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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Fall ist, niemals könnte aber hierdurch verhindert werden,
dass es Personen gäbe, deren Bedarf an den ökonomischen
Gütern nicht, oder nur unvollständig gedeckt wäre, und denen
gegenüber die Besitzer ökonomischer Güter gegen allfällige Ge-
waltthätigkeiten geschützt werden müssten. Das Eigenthum in
dem obigen Sinne ist demnach unzertrennbar von der menschli-
chen Wirthschaft in ihrer socialen Gestalt und alle socialen
Reformpläne können vernünftigerweise nur auf eine zweck-
mässige Vertheilung der ökonomischen Güter, nicht aber auf die
Aufhebung der Institution des Eigenthums selbst, gerichtet sein.

b) Die nicht ökonomischen Güter.

Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte die Lebens-
erscheinungen dargethan, welche in Folge des Umstandes zu
Tage treten, dass der Bedarf an gewissen Gütern grösser ist,
als die verfügbare Quantität derselben. Wir gelangen nunmehr
zur Darlegung jener Thatsachen, welche in Folge des entgegen-
gesetzten Verhältnisses zur Erscheinung gelangen, des Verhält-
nisses nämlich, wornach der Bedarf der Menschen an einem
Gute geringer ist, als die ihnen verfügbare Quantität desselben.

Die nächste Folge dieses Verhältnisses ist die Erkenntniss
Seitens der Menschen, dass nicht nur für die Befriedigung aller
ihrer Bedürfnisse nach den betreffenden Gütern vollständig vor-
gesorgt ist, sondern dass sie die ganze ihnen verfügbare Quan-
tität der in dem obigen Verhältnisse stehenden Güter zur Be-
friedigung ihrer Bedürfnisse aufzubrauchen nicht in der Lage
sein werden. Setzen wir den Fall, ein Gebirgsbach, der an einem
Dorfe vorbeifliesst, führe während eines Tages 200.000 Eimer
Wasser, mit dem Unterschiede jedoch, dass er zur Zeit von
Regengüssen und im Frühjahre, wenn der Schnee der Berge
schmilzt, bis zu 300.000, zur Zeit der grössten Dürre aber nur
100.000 Eimer Wasser führt. Setzen wir nun weiter den Fall,
dass die Bewohner jenes Dorfes an Trink- und sonstigem
Nutzwasser, bei vollständiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach
diesem Gute, der Regel nach 200, höchstens aber 300 Eimer
täglich benöthigen, so steht ihrem höchsten Bedarfe von
300 Eimern die Verfügung über wenigstens 100.000 Eimer täg-
lich gegenüber. In diesem und so in jedem anderen Falle, in

Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Fall ist, niemals könnte aber hierdurch verhindert werden,
dass es Personen gäbe, deren Bedarf an den ökonomischen
Gütern nicht, oder nur unvollständig gedeckt wäre, und denen
gegenüber die Besitzer ökonomischer Güter gegen allfällige Ge-
waltthätigkeiten geschützt werden müssten. Das Eigenthum in
dem obigen Sinne ist demnach unzertrennbar von der menschli-
chen Wirthschaft in ihrer socialen Gestalt und alle socialen
Reformpläne können vernünftigerweise nur auf eine zweck-
mässige Vertheilung der ökonomischen Güter, nicht aber auf die
Aufhebung der Institution des Eigenthums selbst, gerichtet sein.

b) Die nicht ökonomischen Güter.

Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte die Lebens-
erscheinungen dargethan, welche in Folge des Umstandes zu
Tage treten, dass der Bedarf an gewissen Gütern grösser ist,
als die verfügbare Quantität derselben. Wir gelangen nunmehr
zur Darlegung jener Thatsachen, welche in Folge des entgegen-
gesetzten Verhältnisses zur Erscheinung gelangen, des Verhält-
nisses nämlich, wornach der Bedarf der Menschen an einem
Gute geringer ist, als die ihnen verfügbare Quantität desselben.

