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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Schriften anwenden, die sich mit Sacherklärungen
nicht aufhalten kann, und sie ist mit einem Wort
eine selbständige Wissenschaft der Formen. Da sie
aber als solche, gleich der Mathematik, eine innere
Consequenz hat, so findet sie weit leichter und mehr
Anhänger als jenes Studium, das den Inhalt zu er¬
klären sucht, weil dieses nach allen Seiten hin, eine
Mannigfaltigkeit von Kenntnissen erfordert, die weit
schwieriger zu erwerben sind, als Sprachkenntnisse.
Wohl fühlen die Philologen, daß sie ihren Schülern
den Plato oder Thucydides nicht genügend zu erklä¬
ren vermögen, wenn sie nicht im Besitz der reichsten
philosophischen, politischen und historischen Kenntnisse
sich befinden, und wo dieß nicht der Fall ist, also
in den meisten Fällen halten sie sich an die Sprache.

Die reine Sprachwissenschaft behandelt entweder
die Sprache eines Volks, oder sie vergleicht die
Sprachen verschiedner Völker, oder sie verfolgt phi¬
losophisch die allgemeine Logik in den sprachlichen
Formen, oder endlich den innern Zusammenhang und
die historische Entwicklung in allen Sprachen. Das
Studium einzelner Sprachen ist das herrschende, be¬
sonders aber hat uns die griechische und lateinische
beschäftigt. Die nähere Bekanntschaft mit denselben
hat ohne Zweifel sehr vortheilhaft auf die Ausbil¬
dung unsrer Sprache gewirkt, und uns namentlich
gelehrt, die Sätze in schöne Perioden auszudehnen
und doch den Sinn kürzer zu fassen, denn fast alle
Denkmäler der ältern deutschen Sprache leiden an

Schriften anwenden, die ſich mit Sacherklaͤrungen
nicht aufhalten kann, und ſie iſt mit einem Wort
eine ſelbſtaͤndige Wiſſenſchaft der Formen. Da ſie
aber als ſolche, gleich der Mathematik, eine innere
Conſequenz hat, ſo findet ſie weit leichter und mehr
Anhaͤnger als jenes Studium, das den Inhalt zu er¬
klaͤren ſucht, weil dieſes nach allen Seiten hin, eine
Mannigfaltigkeit von Kenntniſſen erfordert, die weit
ſchwieriger zu erwerben ſind, als Sprachkenntniſſe.
Wohl fuͤhlen die Philologen, daß ſie ihren Schuͤlern
den Plato oder Thucydides nicht genuͤgend zu erklaͤ¬
ren vermoͤgen, wenn ſie nicht im Beſitz der reichſten
philoſophiſchen, politiſchen und hiſtoriſchen Kenntniſſe
ſich befinden, und wo dieß nicht der Fall iſt, alſo
in den meiſten Faͤllen halten ſie ſich an die Sprache.

Die reine Sprachwiſſenſchaft behandelt entweder
die Sprache eines Volks, oder ſie vergleicht die
Sprachen verſchiedner Voͤlker, oder ſie verfolgt phi¬
loſophiſch die allgemeine Logik in den ſprachlichen
Formen, oder endlich den innern Zuſammenhang und
die hiſtoriſche Entwicklung in allen Sprachen. Das
Studium einzelner Sprachen iſt das herrſchende, be¬
ſonders aber hat uns die griechiſche und lateiniſche
beſchaͤftigt. Die naͤhere Bekanntſchaft mit denſelben
hat ohne Zweifel ſehr vortheilhaft auf die Ausbil¬
dung unſrer Sprache gewirkt, und uns namentlich
gelehrt, die Saͤtze in ſchoͤne Perioden auszudehnen
und doch den Sinn kuͤrzer zu faſſen, denn faſt alle
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[192/0202] Schriften anwenden, die ſich mit Sacherklaͤrungen nicht aufhalten kann, und ſie iſt mit einem Wort eine ſelbſtaͤndige Wiſſenſchaft der Formen. Da ſie aber als ſolche, gleich der Mathematik, eine innere Conſequenz hat, ſo findet ſie weit leichter und mehr Anhaͤnger als jenes Studium, das den Inhalt zu er¬ klaͤren ſucht, weil dieſes nach allen Seiten hin, eine Mannigfaltigkeit von Kenntniſſen erfordert, die weit ſchwieriger zu erwerben ſind, als Sprachkenntniſſe. Wohl fuͤhlen die Philologen, daß ſie ihren Schuͤlern den Plato oder Thucydides nicht genuͤgend zu erklaͤ¬ ren vermoͤgen, wenn ſie nicht im Beſitz der reichſten philoſophiſchen, politiſchen und hiſtoriſchen Kenntniſſe ſich befinden, und wo dieß nicht der Fall iſt, alſo in den meiſten Faͤllen halten ſie ſich an die Sprache. Die reine Sprachwiſſenſchaft behandelt entweder die Sprache eines Volks, oder ſie vergleicht die Sprachen verſchiedner Voͤlker, oder ſie verfolgt phi¬ loſophiſch die allgemeine Logik in den ſprachlichen Formen, oder endlich den innern Zuſammenhang und die hiſtoriſche Entwicklung in allen Sprachen. Das Studium einzelner Sprachen iſt das herrſchende, be¬ ſonders aber hat uns die griechiſche und lateiniſche beſchaͤftigt. Die naͤhere Bekanntſchaft mit denſelben hat ohne Zweifel ſehr vortheilhaft auf die Ausbil¬ dung unſrer Sprache gewirkt, und uns namentlich gelehrt, die Saͤtze in ſchoͤne Perioden auszudehnen und doch den Sinn kuͤrzer zu faſſen, denn faſt alle Denkmaͤler der aͤltern deutſchen Sprache leiden an

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/202>, abgerufen am 22.11.2024.