schieht etwas, so ist die hauptsächlichste Folge davon, daß man darüber schreibt; ja viele Dinge scheinen nur darum zu geschehen, damit man darüber schreibe. Das meiste wird aber in Deutschland nur geschrie¬ ben, und gar nicht gethan. Unsere Thätigkeit ist eben vorzugsweise Schreiben. Dieß wäre kein Un¬ glück, da der Weise, der ein Buch schreibt, nicht we¬ niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen Sieg erstreitet. Wenn aber zehntausend Thoren auch Bücher schreiben wollen, so ist das eben so schlimm, als wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn seyn wollten.
Wir nehmen alle frühere Bildung nur in uns auf, um sie sogleich wieder in's Papier einzusargen. Wir bezahlen die Bücher, die wir lesen, mit denen, die wir schreiben. Es gibt hunderttausende, die nur lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daseyn an ein Paar Bücher geschmiedet ist, die von der Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die grüne Welt hinauszublicken. Womit sie gemartert worden, damit martern sie wieder, Priester der Ver¬ wesung unter Mumien verdorrt, pflanzen sie das alte Gift, wie Vestalinnen das heilige Feuer fort.
Jeder neue Genius scheint nur geboren zu wer¬ den, um sogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬ ben kaum größere Landsleute, als schreibende. Die Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬ mann in Deutschland etwas langweilig gemacht und dem Künstler ganz mit Dornen besäet wird, steht nur dem Schriftsteller lockend offen. Ein geistreicher
ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon, daß man daruͤber ſchreibt; ja viele Dinge ſcheinen nur darum zu geſchehen, damit man daruͤber ſchreibe. Das meiſte wird aber in Deutſchland nur geſchrie¬ ben, und gar nicht gethan. Unſere Thaͤtigkeit iſt eben vorzugsweiſe Schreiben. Dieß waͤre kein Un¬ gluͤck, da der Weiſe, der ein Buch ſchreibt, nicht we¬ niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen Sieg erſtreitet. Wenn aber zehntauſend Thoren auch Buͤcher ſchreiben wollen, ſo iſt das eben ſo ſchlimm, als wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn ſeyn wollten.
Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns auf, um ſie ſogleich wieder in's Papier einzuſargen. Wir bezahlen die Buͤcher, die wir leſen, mit denen, die wir ſchreiben. Es gibt hunderttauſende, die nur lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daſeyn an ein Paar Buͤcher geſchmiedet iſt, die von der Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die gruͤne Welt hinauszublicken. Womit ſie gemartert worden, damit martern ſie wieder, Prieſter der Ver¬ weſung unter Mumien verdorrt, pflanzen ſie das alte Gift, wie Veſtalinnen das heilige Feuer fort.
Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬ den, um ſogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬ ben kaum groͤßere Landsleute, als ſchreibende. Die Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬ mann in Deutſchland etwas langweilig gemacht und dem Kuͤnſtler ganz mit Dornen beſaͤet wird, ſteht nur dem Schriftſteller lockend offen. Ein geiſtreicher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0014"n="4"/>ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon,<lb/>
daß man daruͤber ſchreibt; ja viele Dinge ſcheinen<lb/>
nur darum zu geſchehen, damit man daruͤber ſchreibe.<lb/>
Das meiſte wird aber in Deutſchland nur geſchrie¬<lb/>
ben, und gar nicht gethan. Unſere Thaͤtigkeit iſt<lb/>
eben vorzugsweiſe Schreiben. Dieß waͤre kein Un¬<lb/>
gluͤck, da der Weiſe, der ein Buch ſchreibt, nicht we¬<lb/>
niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen<lb/>
Sieg erſtreitet. Wenn aber zehntauſend Thoren auch<lb/>
Buͤcher ſchreiben wollen, ſo iſt das eben ſo ſchlimm, als<lb/>
wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn ſeyn wollten.</p><lb/><p>Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns<lb/>
auf, um ſie ſogleich wieder in's Papier einzuſargen.<lb/>
Wir bezahlen die Buͤcher, die wir leſen, mit denen,<lb/>
die wir ſchreiben. Es gibt hunderttauſende, die nur<lb/>
lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daſeyn<lb/>
an ein Paar Buͤcher geſchmiedet iſt, die von der<lb/>
Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die<lb/>
gruͤne Welt hinauszublicken. Womit ſie gemartert<lb/>
worden, damit martern ſie wieder, Prieſter der Ver¬<lb/>
weſung unter Mumien verdorrt, pflanzen ſie das alte<lb/>
Gift, wie Veſtalinnen das heilige Feuer fort.</p><lb/><p>Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬<lb/>
den, um ſogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬<lb/>
ben kaum groͤßere Landsleute, als ſchreibende. Die<lb/>
Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬<lb/>
mann in Deutſchland etwas langweilig gemacht und<lb/>
dem Kuͤnſtler ganz mit Dornen beſaͤet wird, ſteht<lb/>
nur dem Schriftſteller lockend offen. Ein geiſtreicher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[4/0014]
ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon,
daß man daruͤber ſchreibt; ja viele Dinge ſcheinen
nur darum zu geſchehen, damit man daruͤber ſchreibe.
Das meiſte wird aber in Deutſchland nur geſchrie¬
ben, und gar nicht gethan. Unſere Thaͤtigkeit iſt
eben vorzugsweiſe Schreiben. Dieß waͤre kein Un¬
gluͤck, da der Weiſe, der ein Buch ſchreibt, nicht we¬
niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen
Sieg erſtreitet. Wenn aber zehntauſend Thoren auch
Buͤcher ſchreiben wollen, ſo iſt das eben ſo ſchlimm, als
wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn ſeyn wollten.
Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns
auf, um ſie ſogleich wieder in's Papier einzuſargen.
Wir bezahlen die Buͤcher, die wir leſen, mit denen,
die wir ſchreiben. Es gibt hunderttauſende, die nur
lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daſeyn
an ein Paar Buͤcher geſchmiedet iſt, die von der
Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die
gruͤne Welt hinauszublicken. Womit ſie gemartert
worden, damit martern ſie wieder, Prieſter der Ver¬
weſung unter Mumien verdorrt, pflanzen ſie das alte
Gift, wie Veſtalinnen das heilige Feuer fort.
Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬
den, um ſogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬
ben kaum groͤßere Landsleute, als ſchreibende. Die
Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬
mann in Deutſchland etwas langweilig gemacht und
dem Kuͤnſtler ganz mit Dornen beſaͤet wird, ſteht
nur dem Schriftſteller lockend offen. Ein geiſtreicher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/14>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.