Die nächste Folge dieses Verhältnisses ist die Erkenntniss
Seitens der Menschen, dass nicht nur für die Befriedigung aller
ihrer Bedürfnisse nach den betreffenden Gütern vollständig vor-
gesorgt ist, sondern dass sie die ganze ihnen verfügbare Quan-
tität der in dem obigen Verhältnisse stehenden Güter zur Be-
friedigung ihrer Bedürfnisse aufzubrauchen nicht in der Lage
sein werden. Setzen wir den Fall, ein Gebirgsbach, der an einem
Dorfe vorbeifliesst, führe während eines Tages 200.000 Eimer
Wasser, mit dem Unterschiede jedoch, dass er zur Zeit von
Regengüssen und im Frühjahre, wenn der Schnee der Berge
schmilzt, bis zu 300.000, zur Zeit der grössten Dürre aber nur
100.000 Eimer Wasser führt. Setzen wir nun weiter den Fall,
dass die Bewohner jenes Dorfes an Trink- und sonstigem
Nutzwasser, bei vollständiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach
diesem Gute, der Regel nach 200, höchstens aber 300 Eimer
täglich benöthigen, so steht ihrem höchsten Bedarfe von
300 Eimern die Verfügung über wenigstens 100.000 Eimer täg-
lich gegenüber. In diesem und so in jedem anderen Falle, in

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[57/0075] Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft. Fall ist, niemals könnte aber hierdurch verhindert werden, dass es Personen gäbe, deren Bedarf an den ökonomischen Gütern nicht, oder nur unvollständig gedeckt wäre, und denen gegenüber die Besitzer ökonomischer Güter gegen allfällige Ge- waltthätigkeiten geschützt werden müssten. Das Eigenthum in dem obigen Sinne ist demnach unzertrennbar von der menschli- chen Wirthschaft in ihrer socialen Gestalt und alle socialen Reformpläne können vernünftigerweise nur auf eine zweck- mässige Vertheilung der ökonomischen Güter, nicht aber auf die Aufhebung der Institution des Eigenthums selbst, gerichtet sein. b) Die nicht ökonomischen Güter. Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte die Lebens- erscheinungen dargethan, welche in Folge des Umstandes zu Tage treten, dass der Bedarf an gewissen Gütern grösser ist, als die verfügbare Quantität derselben. Wir gelangen nunmehr zur Darlegung jener Thatsachen, welche in Folge des entgegen- gesetzten Verhältnisses zur Erscheinung gelangen, des Verhält- nisses nämlich, wornach der Bedarf der Menschen an einem Gute geringer ist, als die ihnen verfügbare Quantität desselben. Die nächste Folge dieses Verhältnisses ist die Erkenntniss Seitens der Menschen, dass nicht nur für die Befriedigung aller ihrer Bedürfnisse nach den betreffenden Gütern vollständig vor- gesorgt ist, sondern dass sie die ganze ihnen verfügbare Quan- tität der in dem obigen Verhältnisse stehenden Güter zur Be- friedigung ihrer Bedürfnisse aufzubrauchen nicht in der Lage sein werden. Setzen wir den Fall, ein Gebirgsbach, der an einem Dorfe vorbeifliesst, führe während eines Tages 200.000 Eimer Wasser, mit dem Unterschiede jedoch, dass er zur Zeit von Regengüssen und im Frühjahre, wenn der Schnee der Berge schmilzt, bis zu 300.000, zur Zeit der grössten Dürre aber nur 100.000 Eimer Wasser führt. Setzen wir nun weiter den Fall, dass die Bewohner jenes Dorfes an Trink- und sonstigem Nutzwasser, bei vollständiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach diesem Gute, der Regel nach 200, höchstens aber 300 Eimer täglich benöthigen, so steht ihrem höchsten Bedarfe von 300 Eimern die Verfügung über wenigstens 100.000 Eimer täg- lich gegenüber. In diesem und so in jedem anderen Falle, in

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/75>, abgerufen am 21.11.2024.