Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.pfunden wird, ist nicht einmal ein Lehrsystem, ge¬ Die ersten Anfänge des Pietismus zeigen noch pfunden wird, iſt nicht einmal ein Lehrſyſtem, ge¬ Die erſten Anfaͤnge des Pietismus zeigen noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="149"/> pfunden wird, iſt nicht einmal ein Lehrſyſtem, ge¬<lb/> ſchweige denn die ſtarre Form einer ſichtbaren Kirche<lb/> leicht gegruͤndet. Dennoch iſt die Macht des Gefuͤhls<lb/> ohne alle aͤußern Huͤlfsmittel und Schutzwehren ſtark<lb/> genug, ſich zu verbreiten, und die aͤußern Schran¬<lb/> ken fremder Kirchen eben ſo zu uͤberſcheiten, als ſich<lb/> ſelbſt aͤußern Verfolgungen zu entziehn. Dieſe Macht<lb/> beſteht unſichtbar und unantaſtbar, und taͤuſcht jede<lb/> Berechnung ihrer Gegner. Niemand kann verhindern,<lb/> ſie dereinſt zur herrſchenden zu machen, und iſt ſie<lb/> dies geworden, ſo werden wir Erſcheinungen ſehn,<lb/> die niemand erwartet haͤtte.</p><lb/> <p>Die erſten Anfaͤnge des Pietismus zeigen noch<lb/> den ganzen Einfluß des Proteſtantismus, aus dem<lb/> ſie hervorgegangen. Die erſten Pietiſten wollten nur<lb/> den reinen Proteſtantismus darſtellen, in derſelben<lb/> Weiſe, wie die Jeſuiten den reinen Katholicismus.<lb/> Daher ſind ſie auch ein vollkommenes Gegenbild der<lb/> Jeſuiten. Die innige Gemeinſchaft mit Jeſus, der<lb/> durchgebildete Roman der Seelenliebſchaft, die Bu߬<lb/> fertigkeit, die Zerknirſchung, die Entzuͤckung und die<lb/> Viſionen, endlich die aufopfernde Dienſtfertigkeit, die<lb/> Bekehrung der Heiden, die Miſſionen nach fremden<lb/> Welttheilen ſind beiden gemein, nur daß die Jeſuiten<lb/> damit heuchelten, und nur die Zwecke der Hierarchie<lb/> verfolgten, waͤhrend die Pietiſten das nach ihrer<lb/> Meinung Gute um ſein ſelbſt willen thaten. Die<lb/> Pietiſten wollten anfangs nur einen gelaͤuterten Pro¬<lb/> teſtantismus und ſich keineswegs von der proteſtanti¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0159]
pfunden wird, iſt nicht einmal ein Lehrſyſtem, ge¬
ſchweige denn die ſtarre Form einer ſichtbaren Kirche
leicht gegruͤndet. Dennoch iſt die Macht des Gefuͤhls
ohne alle aͤußern Huͤlfsmittel und Schutzwehren ſtark
genug, ſich zu verbreiten, und die aͤußern Schran¬
ken fremder Kirchen eben ſo zu uͤberſcheiten, als ſich
ſelbſt aͤußern Verfolgungen zu entziehn. Dieſe Macht
beſteht unſichtbar und unantaſtbar, und taͤuſcht jede
Berechnung ihrer Gegner. Niemand kann verhindern,
ſie dereinſt zur herrſchenden zu machen, und iſt ſie
dies geworden, ſo werden wir Erſcheinungen ſehn,
die niemand erwartet haͤtte.
Die erſten Anfaͤnge des Pietismus zeigen noch
den ganzen Einfluß des Proteſtantismus, aus dem
ſie hervorgegangen. Die erſten Pietiſten wollten nur
den reinen Proteſtantismus darſtellen, in derſelben
Weiſe, wie die Jeſuiten den reinen Katholicismus.
Daher ſind ſie auch ein vollkommenes Gegenbild der
Jeſuiten. Die innige Gemeinſchaft mit Jeſus, der
durchgebildete Roman der Seelenliebſchaft, die Bu߬
fertigkeit, die Zerknirſchung, die Entzuͤckung und die
Viſionen, endlich die aufopfernde Dienſtfertigkeit, die
Bekehrung der Heiden, die Miſſionen nach fremden
Welttheilen ſind beiden gemein, nur daß die Jeſuiten
damit heuchelten, und nur die Zwecke der Hierarchie
verfolgten, waͤhrend die Pietiſten das nach ihrer
Meinung Gute um ſein ſelbſt willen thaten. Die
Pietiſten wollten anfangs nur einen gelaͤuterten Pro¬
teſtantismus und ſich keineswegs von der proteſtanti¬
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