Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.Gottheit, die in den Volksreligionen sich noch heit F 3
Gottheit, die in den Volksreligionen ſich noch heit F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="89"/> Gottheit, die in den Volksreligionen ſich noch<lb/> erhielten, waren von Aberglauben ſo entſtellt,<lb/> von Heucheley und Pfaffenliſt ſo verderbt, daß<lb/> man mit Grunde zweifein konnte: ob nicht Ohn-<lb/> goͤtterey der menſchlichen Gluͤckſeligkeit weniger<lb/> ſchaͤdlich, ob ſo zu ſagen, die Gottloſigkeit ſelbſt<lb/> nicht weniger gottlos ſey, als eine ſolche Reli-<lb/> gion. Menſchen, Thiere, Pflanzen, die ſcheuß-<lb/> lichſten und veraͤchtlichſten Dinge in der Natur<lb/> wurden angebetet und als Gottheiten verehrt;<lb/> oder vielmehr als Gottheiten gefuͤrchtet. Denn<lb/> von der Gottheit hatten die oͤffentlichen Volks-<lb/> religionen der damaligen Zeiten keinen andern<lb/> Begriff, als von einem furchtbaren Weſen, das<lb/> uns Erdbewohnern an Macht uͤberlegen, leicht<lb/> zum Zorne zu reitzen, und ſchwer zu verſoͤhnen<lb/> iſt. Zur Schmach des menſchlichen Verſtandes<lb/> und Herzens wußte der Aberglaube die unver-<lb/> traͤglichſten Begriffe mit einander zu verbinden,<lb/> Menſchenopfer und Thierdienſt neben einander<lb/> gelten zu laſſen. In dem praͤchtigſten, nach allen<lb/> Regeln der Kunſt erbaueten und ausgezierten<lb/> Tempeln, ſahe man, wie Plutarch ſich ausdruͤckt,<lb/> zur Schande der Vernunft, ſich nach der Gott-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0191]
Gottheit, die in den Volksreligionen ſich noch
erhielten, waren von Aberglauben ſo entſtellt,
von Heucheley und Pfaffenliſt ſo verderbt, daß
man mit Grunde zweifein konnte: ob nicht Ohn-
goͤtterey der menſchlichen Gluͤckſeligkeit weniger
ſchaͤdlich, ob ſo zu ſagen, die Gottloſigkeit ſelbſt
nicht weniger gottlos ſey, als eine ſolche Reli-
gion. Menſchen, Thiere, Pflanzen, die ſcheuß-
lichſten und veraͤchtlichſten Dinge in der Natur
wurden angebetet und als Gottheiten verehrt;
oder vielmehr als Gottheiten gefuͤrchtet. Denn
von der Gottheit hatten die oͤffentlichen Volks-
religionen der damaligen Zeiten keinen andern
Begriff, als von einem furchtbaren Weſen, das
uns Erdbewohnern an Macht uͤberlegen, leicht
zum Zorne zu reitzen, und ſchwer zu verſoͤhnen
iſt. Zur Schmach des menſchlichen Verſtandes
und Herzens wußte der Aberglaube die unver-
traͤglichſten Begriffe mit einander zu verbinden,
Menſchenopfer und Thierdienſt neben einander
gelten zu laſſen. In dem praͤchtigſten, nach allen
Regeln der Kunſt erbaueten und ausgezierten
Tempeln, ſahe man, wie Plutarch ſich ausdruͤckt,
zur Schande der Vernunft, ſich nach der Gott-
heit
F 3
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