Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Herzens in einer höchsten Einheit verbunden liegen, Herzens in einer hoͤchſten Einheit verbunden liegen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0182" n="172"/> Herzens in einer hoͤchſten Einheit verbunden liegen,<lb/> in deſſen reingeſtimmter Seele die Accorde voll er¬<lb/> klingen, in denen alles Lebens Harmonie gedeutet<lb/> wird. Geiſter wie Kant, Schelling, Goͤrres zeigen<lb/> uns erſt, was die Welt iſt, indem ſie ſie in ihrem<lb/> Geiſte ſpiegeln, und was der Geiſt iſt, indem ſie<lb/> ihn in der Welt ſpiegeln. Je weiter aber die Welt<lb/> erſchloſſen wird, deſto groͤßer werden die Geiſter,<lb/> je groͤßer die Geiſter ſind, deſto groͤßer ſchaffen ſie<lb/> die Welt. Der hoͤchſte Triumph des Philoſophen iſt,<lb/> daß er von innen heraus die Welt durch die Er¬<lb/> kenntniß neu ſchafft und bildet wie ein Kunſtwerk,<lb/> daß er immer freier wird, je mehr er ſie begreift,<lb/> daß die groͤßte Laſt des Wiſſens ſeinem Genius die<lb/> leichteſten Schwingen leiht. Der hoͤchſte Triumph der<lb/> Philoſophie iſt dagegen, daß ſie niemals alleinguͤltig<lb/> wird, daß ſie die Erkenntniß der Welt ſtets an die<lb/> Eigenthuͤmlichkeit geiſtiger Naturen knuͤpft, daß ſie<lb/> die Welt immer nur im Spiegel eines individuellen<lb/> Geiſtes zeigt, daß folglich der groͤßte Philoſoph den<lb/> groͤßern nicht ausſchließt. Man kann die Philoſophie<lb/> mit der Muſik vergleichen. Die Philoſophen ſpielen<lb/> auf der Welt. Hier und dort vernehmen wir die<lb/> wunderbarſten und herrlichſten Melodien. Wir be¬<lb/> dauern die Schuͤler, die dem Inſtrumente nicht gewach¬<lb/> ſen ſind, weil die toͤnereichſte Floͤte dem Ungeſchick¬<lb/> ten doch nur ein Holz iſt. Wer aber iſt ein Meiſter<lb/> der Gegenwart und glaubt, der Quell der Toͤne ſey<lb/> erſchoͤpft und verſiegt durch ſeine Kunſt? Immer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0182]
Herzens in einer hoͤchſten Einheit verbunden liegen,
in deſſen reingeſtimmter Seele die Accorde voll er¬
klingen, in denen alles Lebens Harmonie gedeutet
wird. Geiſter wie Kant, Schelling, Goͤrres zeigen
uns erſt, was die Welt iſt, indem ſie ſie in ihrem
Geiſte ſpiegeln, und was der Geiſt iſt, indem ſie
ihn in der Welt ſpiegeln. Je weiter aber die Welt
erſchloſſen wird, deſto groͤßer werden die Geiſter,
je groͤßer die Geiſter ſind, deſto groͤßer ſchaffen ſie
die Welt. Der hoͤchſte Triumph des Philoſophen iſt,
daß er von innen heraus die Welt durch die Er¬
kenntniß neu ſchafft und bildet wie ein Kunſtwerk,
daß er immer freier wird, je mehr er ſie begreift,
daß die groͤßte Laſt des Wiſſens ſeinem Genius die
leichteſten Schwingen leiht. Der hoͤchſte Triumph der
Philoſophie iſt dagegen, daß ſie niemals alleinguͤltig
wird, daß ſie die Erkenntniß der Welt ſtets an die
Eigenthuͤmlichkeit geiſtiger Naturen knuͤpft, daß ſie
die Welt immer nur im Spiegel eines individuellen
Geiſtes zeigt, daß folglich der groͤßte Philoſoph den
groͤßern nicht ausſchließt. Man kann die Philoſophie
mit der Muſik vergleichen. Die Philoſophen ſpielen
auf der Welt. Hier und dort vernehmen wir die
wunderbarſten und herrlichſten Melodien. Wir be¬
dauern die Schuͤler, die dem Inſtrumente nicht gewach¬
ſen ſind, weil die toͤnereichſte Floͤte dem Ungeſchick¬
ten doch nur ein Holz iſt. Wer aber iſt ein Meiſter
der Gegenwart und glaubt, der Quell der Toͤne ſey
erſchoͤpft und verſiegt durch ſeine Kunſt? Immer
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