Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.steht doch im Buche. Der Arzt schreibt sein Recept, Die Vielschreiberei ist eine allgemeine Krankheit Es gibt nichts von irgend einigem Interesse, 1 *
ſteht doch im Buche. Der Arzt ſchreibt ſein Recept, Die Vielſchreiberei iſt eine allgemeine Krankheit Es gibt nichts von irgend einigem Intereſſe, 1 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="3"/> ſteht doch im Buche. Der Arzt ſchreibt ſein Recept,<lb/> der Richter ſein Urtheil, der Geiſtliche ſeine Predigt,<lb/> der Lehrer wie der Schuͤler ſein Penſum aus Buͤ¬<lb/> chern ab. Man regiert, kurirt, handelt und wan¬<lb/> delt, kocht und bratet nach Buͤchern. Die liebe Ju¬<lb/> gend aber waͤre wohl verloren ohne Buͤcher. Ein<lb/> Kind und ein Buch ſind Dinge, die uns immer zu¬<lb/> gleich einfallen.</p><lb/> <p>Die Vielſchreiberei iſt eine allgemeine Krankheit<lb/> der Deutſchen, die auch jenſeits der Literatur herrſcht,<lb/> und in der Bureaukratie einen nahmhaften Theil der<lb/> Bevoͤlkerung an den Schreibtiſch feſſelt. Schreiber,<lb/> wohin man blickt! und eben dieſe Schreiber tragen<lb/> durch das, was ſie koſten, zur Verarmung des Lan¬<lb/> des nur bei, damit der Papiermuͤller an Lumpen kei¬<lb/> nen Mangel leide. Betrachten wir aber die ſitzende<lb/> Lebensart, der ſo viele tauſende geopfert werden.<lb/> Iſt ſie nicht laͤngſt ein Gegenſtand des oͤffentlichen<lb/> Witzes geweſen, ehe Tiſſot ihr ſein menſchenfreund¬<lb/> liches Bedauern und ſeinen aͤrztlichen Rath widmete?<lb/> Iſt der edle, aber durch die Feder aufgezehrte Gel¬<lb/> lert auf dem Roß, das ihm Friedrichs Ironie ge¬<lb/> ſchenkt, nicht das ewige Urbild jener armen an das<lb/> Pult gefeſſelten Gallioten, ein Bild, das freilich un¬<lb/> gleich unerfreulicher iſt, als das eines griechiſchen<lb/> Philoſophen, der unter Palmen und Lorbeern mehr<lb/> denkt und ſpricht, als ſchreibt.</p><lb/> <p>Es gibt nichts von irgend einigem Intereſſe,<lb/> woruͤber in Deutſchland nicht geſchrieben wuͤrde. Ge¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1 *<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0013]
ſteht doch im Buche. Der Arzt ſchreibt ſein Recept,
der Richter ſein Urtheil, der Geiſtliche ſeine Predigt,
der Lehrer wie der Schuͤler ſein Penſum aus Buͤ¬
chern ab. Man regiert, kurirt, handelt und wan¬
delt, kocht und bratet nach Buͤchern. Die liebe Ju¬
gend aber waͤre wohl verloren ohne Buͤcher. Ein
Kind und ein Buch ſind Dinge, die uns immer zu¬
gleich einfallen.
Die Vielſchreiberei iſt eine allgemeine Krankheit
der Deutſchen, die auch jenſeits der Literatur herrſcht,
und in der Bureaukratie einen nahmhaften Theil der
Bevoͤlkerung an den Schreibtiſch feſſelt. Schreiber,
wohin man blickt! und eben dieſe Schreiber tragen
durch das, was ſie koſten, zur Verarmung des Lan¬
des nur bei, damit der Papiermuͤller an Lumpen kei¬
nen Mangel leide. Betrachten wir aber die ſitzende
Lebensart, der ſo viele tauſende geopfert werden.
Iſt ſie nicht laͤngſt ein Gegenſtand des oͤffentlichen
Witzes geweſen, ehe Tiſſot ihr ſein menſchenfreund¬
liches Bedauern und ſeinen aͤrztlichen Rath widmete?
Iſt der edle, aber durch die Feder aufgezehrte Gel¬
lert auf dem Roß, das ihm Friedrichs Ironie ge¬
ſchenkt, nicht das ewige Urbild jener armen an das
Pult gefeſſelten Gallioten, ein Bild, das freilich un¬
gleich unerfreulicher iſt, als das eines griechiſchen
Philoſophen, der unter Palmen und Lorbeern mehr
denkt und ſpricht, als ſchreibt.
Es gibt nichts von irgend einigem Intereſſe,
woruͤber in Deutſchland nicht geſchrieben wuͤrde. Ge¬
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