Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

in den geistigen Charakter der Natur gesetzt. Die
Materie ist ihm nur der zerfallene Geist, der Geist
die combinirte Materie. Endlich hat Hegel den gei¬
stigen Pol vorwiegen lassen und die Identität des
Geistes mit der Natur in den materiellen Charakter
des Geistes, in die objective Wesenheit der Begriffe,
in das ausschließliche und absolute Seyn der Denk¬
begriffe und ihres Gesetzes, der höhern Logik, in
die Physik der Logik gesetzt. Oken's Wesen sind Be¬
griffe, Hegel's Begriffe sind Wesen. Somit bietet
die deutsche Philosophie bis zum gegenwärtigen Au¬
genblick ein consequentes System von Systemen dar
und ist in einem gewissen Kreise abgerundet.

Wir müssen aber auch auf die einzelnen Organe
des menschlichen Geistes Rücksicht nehmen, die in den
verschiednen Systemen vorzugsweise sind entwickelt
worden. Die kräftigste Entwicklung war immer die
einseitigste. Nur indem jedes Organ allein herrschen
will, erhält es den höchsten Grad der Ausbildung
und dient der Philosophie am besten in dem Augen¬
blick, da es von ihr zu entfernen scheint. Über¬
haupt, so lange die Philosophie, die unumstößlich, un¬
abänderlich und in allen Theilen vollkommen seyn wird,
noch nicht gefunden ist, kann sie dem Geist niemals
eine Schranke oder nur ein Maaß aufdringen, der
in einer eigenthümlichen Bahn vordringt und sich sel¬
ber Gesetz und Ziel schafft. Die Moral, die Logik,
die Physik sind einer eigenthümlichen Ausbildung un¬
terworfen, und nehmen weit seltner von der Philo¬

in den geiſtigen Charakter der Natur geſetzt. Die
Materie iſt ihm nur der zerfallene Geiſt, der Geiſt
die combinirte Materie. Endlich hat Hegel den gei¬
ſtigen Pol vorwiegen laſſen und die Identitaͤt des
Geiſtes mit der Natur in den materiellen Charakter
des Geiſtes, in die objective Weſenheit der Begriffe,
in das ausſchließliche und abſolute Seyn der Denk¬
begriffe und ihres Geſetzes, der hoͤhern Logik, in
die Phyſik der Logik geſetzt. Oken's Weſen ſind Be¬
griffe, Hegel's Begriffe ſind Weſen. Somit bietet
die deutſche Philoſophie bis zum gegenwaͤrtigen Au¬
genblick ein conſequentes Syſtem von Syſtemen dar
und iſt in einem gewiſſen Kreiſe abgerundet.

