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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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versichert zu seyn glaube, darüber schleichet
oder stielt sich in dem nächsten Augenblicke ein
kleiner Zweifel ein, und lauret in einer Falte
meiner Seele, ohne daß ich ihn gewahr wor-
den. Viele Behauptungen, über die ich heute
zum Märtyrer werden möchte, können mir mor-
gen vielleicht problematisch vorkommen. Soll
ich diese innern Wahrnehmungen gar durch
Worte und Zeichen von mir geben, oder auf
Worte und Zeichen schwören, die andere Men-
schen mir vorlegen; so ist die Unsicherheit noch
weit größer. Ich und mein Nächster, wir
können unmöglich mit eben denselben Worten
eben dieselben innern Empfindungen verbin-
den; denn wir können diese nicht anders ge-
gen einanderhalten, mit einander vergleichen und
berichtigen, als wiederum durch Worte. Wir
können die Worte nicht durch Sachen erläu-
tern; sondern müssen wiederum zu Zeichen
und Worten unsere Zuflucht nehmen, und am
Ende zu Metaphern, weil wir, durch Hülfe
dieses Kunstgriffs, die Begriffe des innern
Sinnes auf äussere sinnliche Wahrnehmungen
gleichsam zurückführen. Was für Verwirrung
und Undeutlichkeit muß aber nicht auf solche

Weise

verſichert zu ſeyn glaube, daruͤber ſchleichet
oder ſtielt ſich in dem naͤchſten Augenblicke ein
kleiner Zweifel ein, und lauret in einer Falte
meiner Seele, ohne daß ich ihn gewahr wor-
den. Viele Behauptungen, uͤber die ich heute
zum Maͤrtyrer werden moͤchte, koͤnnen mir mor-
gen vielleicht problematiſch vorkommen. Soll
ich dieſe innern Wahrnehmungen gar durch
Worte und Zeichen von mir geben, oder auf
Worte und Zeichen ſchwoͤren, die andere Men-
ſchen mir vorlegen; ſo iſt die Unſicherheit noch
weit groͤßer. Ich und mein Naͤchſter, wir
koͤnnen unmoͤglich mit eben denſelben Worten
eben dieſelben innern Empfindungen verbin-
den; denn wir koͤnnen dieſe nicht anders ge-
gen einanderhalten, mit einander vergleichen und
berichtigen, als wiederum durch Worte. Wir
koͤnnen die Worte nicht durch Sachen erlaͤu-
tern; ſondern muͤſſen wiederum zu Zeichen
und Worten unſere Zuflucht nehmen, und am
Ende zu Metaphern, weil wir, durch Huͤlfe
dieſes Kunſtgriffs, die Begriffe des innern
Sinnes auf aͤuſſere ſinnliche Wahrnehmungen
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[76/0082] verſichert zu ſeyn glaube, daruͤber ſchleichet oder ſtielt ſich in dem naͤchſten Augenblicke ein kleiner Zweifel ein, und lauret in einer Falte meiner Seele, ohne daß ich ihn gewahr wor- den. Viele Behauptungen, uͤber die ich heute zum Maͤrtyrer werden moͤchte, koͤnnen mir mor- gen vielleicht problematiſch vorkommen. Soll ich dieſe innern Wahrnehmungen gar durch Worte und Zeichen von mir geben, oder auf Worte und Zeichen ſchwoͤren, die andere Men- ſchen mir vorlegen; ſo iſt die Unſicherheit noch weit groͤßer. Ich und mein Naͤchſter, wir koͤnnen unmoͤglich mit eben denſelben Worten eben dieſelben innern Empfindungen verbin- den; denn wir koͤnnen dieſe nicht anders ge- gen einanderhalten, mit einander vergleichen und berichtigen, als wiederum durch Worte. Wir koͤnnen die Worte nicht durch Sachen erlaͤu- tern; ſondern muͤſſen wiederum zu Zeichen und Worten unſere Zuflucht nehmen, und am Ende zu Metaphern, weil wir, durch Huͤlfe dieſes Kunſtgriffs, die Begriffe des innern Sinnes auf aͤuſſere ſinnliche Wahrnehmungen gleichſam zuruͤckfuͤhren. Was fuͤr Verwirrung und Undeutlichkeit muß aber nicht auf ſolche Weiſe

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/82>, abgerufen am 25.11.2024.