standes, in immer tiefern Speculationen den Urgrund des Daseyns zu ergrübeln, findet in den Mysterien des katholischen Glaubens eine reiche Nahrung; end¬ lich die Vorliebe für das Alterthümliche, das den poetischen Gemüthern eigen zu seyn pflegt, findet in den Erinnerungen des Katholicismus, in den gewal¬ tigen und rührenden Bildern des Mittelalters wie die schönsten Gegenstände des Genusses, so die wür¬ digsten Stoffe für den darstellenden Kunsttrieb. Wenn man das Daseyn vieler warmen, sinnlichen, poeti¬ schen Seelen nicht läugnen kann, so muß man auch zugeben, daß sie ganz vorzüglich vom Katholicismus ergriffen werden müssen, und ihre bedeutendsten Schrif¬ ten beweisen hinlänglich, daß ihre Begeisterung rein ästhetisch und auf keine Weise erheuchelt ist. Es ge¬ hört daher nur zu den Thorheiten ihrer überreizten Gegner, unter ihnen verkappte Jesuiten zu wittern, und alle ihre poetische Begeisterung nur für ein Blend¬ werk zu halten, und auszugeben, hinter welcher sich nur boshaftes Raffinement hierarchischer Absichten ver¬ stecke. Namentlich hat Voß diese gehässige Meinung ausgesprochen, ein Mann, der überall nur Schwarz und Weiß und keine Farbe gekannt zu haben scheint. Die poetischen Katholiken haben sich in andächtigen Herzensergießungen, in historischen und poetischen Schilderungen und zum Theil in polemischen Schrif¬ ten geltend gemacht. Wie der schöne sinnliche Got¬ tesdienst der Gegenstand ihrer Neigung ist, so ist der nüchterne, verständige ein Gegenstand ihrer Abnei¬
ſtandes, in immer tiefern Speculationen den Urgrund des Daſeyns zu ergruͤbeln, findet in den Myſterien des katholiſchen Glaubens eine reiche Nahrung; end¬ lich die Vorliebe fuͤr das Alterthuͤmliche, das den poetiſchen Gemuͤthern eigen zu ſeyn pflegt, findet in den Erinnerungen des Katholicismus, in den gewal¬ tigen und ruͤhrenden Bildern des Mittelalters wie die ſchoͤnſten Gegenſtaͤnde des Genuſſes, ſo die wuͤr¬ digſten Stoffe fuͤr den darſtellenden Kunſttrieb. Wenn man das Daſeyn vieler warmen, ſinnlichen, poeti¬ ſchen Seelen nicht laͤugnen kann, ſo muß man auch zugeben, daß ſie ganz vorzuͤglich vom Katholicismus ergriffen werden muͤſſen, und ihre bedeutendſten Schrif¬ ten beweiſen hinlaͤnglich, daß ihre Begeiſterung rein aͤſthetiſch und auf keine Weiſe erheuchelt iſt. Es ge¬ hoͤrt daher nur zu den Thorheiten ihrer uͤberreizten Gegner, unter ihnen verkappte Jeſuiten zu wittern, und alle ihre poetiſche Begeiſterung nur fuͤr ein Blend¬ werk zu halten, und auszugeben, hinter welcher ſich nur boshaftes Raffinement hierarchiſcher Abſichten ver¬ ſtecke. Namentlich hat Voß dieſe gehaͤſſige Meinung ausgeſprochen, ein Mann, der uͤberall nur Schwarz und Weiß und keine Farbe gekannt zu haben ſcheint. Die poetiſchen Katholiken haben ſich in andaͤchtigen Herzensergießungen, in hiſtoriſchen und poetiſchen Schilderungen und zum Theil in polemiſchen Schrif¬ ten geltend gemacht. Wie der ſchoͤne ſinnliche Got¬ tesdienſt der Gegenſtand ihrer Neigung iſt, ſo iſt der nuͤchterne, verſtaͤndige ein Gegenſtand ihrer Abnei¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0123"n="113"/>ſtandes, in immer tiefern Speculationen den Urgrund<lb/>
des Daſeyns zu ergruͤbeln, findet in den Myſterien<lb/>
