zu ihnen die Anbetung. Nun führet ihn eben so schnell und eben so plötzlich nach Othaiti zu- rück, und lasset ihn seinen neugierigen Landesleu- ten von den Religionsbegriffen des D. Philan- tropins Bericht abstatten. Werden sie den abge- schmackten Aberglauben ihrer Mitmenschen nicht zugleich belachen und bedauern, die so tief gesun- ken sind, schwarzen Zügen auf weissem Grunde göttliche Ehre zu erzeigen? -- Aehnliche Fehler mögen unsere Reisenden sehr oft begehen, wenn sie uns von der Religion entfernter Völker Nach- richt ertheilen. Sie müssen sich die Gedanken und Meinungen einer Nation sehr genau bekannt machen, bevor sie mit Zuverläßigkeit sagen kön- nen, ob die Bilder bey ihr noch den Geist der Schrift haben, oder schon in Abgötterey aus- geartet sind. Die Eroberer Jerusalems fanden bey Plünderung des Tempels die Cherubim auf der Lade des Bundes, und hielten sie für die Götzenbilder der Juden. Sie sahen alles mit barbarischen Augen, und aus ihrem Gesichts- punkte. Ein Bild der göttlichen Vorsehung und obwaltenden Gnade nahmen sie, ihrer Sitte nach, für Bild der Gottheit, für Gott-
heit
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zu ihnen die Anbetung. Nun fuͤhret ihn eben ſo ſchnell und eben ſo ploͤtzlich nach Othaiti zu- ruͤck, und laſſet ihn ſeinen neugierigen Landesleu- ten von den Religionsbegriffen des D. Philan- tropins Bericht abſtatten. Werden ſie den abge- ſchmackten Aberglauben ihrer Mitmenſchen nicht zugleich belachen und bedauern, die ſo tief geſun- ken ſind, ſchwarzen Zuͤgen auf weiſſem Grunde goͤttliche Ehre zu erzeigen? — Aehnliche Fehler moͤgen unſere Reiſenden ſehr oft begehen, wenn ſie uns von der Religion entfernter Voͤlker Nach- richt ertheilen. Sie muͤſſen ſich die Gedanken und Meinungen einer Nation ſehr genau bekannt machen, bevor ſie mit Zuverlaͤßigkeit ſagen koͤn- nen, ob die Bilder bey ihr noch den Geiſt der Schrift haben, oder ſchon in Abgoͤtterey aus- geartet ſind. Die Eroberer Jeruſalems fanden bey Pluͤnderung des Tempels die Cherubim auf der Lade des Bundes, und hielten ſie fuͤr die Goͤtzenbilder der Juden. Sie ſahen alles mit barbariſchen Augen, und aus ihrem Geſichts- punkte. Ein Bild der goͤttlichen Vorſehung und obwaltenden Gnade nahmen ſie, ihrer Sitte nach, fuͤr Bild der Gottheit, fuͤr Gott-
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zu ihnen die Anbetung. Nun fuͤhret ihn eben
ſo ſchnell und eben ſo ploͤtzlich nach Othaiti zu-
ruͤck, und laſſet ihn ſeinen neugierigen Landesleu-
ten von den Religionsbegriffen des D. Philan-
tropins Bericht abſtatten. Werden ſie den abge-
ſchmackten Aberglauben ihrer Mitmenſchen nicht
zugleich belachen und bedauern, die ſo tief geſun-
ken ſind, ſchwarzen Zuͤgen auf weiſſem Grunde
goͤttliche Ehre zu erzeigen? — Aehnliche Fehler
moͤgen unſere Reiſenden ſehr oft begehen, wenn
ſie uns von der Religion entfernter Voͤlker Nach-
richt ertheilen. Sie muͤſſen ſich die Gedanken
und Meinungen einer Nation ſehr genau bekannt
machen, bevor ſie mit Zuverlaͤßigkeit ſagen koͤn-
nen, ob die Bilder bey ihr noch den Geiſt der
Schrift haben, oder ſchon in Abgoͤtterey aus-
geartet ſind. Die Eroberer Jeruſalems fanden
bey Pluͤnderung des Tempels die Cherubim auf
der Lade des Bundes, und hielten ſie fuͤr die
Goͤtzenbilder der Juden. Sie ſahen alles mit
barbariſchen Augen, und aus ihrem Geſichts-
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und obwaltenden Gnade nahmen ſie, ihrer
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/187>, abgerufen am 16.02.2025.
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