicher zu verfahren, als das philoſophiſche Jahr¬
hundert allgemeinen Pfaffenhaß, Verſpottung des Aber¬
glaubens und Verachtung der mittelalterlichen Roheit
predigte. Indem ſie aber ihre Darſtellung der Ge¬
ſchichte dieſer Doctrin anpaſſen, werden ihre Werke
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[209/0219] die Geſchichte der Griechen und Roͤmer wichtig und vernuͤnftig, weil es daraus die Muſter theils fuͤr ſeine republikaniſchen Traͤume, theils fuͤr ſeinen Des¬ potenhaß entlehnen, und weil es hier dem aͤlteſten Feind der mittelalterlichen Barbarei die Hand rei¬ chen konnte. Der religioͤſe Fanatismus kam dem poli¬ tiſchen zu Huͤlfe. Da die Katholiken weniger geſchrie¬ ben haben, und es den Gelehrten bereits zur andern Natur geworden iſt, gegen katholiſche Schriften, na¬ mentlich hiſtoriſche, vorſichtig zu ſeyn, ſo haben dieſe weit weniger verdorben, als die Proteſtanten, wenn ſie auch gleichfalls weit weniger gut gemacht. Grade indem die Proteſtanten beinah allein die Literatur be¬ herrſcht haben, ſind ſie fanatiſch geweſen, ohne es zu bemerken, denn was die Katholiken dagegen ge¬ ſchrieben, iſt von Proteſtanten immer fuͤr abſoluten Irrthum gehalten worden, ſeit man unter der roͤmi¬ ſchen Infallibilitaͤt nur ſchlechterdings Fallibilitaͤt ver¬ ſteht. Die ungeheure Mehrzahl der proteſtantiſchen Geſchichtbuͤcher ſtellt das Mittelalter auch aus dem polemiſchen Standpunkt ihrer Confeſſion dar. Die Geſchichtſchreiber glaubten dabei noch um ſo viel un¬ truͤglicher zu verfahren, als das philoſophiſche Jahr¬ hundert allgemeinen Pfaffenhaß, Verſpottung des Aber¬ glaubens und Verachtung der mittelalterlichen Roheit predigte. Indem ſie aber ihre Darſtellung der Ge¬ ſchichte dieſer Doctrin anpaſſen, werden ihre Werke mehr paͤdagogiſche Exercitien, als treue Gemaͤlde der Vergangenheit. Sie malen nicht das Mittelalter,

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/219>, abgerufen am 22.11.2024.