des katholiſchen Glaubens eine reiche Nahrung; end¬<lb/>
lich die Vorliebe fuͤr das Alterthuͤmliche, das den<lb/>
poetiſchen Gemuͤthern eigen zu ſeyn pflegt, findet in<lb/>
den Erinnerungen des Katholicismus, in den gewal¬<lb/>
tigen und ruͤhrenden Bildern des Mittelalters wie<lb/>
die ſchoͤnſten Gegenſtaͤnde des Genuſſes, ſo die wuͤr¬<lb/>
digſten Stoffe fuͤr den darſtellenden Kunſttrieb. Wenn<lb/>
man das Daſeyn vieler warmen, ſinnlichen, poeti¬<lb/>ſchen Seelen nicht laͤugnen kann, ſo muß man auch<lb/>
zugeben, daß ſie ganz vorzuͤglich vom Katholicismus<lb/>
ergriffen werden muͤſſen, und ihre bedeutendſten Schrif¬<lb/>
ten beweiſen hinlaͤnglich, daß ihre Begeiſterung rein<lb/>
aͤſthetiſch und auf keine Weiſe erheuchelt iſt. Es ge¬<lb/>
hoͤrt daher nur zu den Thorheiten ihrer uͤberreizten<lb/>
Gegner, unter ihnen verkappte Jeſuiten zu wittern,<lb/>
und alle ihre poetiſche Begeiſterung nur fuͤr ein Blend¬<lb/>
werk zu halten, und auszugeben, hinter welcher ſich<lb/>
nur boshaftes Raffinement hierarchiſcher Abſichten ver¬<lb/>ſtecke. Namentlich hat Voß dieſe gehaͤſſige Meinung<lb/>
ausgeſprochen, ein Mann, der uͤberall nur Schwarz<lb/>
und Weiß und keine Farbe gekannt zu haben ſcheint.<lb/>
Die poetiſchen Katholiken haben ſich in andaͤchtigen<lb/>
Herzensergießungen, in hiſtoriſchen und poetiſchen<lb/>
Schilderungen und zum Theil in polemiſchen Schrif¬<lb/>
ten geltend gemacht. Wie der ſchoͤne ſinnliche Got¬<lb/>
tesdienſt der Gegenſtand ihrer Neigung iſt, ſo iſt der<lb/>
nuͤchterne, verſtaͤndige ein Gegenſtand ihrer Abnei¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[113/0123]
ſtandes, in immer tiefern Speculationen den Urgrund
des Daſeyns zu ergruͤbeln, findet in den Myſterien
des katholiſchen Glaubens eine reiche Nahrung; end¬
lich die Vorliebe fuͤr das Alterthuͤmliche, das den
poetiſchen Gemuͤthern eigen zu ſeyn pflegt, findet in
den Erinnerungen des Katholicismus, in den gewal¬
tigen und ruͤhrenden Bildern des Mittelalters wie
die ſchoͤnſten Gegenſtaͤnde des Genuſſes, ſo die wuͤr¬
digſten Stoffe fuͤr den darſtellenden Kunſttrieb. Wenn
man das Daſeyn vieler warmen, ſinnlichen, poeti¬
ſchen Seelen nicht laͤugnen kann, ſo muß man auch
zugeben, daß ſie ganz vorzuͤglich vom Katholicismus
ergriffen werden muͤſſen, und ihre bedeutendſten Schrif¬
ten beweiſen hinlaͤnglich, daß ihre Begeiſterung rein
aͤſthetiſch und auf keine Weiſe erheuchelt iſt. Es ge¬
hoͤrt daher nur zu den Thorheiten ihrer uͤberreizten
Gegner, unter ihnen verkappte Jeſuiten zu wittern,
und alle ihre poetiſche Begeiſterung nur fuͤr ein Blend¬
werk zu halten, und auszugeben, hinter welcher ſich
nur boshaftes Raffinement hierarchiſcher Abſichten ver¬
ſtecke. Namentlich hat Voß dieſe gehaͤſſige Meinung
ausgeſprochen, ein Mann, der uͤberall nur Schwarz
und Weiß und keine Farbe gekannt zu haben ſcheint.
Die poetiſchen Katholiken haben ſich in andaͤchtigen
Herzensergießungen, in hiſtoriſchen und poetiſchen
Schilderungen und zum Theil in polemiſchen Schrif¬
ten geltend gemacht. Wie der ſchoͤne ſinnliche Got¬
tesdienſt der Gegenſtand ihrer Neigung iſt, ſo iſt der
nuͤchterne, verſtaͤndige ein Gegenſtand ihrer Abnei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/123>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.