der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit allein die seligmachende bist, auf der Erde, so wie im Himmel.
Bann und Verweisungsrecht, das sich der Staat zuweilen erlauben darf, sind dem Geiste der Religion schnurstracks zuwider. Ver- bannen, ausschließen, den Bruder abweisen, der an meiner Erbauung Theil nehmen, und sein Herz in wohlthätiger Mittheilung, mit dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! -- Wenn sich die Religion keine willkührliche Stra- fen erlaubt, am wenigsten diese Seelenquaal, die ach! nur dem empfindlich ist, der wirklich Religion hat. Gehet die Unglücklichen alle durch, die von je her durch Bann und Ver- dammniß haben gebessert werden sollen; Leser! welcher äusserlichen Kirche, Synagoge oder Moschee du auch anhängest! untersuche, ob du nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah- re Religion antreffen wirst, als in dem ungleich größern Haufen ihrer Verbanner? -- Nun hat die Verbannung entweder bürgerliche Fol- gen, oder sie hat keine. Ziehet sie bürgerliches
Elend
der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit allein die ſeligmachende biſt, auf der Erde, ſo wie im Himmel.
Bann und Verweiſungsrecht, das ſich der Staat zuweilen erlauben darf, ſind dem Geiſte der Religion ſchnurſtracks zuwider. Ver- bannen, ausſchließen, den Bruder abweiſen, der an meiner Erbauung Theil nehmen, und ſein Herz in wohlthaͤtiger Mittheilung, mit dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! — Wenn ſich die Religion keine willkuͤhrliche Stra- fen erlaubt, am wenigſten dieſe Seelenquaal, die ach! nur dem empfindlich iſt, der wirklich Religion hat. Gehet die Ungluͤcklichen alle durch, die von je her durch Bann und Ver- dammniß haben gebeſſert werden ſollen; Leſer! welcher aͤuſſerlichen Kirche, Synagoge oder Moſchee du auch anhaͤngeſt! unterſuche, ob du nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah- re Religion antreffen wirſt, als in dem ungleich groͤßern Haufen ihrer Verbanner? — Nun hat die Verbannung entweder buͤrgerliche Fol- gen, oder ſie hat keine. Ziehet ſie buͤrgerliches
Elend
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0098"n="92"/>
der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit<lb/>
allein die ſeligmachende biſt, auf der Erde, ſo<lb/>
wie im Himmel.</p><lb/><p>Bann und Verweiſungsrecht, das ſich<lb/>
der Staat zuweilen erlauben darf, ſind dem<lb/>
Geiſte der Religion ſchnurſtracks zuwider. Ver-<lb/>
bannen, ausſchließen, den Bruder abweiſen,<lb/>
der an meiner Erbauung Theil nehmen, und<lb/>ſein Herz in wohlthaͤtiger Mittheilung, mit<lb/>
dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! —<lb/>
Wenn ſich die Religion keine willkuͤhrliche Stra-<lb/>
fen erlaubt, am wenigſten dieſe Seelenquaal,<lb/>
die ach! nur dem empfindlich iſt, der wirklich<lb/>
Religion hat. Gehet die Ungluͤcklichen alle<lb/>
durch, die von je her durch Bann und Ver-<lb/>
dammniß haben gebeſſert werden ſollen; Leſer!<lb/>
welcher aͤuſſerlichen Kirche, Synagoge oder<lb/>
Moſchee du auch anhaͤngeſt! unterſuche, ob du<lb/>
nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah-<lb/>
re Religion antreffen wirſt, als in dem ungleich<lb/>
groͤßern Haufen ihrer Verbanner? — Nun<lb/>
hat die Verbannung entweder buͤrgerliche Fol-<lb/>
gen, oder ſie hat keine. Ziehet ſie buͤrgerliches<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Elend</fw><lb/></p></body></text></TEI>
[92/0098]
der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit
allein die ſeligmachende biſt, auf der Erde, ſo
wie im Himmel.
Bann und Verweiſungsrecht, das ſich
der Staat zuweilen erlauben darf, ſind dem
Geiſte der Religion ſchnurſtracks zuwider. Ver-
bannen, ausſchließen, den Bruder abweiſen,
der an meiner Erbauung Theil nehmen, und
ſein Herz in wohlthaͤtiger Mittheilung, mit
dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! —
Wenn ſich die Religion keine willkuͤhrliche Stra-
fen erlaubt, am wenigſten dieſe Seelenquaal,
die ach! nur dem empfindlich iſt, der wirklich
Religion hat. Gehet die Ungluͤcklichen alle
durch, die von je her durch Bann und Ver-
dammniß haben gebeſſert werden ſollen; Leſer!
welcher aͤuſſerlichen Kirche, Synagoge oder
Moſchee du auch anhaͤngeſt! unterſuche, ob du
nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah-
re Religion antreffen wirſt, als in dem ungleich
groͤßern Haufen ihrer Verbanner? — Nun
hat die Verbannung entweder buͤrgerliche Fol-
gen, oder ſie hat keine. Ziehet ſie buͤrgerliches
Elend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/98>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.