Wir muͤſſen aber auch auf die einzelnen Organe
des menſchlichen Geiſtes Ruͤckſicht nehmen, die in den
verſchiednen Syſtemen vorzugsweiſe ſind entwickelt
worden. Die kraͤftigſte Entwicklung war immer die
einſeitigſte. Nur indem jedes Organ allein herrſchen
will, erhaͤlt es den hoͤchſten Grad der Ausbildung
und dient der Philoſophie am beſten in dem Augen¬
blick, da es von ihr zu entfernen ſcheint. Über¬
haupt, ſo lange die Philoſophie, die unumſtoͤßlich, un¬
abaͤnderlich und in allen Theilen vollkommen ſeyn wird,
noch nicht gefunden iſt, kann ſie dem Geiſt niemals
eine Schranke oder nur ein Maaß aufdringen, der
in einer eigenthuͤmlichen Bahn vordringt und ſich ſel¬
ber Geſetz und Ziel ſchafft. Die Moral, die Logik,
die Phyſik ſind einer eigenthuͤmlichen Ausbildung un¬
terworfen, und nehmen weit ſeltner von der Philo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="168"/>
in den gei&#x017F;tigen Charakter der Natur ge&#x017F;etzt. Die<lb/>
Materie i&#x017F;t ihm nur der zerfallene Gei&#x017F;t, der Gei&#x017F;t<lb/>
die combinirte Materie. Endlich hat Hegel den gei¬<lb/>
&#x017F;tigen Pol vorwiegen la&#x017F;&#x017F;en und die Identita&#x0364;t des<lb/>
Gei&#x017F;tes mit der Natur in den materiellen Charakter<lb/>
des Gei&#x017F;tes, in die objective We&#x017F;enheit der Begriffe,<lb/>
in das aus&#x017F;chließliche und ab&#x017F;olute Seyn der Denk¬<lb/>
begriffe und ihres Ge&#x017F;etzes, der ho&#x0364;hern Logik, in<lb/>
die Phy&#x017F;ik der Logik ge&#x017F;etzt. Oken's We&#x017F;en &#x017F;ind Be¬<lb/>
griffe, Hegel's Begriffe &#x017F;ind We&#x017F;en. Somit bietet<lb/>
die deut&#x017F;che Philo&#x017F;ophie bis zum gegenwa&#x0364;rtigen Au¬<lb/>
genblick ein con&#x017F;equentes Sy&#x017F;tem von Sy&#x017F;temen dar<lb/>
und i&#x017F;t in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Krei&#x017F;e abgerundet.</p><lb/>
        <p>Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber auch auf die einzelnen Organe<lb/>
des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen, die in den<lb/>
ver&#x017F;chiednen Sy&#x017F;temen vorzugswei&#x017F;e &#x017F;ind entwickelt<lb/>
worden. Die kra&#x0364;ftig&#x017F;te Entwicklung war immer die<lb/>
ein&#x017F;eitig&#x017F;te. Nur indem jedes Organ allein herr&#x017F;chen<lb/>
will, erha&#x0364;lt es den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad der Ausbildung<lb/>
und dient der Philo&#x017F;ophie am be&#x017F;ten in dem Augen¬<lb/>
blick, da es von ihr zu entfernen &#x017F;cheint. Über¬<lb/>
haupt, &#x017F;o lange die Philo&#x017F;ophie, die unum&#x017F;to&#x0364;ßlich, un¬<lb/>
aba&#x0364;nderlich und in allen Theilen vollkommen &#x017F;eyn wird,<lb/>
noch nicht gefunden i&#x017F;t, kann &#x017F;ie dem Gei&#x017F;t niemals<lb/>
eine Schranke oder nur ein Maaß aufdringen, der<lb/>
in einer eigenthu&#x0364;mlichen Bahn vordringt und &#x017F;ich &#x017F;el¬<lb/>
ber Ge&#x017F;etz und Ziel &#x017F;chafft. Die Moral, die Logik,<lb/>
die Phy&#x017F;ik &#x017F;ind einer eigenthu&#x0364;mlichen Ausbildung un¬<lb/>
terworfen, und nehmen weit &#x017F;eltner von der Philo¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0178] in den geiſtigen Charakter der Natur geſetzt. Die Materie iſt ihm nur der zerfallene Geiſt, der Geiſt die combinirte Materie. Endlich hat Hegel den gei¬ ſtigen Pol vorwiegen laſſen und die Identitaͤt des Geiſtes mit der Natur in den materiellen Charakter des Geiſtes, in die objective Weſenheit der Begriffe, in das ausſchließliche und abſolute Seyn der Denk¬ begriffe und ihres Geſetzes, der hoͤhern Logik, in die Phyſik der Logik geſetzt. Oken's Weſen ſind Be¬ griffe, Hegel's Begriffe ſind Weſen. Somit bietet die deutſche Philoſophie bis zum gegenwaͤrtigen Au¬ genblick ein conſequentes Syſtem von Syſtemen dar und iſt in einem gewiſſen Kreiſe abgerundet. Wir muͤſſen aber auch auf die einzelnen Organe des menſchlichen Geiſtes Ruͤckſicht nehmen, die in den verſchiednen Syſtemen vorzugsweiſe ſind entwickelt worden. Die kraͤftigſte Entwicklung war immer die einſeitigſte. Nur indem jedes Organ allein herrſchen will, erhaͤlt es den hoͤchſten Grad der Ausbildung und dient der Philoſophie am beſten in dem Augen¬ blick, da es von ihr zu entfernen ſcheint. Über¬ haupt, ſo lange die Philoſophie, die unumſtoͤßlich, un¬ abaͤnderlich und in allen Theilen vollkommen ſeyn wird, noch nicht gefunden iſt, kann ſie dem Geiſt niemals eine Schranke oder nur ein Maaß aufdringen, der in einer eigenthuͤmlichen Bahn vordringt und ſich ſel¬ ber Geſetz und Ziel ſchafft. Die Moral, die Logik, die Phyſik ſind einer eigenthuͤmlichen Ausbildung un¬ terworfen, und nehmen weit ſeltner von der Philo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/178
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/178>, abgerufen am 28.04.2024.