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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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theilig. Unter der erdrückenden Last von Citaten wird
das Herz leicht beengt, die Critik macht kalt und die
Schranken der Bibel wie der symbolischen Bücher
bedingen einen Mechanismus der Formen, der mit
stereotypischen Redensarten und todtem Buchstaben¬
kram den Geist oft eben so austreibt, wie ihn die
äußre Werkthätigkeit der Katholiken ausgetrieben.

Daran knüpft sich auch unmittelbar der Kasten¬
geist, dessen Spuren die Literatur nicht abweisen kann.
Die Protestanten kommen damit in eine ähnliche schwan¬
kende Stellung, wie die Katholiken mit ihren oben
bezeichneten Aufklärungsversuchen, weil sie etwas wol¬
len, was mit dem herrschenden System ihrer Lehre
heterogen ist. Aus der gröbsten Orthodoxie hat sich
die Theologie allerdings seit dem vorigen Jahrhun¬
dert glücklich befreit, und die bösen Zeiten sind vor¬
bei, da sich Lutheraner und Reformirte auf offenem
Markt hinrichteten und in Schriften ärger als Tür¬
ken und Papst verketzerten; doch erhitzen sich einige
Geistliche immer noch am Studium der alten Kämpfe
zu neuer Scheelsucht. Am strengsten ist die Priester¬
schaft überall gegen den aufkeimenden Pietismus ver¬
fahren, weil ein natürlicher Instinkt sie lehrt, daß
ihrem System von dort eine noch verborgne, darum
desto größer scheinende Gefahr droht. Den Laien ge¬
genüber haben die protestantischen Priester übrigens
im Allgemeinen dem humanen Sinn entsprochen, den
Luther, der erste Bürger unter den Priestern, in sie
gepflanzt. Sie haben wohl auch hin und wieder nach

theilig. Unter der erdruͤckenden Laſt von Citaten wird
das Herz leicht beengt, die Critik macht kalt und die
Schranken der Bibel wie der ſymboliſchen Buͤcher
bedingen einen Mechanismus der Formen, der mit
ſtereotypiſchen Redensarten und todtem Buchſtaben¬
kram den Geiſt oft eben ſo austreibt, wie ihn die
aͤußre Werkthaͤtigkeit der Katholiken ausgetrieben.

Daran knuͤpft ſich auch unmittelbar der Kaſten¬
geiſt, deſſen Spuren die Literatur nicht abweiſen kann.
Die Proteſtanten kommen damit in eine aͤhnliche ſchwan¬
kende Stellung, wie die Katholiken mit ihren oben
bezeichneten Aufklaͤrungsverſuchen, weil ſie etwas wol¬
len, was mit dem herrſchenden Syſtem ihrer Lehre
heterogen iſt. Aus der groͤbſten Orthodoxie hat ſich
die Theologie allerdings ſeit dem vorigen Jahrhun¬
dert gluͤcklich befreit, und die boͤſen Zeiten ſind vor¬
bei, da ſich Lutheraner und Reformirte auf offenem
Markt hinrichteten und in Schriften aͤrger als Tuͤr¬
ken und Papſt verketzerten; doch erhitzen ſich einige
Geiſtliche immer noch am Studium der alten Kaͤmpfe
zu neuer Scheelſucht. Am ſtrengſten iſt die Prieſter¬
ſchaft uͤberall gegen den aufkeimenden Pietismus ver¬
fahren, weil ein natuͤrlicher Inſtinkt ſie lehrt, daß
ihrem Syſtem von dort eine noch verborgne, darum
deſto groͤßer ſcheinende Gefahr droht. Den Laien ge¬
genuͤber haben die proteſtantiſchen Prieſter uͤbrigens
im Allgemeinen dem humanen Sinn entſprochen, den
Luther, der erſte Buͤrger unter den Prieſtern, in ſie
gepflanzt. Sie haben wohl auch hin und wieder nach

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[120/0130] theilig. Unter der erdruͤckenden Laſt von Citaten wird das Herz leicht beengt, die Critik macht kalt und die Schranken der Bibel wie der ſymboliſchen Buͤcher bedingen einen Mechanismus der Formen, der mit ſtereotypiſchen Redensarten und todtem Buchſtaben¬ kram den Geiſt oft eben ſo austreibt, wie ihn die aͤußre Werkthaͤtigkeit der Katholiken ausgetrieben. Daran knuͤpft ſich auch unmittelbar der Kaſten¬ geiſt, deſſen Spuren die Literatur nicht abweiſen kann. Die Proteſtanten kommen damit in eine aͤhnliche ſchwan¬ kende Stellung, wie die Katholiken mit ihren oben bezeichneten Aufklaͤrungsverſuchen, weil ſie etwas wol¬ len, was mit dem herrſchenden Syſtem ihrer Lehre heterogen iſt. Aus der groͤbſten Orthodoxie hat ſich die Theologie allerdings ſeit dem vorigen Jahrhun¬ dert gluͤcklich befreit, und die boͤſen Zeiten ſind vor¬ bei, da ſich Lutheraner und Reformirte auf offenem Markt hinrichteten und in Schriften aͤrger als Tuͤr¬ ken und Papſt verketzerten; doch erhitzen ſich einige Geiſtliche immer noch am Studium der alten Kaͤmpfe zu neuer Scheelſucht. Am ſtrengſten iſt die Prieſter¬ ſchaft uͤberall gegen den aufkeimenden Pietismus ver¬ fahren, weil ein natuͤrlicher Inſtinkt ſie lehrt, daß ihrem Syſtem von dort eine noch verborgne, darum deſto groͤßer ſcheinende Gefahr droht. Den Laien ge¬ genuͤber haben die proteſtantiſchen Prieſter uͤbrigens im Allgemeinen dem humanen Sinn entſprochen, den Luther, der erſte Buͤrger unter den Prieſtern, in ſie gepflanzt. Sie haben wohl auch hin und wieder nach

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/130>, abgerufen am 23.11.2024.