zu Bezeichnung moralischer Begriffe und Eigen- schaften das unbequemste Ding in der Natur.
Noch itzt können in den bildenden Künsten die Personen der Götter und Helden nicht besser angedeutet werden, als vermittelst der thieri- schen oder leblosen Bilder, die man ihnen zuge- sellt. Ist schon eine Minerva von einer Juno der Bildung nach unterschieden, so zeichnen sie sich gleichwohl durch die thierischen Merkmale, die ihnen zugegeben werden, weit besser aus. Auch der Dichter, wenn er von sittlichen Eigen- schaften in Metaphern und Allegorien reden will, nimmt mehrentheils seine Zuflucht zu den Thie- ren. Löwe, Tyger, Adler, Stier, Fuchs, Hund, Bär, Wurm, Taube, alles dieses spricht, und die Bedeutung springet in die Augen. Daher wird man zuerst auch die Eigenschaften des An- betungswürdigsten durch dergleichen Zeichen ha- ben anzudeuten und sinnlich zu machen gesucht. In der Nothwendigkeit diese abgezogensten Be- griffe an sinnliche Dinge zu heften, und an sol- che sinnliche Dinge, die am wenigsten vieldeu- tig sind, wird man thierische Bilder haben wäh- len, oder aus ihnen welche zusammensetzen müs-
sen
zu Bezeichnung moraliſcher Begriffe und Eigen- ſchaften das unbequemſte Ding in der Natur.
Noch itzt koͤnnen in den bildenden Kuͤnſten die Perſonen der Goͤtter und Helden nicht beſſer angedeutet werden, als vermittelſt der thieri- ſchen oder lebloſen Bilder, die man ihnen zuge- ſellt. Iſt ſchon eine Minerva von einer Juno der Bildung nach unterſchieden, ſo zeichnen ſie ſich gleichwohl durch die thieriſchen Merkmale, die ihnen zugegeben werden, weit beſſer aus. Auch der Dichter, wenn er von ſittlichen Eigen- ſchaften in Metaphern und Allegorien reden will, nimmt mehrentheils ſeine Zuflucht zu den Thie- ren. Loͤwe, Tyger, Adler, Stier, Fuchs, Hund, Baͤr, Wurm, Taube, alles dieſes ſpricht, und die Bedeutung ſpringet in die Augen. Daher wird man zuerſt auch die Eigenſchaften des An- betungswuͤrdigſten durch dergleichen Zeichen ha- ben anzudeuten und ſinnlich zu machen geſucht. In der Nothwendigkeit dieſe abgezogenſten Be- griffe an ſinnliche Dinge zu heften, und an ſol- che ſinnliche Dinge, die am wenigſten vieldeu- tig ſind, wird man thieriſche Bilder haben waͤh- len, oder aus ihnen welche zuſammenſetzen muͤſ-
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zu Bezeichnung moraliſcher Begriffe und Eigen-
ſchaften das unbequemſte Ding in der Natur.
Noch itzt koͤnnen in den bildenden Kuͤnſten
die Perſonen der Goͤtter und Helden nicht beſſer
angedeutet werden, als vermittelſt der thieri-
ſchen oder lebloſen Bilder, die man ihnen zuge-
ſellt. Iſt ſchon eine Minerva von einer Juno
der Bildung nach unterſchieden, ſo zeichnen ſie
ſich gleichwohl durch die thieriſchen Merkmale,
die ihnen zugegeben werden, weit beſſer aus.
Auch der Dichter, wenn er von ſittlichen Eigen-
ſchaften in Metaphern und Allegorien reden will,
nimmt mehrentheils ſeine Zuflucht zu den Thie-
ren. Loͤwe, Tyger, Adler, Stier, Fuchs, Hund,
Baͤr, Wurm, Taube, alles dieſes ſpricht, und
die Bedeutung ſpringet in die Augen. Daher
wird man zuerſt auch die Eigenſchaften des An-
betungswuͤrdigſten durch dergleichen Zeichen ha-
ben anzudeuten und ſinnlich zu machen geſucht.
In der Nothwendigkeit dieſe abgezogenſten Be-
griffe an ſinnliche Dinge zu heften, und an ſol-
che ſinnliche Dinge, die am wenigſten vieldeu-
tig ſind, wird man thieriſche Bilder haben waͤh-
len, oder aus ihnen welche zuſammenſetzen muͤſ-
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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