Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Dritter Brief.

Sowohl der Geschichtsschreiber und Statistiker,
als auch der Socialtheoretiker beschäftigen sich mit
Gesellschaftserscheinungen; wodurch unterscheidet sich
ihre wissenschaftliche Thätigkeit? Wodurch unter-
scheiden sich die historischen von den theoretischen
Socialwissenschaften? Diese für die Wissenschaftslehre
an sich bedeutungsvolle Frage hatte für mich eine be-
sondere Wichtigkeit gewonnen. In der neuern national-
ökonomischen Literatur Deutschlands waren, neben
manchen andern Irrthümern, von welchen ich weiter
unten zu handeln gedenke, Ansichten zu Tage getreten,
welche auf dem Gebiete der Volkswirthschaft jede
strengere Trennung von Geschichtsschreibung und
Statistik einerseits und der Theorie andererseits ver-
missen liessen. Es war eine Schule von Volkswirthen
entstanden, welche sich um die Geschichte und die
Statistik der Volkswirthschaft von Niemand bereit-
williger, als von mir, anerkannte Verdienste erworben
hatte, welche die obigen Wissenschaften und die theo-
retische Nationalökonomie indess vielfach mit einander
verwechselte, ja, in Folge der Auffassung der letzteren
als eine historische Wissenschaft, die selbstständige
Bedeutung derselben geradezu in Frage stellte. *)

*) Vgl. hiezu H. Dietzel: Ueber das Verhältniss der
Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre. Berlin 1882.
S. 4 ff., 7 ff.
Dritter Brief.

Sowohl der Geschichtsschreiber und Statistiker,
als auch der Socialtheoretiker beschäftigen sich mit
Gesellschaftserscheinungen; wodurch unterscheidet sich
ihre wissenschaftliche Thätigkeit? Wodurch unter-
scheiden sich die historischen von den theoretischen
Socialwissenschaften? Diese für die Wissenschaftslehre
an sich bedeutungsvolle Frage hatte für mich eine be-
sondere Wichtigkeit gewonnen. In der neuern national-
ökonomischen Literatur Deutschlands waren, neben
manchen andern Irrthümern, von welchen ich weiter
unten zu handeln gedenke, Ansichten zu Tage getreten,
welche auf dem Gebiete der Volkswirthschaft jede
strengere Trennung von Geschichtsschreibung und
Statistik einerseits und der Theorie andererseits ver-
missen liessen. Es war eine Schule von Volkswirthen
entstanden, welche sich um die Geschichte und die
Statistik der Volkswirthschaft von Niemand bereit-
williger, als von mir, anerkannte Verdienste erworben
hatte, welche die obigen Wissenschaften und die theo-
retische Nationalökonomie indess vielfach mit einander
verwechselte, ja, in Folge der Auffassung der letzteren
als eine historische Wissenschaft, die selbstständige
Bedeutung derselben geradezu in Frage stellte. *)

*) Vgl. hiezu H. Dietzel: Ueber das Verhältniss der
Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre. Berlin 1882.
S. 4 ff., 7 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0028" n="[12]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Dritter Brief.</hi> </head><lb/>
        <p>Sowohl der Geschichtsschreiber und Statistiker,<lb/>
als auch der Socialtheoretiker beschäftigen sich mit<lb/>
Gesellschaftserscheinungen; wodurch unterscheidet sich<lb/>
ihre wissenschaftliche Thätigkeit? Wodurch unter-<lb/>
scheiden sich die historischen von den theoretischen<lb/>
Socialwissenschaften? Diese für die Wissenschaftslehre<lb/>
an sich bedeutungsvolle Frage hatte für mich eine be-<lb/>
sondere Wichtigkeit gewonnen. In der neuern national-<lb/>
ökonomischen Literatur Deutschlands waren, neben<lb/>
manchen andern Irrthümern, von welchen ich weiter<lb/>
unten zu handeln gedenke, Ansichten zu Tage getreten,<lb/>
welche auf dem Gebiete der Volkswirthschaft jede<lb/>
strengere Trennung von Geschichtsschreibung und<lb/>
Statistik einerseits und der Theorie andererseits ver-<lb/>
missen liessen. Es war eine Schule von Volkswirthen<lb/>
entstanden, welche sich um die Geschichte und die<lb/>
Statistik der Volkswirthschaft von Niemand bereit-<lb/>
williger, als von mir, anerkannte Verdienste erworben<lb/>
hatte, welche die obigen Wissenschaften und die theo-<lb/>
retische Nationalökonomie indess vielfach mit einander<lb/>
verwechselte, ja, in Folge der Auffassung der letzteren<lb/>
als eine historische Wissenschaft, die selbstständige<lb/>
Bedeutung derselben geradezu in Frage stellte. <note place="foot" n="*)">Vgl. hiezu H. <hi rendition="#g">Dietzel</hi>: Ueber das Verhältniss der<lb/>
Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre. Berlin 1882.<lb/>
S. 4 ff., 7 ff.</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[12]/0028] Dritter Brief. Sowohl der Geschichtsschreiber und Statistiker, als auch der Socialtheoretiker beschäftigen sich mit Gesellschaftserscheinungen; wodurch unterscheidet sich ihre wissenschaftliche Thätigkeit? Wodurch unter- scheiden sich die historischen von den theoretischen Socialwissenschaften? Diese für die Wissenschaftslehre an sich bedeutungsvolle Frage hatte für mich eine be- sondere Wichtigkeit gewonnen. In der neuern national- ökonomischen Literatur Deutschlands waren, neben manchen andern Irrthümern, von welchen ich weiter unten zu handeln gedenke, Ansichten zu Tage getreten, welche auf dem Gebiete der Volkswirthschaft jede strengere Trennung von Geschichtsschreibung und Statistik einerseits und der Theorie andererseits ver- missen liessen. Es war eine Schule von Volkswirthen entstanden, welche sich um die Geschichte und die Statistik der Volkswirthschaft von Niemand bereit- williger, als von mir, anerkannte Verdienste erworben hatte, welche die obigen Wissenschaften und die theo- retische Nationalökonomie indess vielfach mit einander verwechselte, ja, in Folge der Auffassung der letzteren als eine historische Wissenschaft, die selbstständige Bedeutung derselben geradezu in Frage stellte. *) *) Vgl. hiezu H. Dietzel: Ueber das Verhältniss der Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre. Berlin 1882. S. 4 ff., 7 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/28
Zitationshilfe: Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884, S. [12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/28>, abgerufen am 18.04.2024.